Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Pizzeria-Chef soll Sozialleistungen abgezapft haben
Schaden auf 37 000 Euro beziffert – Prozess in Sigmaringen wird am 14. Februar fortgesetzt
SIGMARINGEN - Vor dem Amtsgericht in Sigmaringen hat der Prozess gegen den Betreiber einer Pizzeria aus der Kreisgebiet begonnen, der knapp 37 000 Euro an Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreut haben soll. Im normalen Sprachgebrauch nennt man das Schwarzarbeit. Gegen den Gastwirt wurde bereits ein Strafbefehl erlassen, gegen den dieser Widerspruch eingelegt hat. Das Urteil soll nach der Vernehmung des Hauptbelastungszeugen am 14. Februar gefällt werden.
Vorgeworfen werden dem Mann insgesamt 28 Verstöße bei der Entrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in den Jahren 2012 und 2014 bis 2016. Er soll für seine Beschäftigten unvollständige und unrichtige Angaben gemacht haben. Der Angeklagte bestritt diese Vorwürfe, er habe kein Schwarzgeld gezahlt, sondern nur das, was auf den Lohnzetteln stehe, in bar ausgezahlt. Alle Beschäftigten seien ordnungsgemäß angemeldet gewesen, außer einem Mann, der aber auch nicht gearbeitet habe. Dem habe er natürlich nichts gezahlt.
Dieser Mann ist allerdings der Hauptbelastungszeuge. Da er keine Arbeitserlaubnis hat, aber Sozialleistungen bezieht, wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Betrugs eingeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens hatte der Mann die Schwarzarbeit eingestanden und bereits vorher in einer spontanen Äußerung gegenüber einem Zollanwärter gesagt, die Vorwürfe stimmten schon, und wenn man einen Fehler gemacht habe, müsse man dafür auch einstehen.
Ein Zeuge vom Hauptzollamt berichtete von den Ermittlungen, die nach einem Hinweis des Landratsamtes Sigmaringen eingeleitet wurden. Man habe den Betrieb an einem Samstag gegen 18 Uhr überprüft und dabei besagten Mann dort als Pizzabäcker arbeitend angetroffen. Dabei habe sich ergeben, dass der Mann keine Erwerbserlaubnis habe und daher gegen ihn und seinen Chef ein Verfahren eingeleitet. Zudem habe man die Beschäftigungsdaten der Arbeitnehmer überprüft und dabei festgestellt, dass nicht alle zur Sozialversicherung angemeldet waren und auch hier ein Verfahren eingeleitet.
Durchsuchungen fördern Lohnzettel zutage
Bei Durchsuchungen in den Wohnungen des verdächtigen Mannes und seines Chefs habe man an verschiedenen Stellen diverse Lohnzettel und Stundenaufschriebe gefunden, die aufgrund des Schriftbildes eindeutig dem Schwarzarbeiter zugeordnet werden konnten. Auch stellte man bei der Vernehmung der anderen Arbeitnehmer fest, dass vermutlich die Arbeitszeiten unzureichend angegeben wurden. Das heißt, die Arbeitnehmer arbeiteten mehr, als bei den Behörden ausgewiesen, wodurch fällige Steuern und Sozialleistungen nicht abgeführt wurden. Einer hatte teilweise Vollzeit gearbeitet, angeben waren nur Bruchteile der Stunden. Mehrere Kollegen des Hauptbelastungszeugen gaben auch an, dass der Mann fast immer am Arbeitsplatz war.
„Die ganze Lohnbuchhaltung der Pizzeria ist infrage zu stellen“, sagte der Zollbeamte. Bei dem bereits bestraften und geständigen Mann gehe man davon aus, dass er noch viel mehr gearbeitet habe, was man aber nicht nachweisen könne. Die meisten Arbeitnehmer gaben im Prozess an, als Mini-Jobber auf 450Euro-Basis beschäftigt gewesen zu sein, hatten aber bei den Vernehmungen durch den Zoll zum Teil erheblich nach oben abweichende Angaben gemacht. Eine Zeugin, die teilweise im Auftrag des PizzeriaChefs eine Art von Buchhaltung übernommen hatte und Abrechungen an den Steuerberater weitergeleitet hatte, erklärte: „Auf den Stundenzetteln gab es zum Teil ein absolutes Wirrwarr mit Streichungen, sodass ich das für den Steuerberater neu abschreiben musste.“Viele Auszahlungen seien bar erfolgt, einige überwiesen worden.
Mehrere Zeugen gaben an, generell keine Lohnabrechungen erhalten zu haben. Sie hätten aber den Eindruck gehabt, dass ihr Lohn korrekt gezahlt wurde. Aber ein Zeuge zum Beispiel hatte im Prozess angegeben, durchschnittlich 60 bis 80 Stunden monatlich gearbeitet zu haben, bei seiner Vernehmung durch den Zoll jedoch von bis zu 250 Stunden gesprochen. Ein weiterer Zeuge will auf Wunsch des Chefs weniger Stunden aufgeschrieben haben, um die 450 Euro nicht zu überschreiten, und diese Stunden dann auf den nächsten Monat verschoben haben.
Nicht lesen und nicht schreiben und nicht rechnen konnte eine Zeugin aus dem selben italienischen Dorf wie der Chef. Sie verließ sich vertrauensvoll darauf, dass die Abrechungen des Chefs in Ordnung waren, konnte sich aber nicht einmal daran erinnern, in welchem Zeitraum sie in der Pizzeria gearbeitet hatte.
Polizist holt Essen im Schichtdienst
Ein Polizist bestätigte als Zeuge, dass man öfter im Schichtdienst dort Essen geholt und fast immer den Hauptzeugen bei der Arbeit gesehen habe. Schließlich erläuterte eine Vertreterin der Rentenversicherung in Ulm die Berechnung der Schadenssumme. Man habe sich dabei auf die Zahlen der Zollermittler und der Zeugenvernehmung gestützt, diese verglichen und dann hochgerechnet. Dabei seien zum Teil erheblich höhere Stunden zusammengekommen.