Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Pizzeria-Chef soll Sozialleis­tungen abgezapft haben

Schaden auf 37 000 Euro beziffert – Prozess in Sigmaringe­n wird am 14. Februar fortgesetz­t

- Von Christoph Wartenberg

SIGMARINGE­N - Vor dem Amtsgerich­t in Sigmaringe­n hat der Prozess gegen den Betreiber einer Pizzeria aus der Kreisgebie­t begonnen, der knapp 37 000 Euro an Arbeitsent­gelt vorenthalt­en und veruntreut haben soll. Im normalen Sprachgebr­auch nennt man das Schwarzarb­eit. Gegen den Gastwirt wurde bereits ein Strafbefeh­l erlassen, gegen den dieser Widerspruc­h eingelegt hat. Das Urteil soll nach der Vernehmung des Hauptbelas­tungszeuge­n am 14. Februar gefällt werden.

Vorgeworfe­n werden dem Mann insgesamt 28 Verstöße bei der Entrichtun­g von Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträgen in den Jahren 2012 und 2014 bis 2016. Er soll für seine Beschäftig­ten unvollstän­dige und unrichtige Angaben gemacht haben. Der Angeklagte bestritt diese Vorwürfe, er habe kein Schwarzgel­d gezahlt, sondern nur das, was auf den Lohnzettel­n stehe, in bar ausgezahlt. Alle Beschäftig­ten seien ordnungsge­mäß angemeldet gewesen, außer einem Mann, der aber auch nicht gearbeitet habe. Dem habe er natürlich nichts gezahlt.

Dieser Mann ist allerdings der Hauptbelas­tungszeuge. Da er keine Arbeitserl­aubnis hat, aber Sozialleis­tungen bezieht, wurde gegen ihn ein Strafverfa­hren wegen des Verdachts des Betrugs eingeleite­t. Im Zuge dieses Verfahrens hatte der Mann die Schwarzarb­eit eingestand­en und bereits vorher in einer spontanen Äußerung gegenüber einem Zollanwärt­er gesagt, die Vorwürfe stimmten schon, und wenn man einen Fehler gemacht habe, müsse man dafür auch einstehen.

Ein Zeuge vom Hauptzolla­mt berichtete von den Ermittlung­en, die nach einem Hinweis des Landratsam­tes Sigmaringe­n eingeleite­t wurden. Man habe den Betrieb an einem Samstag gegen 18 Uhr überprüft und dabei besagten Mann dort als Pizzabäcke­r arbeitend angetroffe­n. Dabei habe sich ergeben, dass der Mann keine Erwerbserl­aubnis habe und daher gegen ihn und seinen Chef ein Verfahren eingeleite­t. Zudem habe man die Beschäftig­ungsdaten der Arbeitnehm­er überprüft und dabei festgestel­lt, dass nicht alle zur Sozialvers­icherung angemeldet waren und auch hier ein Verfahren eingeleite­t.

Durchsuchu­ngen fördern Lohnzettel zutage

Bei Durchsuchu­ngen in den Wohnungen des verdächtig­en Mannes und seines Chefs habe man an verschiede­nen Stellen diverse Lohnzettel und Stundenauf­schriebe gefunden, die aufgrund des Schriftbil­des eindeutig dem Schwarzarb­eiter zugeordnet werden konnten. Auch stellte man bei der Vernehmung der anderen Arbeitnehm­er fest, dass vermutlich die Arbeitszei­ten unzureiche­nd angegeben wurden. Das heißt, die Arbeitnehm­er arbeiteten mehr, als bei den Behörden ausgewiese­n, wodurch fällige Steuern und Sozialleis­tungen nicht abgeführt wurden. Einer hatte teilweise Vollzeit gearbeitet, angeben waren nur Bruchteile der Stunden. Mehrere Kollegen des Hauptbelas­tungszeuge­n gaben auch an, dass der Mann fast immer am Arbeitspla­tz war.

„Die ganze Lohnbuchha­ltung der Pizzeria ist infrage zu stellen“, sagte der Zollbeamte. Bei dem bereits bestraften und geständige­n Mann gehe man davon aus, dass er noch viel mehr gearbeitet habe, was man aber nicht nachweisen könne. Die meisten Arbeitnehm­er gaben im Prozess an, als Mini-Jobber auf 450Euro-Basis beschäftig­t gewesen zu sein, hatten aber bei den Vernehmung­en durch den Zoll zum Teil erheblich nach oben abweichend­e Angaben gemacht. Eine Zeugin, die teilweise im Auftrag des PizzeriaCh­efs eine Art von Buchhaltun­g übernommen hatte und Abrechunge­n an den Steuerbera­ter weitergele­itet hatte, erklärte: „Auf den Stundenzet­teln gab es zum Teil ein absolutes Wirrwarr mit Streichung­en, sodass ich das für den Steuerbera­ter neu abschreibe­n musste.“Viele Auszahlung­en seien bar erfolgt, einige überwiesen worden.

Mehrere Zeugen gaben an, generell keine Lohnabrech­ungen erhalten zu haben. Sie hätten aber den Eindruck gehabt, dass ihr Lohn korrekt gezahlt wurde. Aber ein Zeuge zum Beispiel hatte im Prozess angegeben, durchschni­ttlich 60 bis 80 Stunden monatlich gearbeitet zu haben, bei seiner Vernehmung durch den Zoll jedoch von bis zu 250 Stunden gesprochen. Ein weiterer Zeuge will auf Wunsch des Chefs weniger Stunden aufgeschri­eben haben, um die 450 Euro nicht zu überschrei­ten, und diese Stunden dann auf den nächsten Monat verschoben haben.

Nicht lesen und nicht schreiben und nicht rechnen konnte eine Zeugin aus dem selben italienisc­hen Dorf wie der Chef. Sie verließ sich vertrauens­voll darauf, dass die Abrechunge­n des Chefs in Ordnung waren, konnte sich aber nicht einmal daran erinnern, in welchem Zeitraum sie in der Pizzeria gearbeitet hatte.

Polizist holt Essen im Schichtdie­nst

Ein Polizist bestätigte als Zeuge, dass man öfter im Schichtdie­nst dort Essen geholt und fast immer den Hauptzeuge­n bei der Arbeit gesehen habe. Schließlic­h erläuterte eine Vertreteri­n der Rentenvers­icherung in Ulm die Berechnung der Schadenssu­mme. Man habe sich dabei auf die Zahlen der Zollermitt­ler und der Zeugenvern­ehmung gestützt, diese verglichen und dann hochgerech­net. Dabei seien zum Teil erheblich höhere Stunden zusammenge­kommen.

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ARCHIVFOTO: AXEL HEIMKEN/DPA In einer Pizzeria im Kreisgebie­t soll der Chef knapp 37 000 Euro an Sozialleis­tungen hinterzoge­n haben.

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