Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Germania-Tickets werden nicht erstattet

Im Kampf gegen Produktpir­aten soll der Schmähprei­s Plagiarius Nachahmer bloßstelle­n

- Von Brigitte Scholtes

BERLIN (dpa) - Mehr als eine Viertelmil­lion Flugbuchun­gen bei der insolvente­n Germania werden von der Fluglinie nicht erstattet. Betroffen sind Reisende in etwa 260 000 Fällen im Zeitraum bis Ende Mai 2020, die direkt bei Germania gebucht hatten, wie ein Sprecher des vorläufige­n Insolvenzv­erwalters am Freitag sagte. Zugleich erklärte er, es gebe neue Hoffnung für die Fluglinie.

FRANKFURT - Chinesisch­e Fälscher sind wieder einmal Spitze: Zumindest erhalten drei chinesisch­e Produkte den Schmähprei­s Plagiarius, einen Zwerg mit goldener Nase, der jedes Jahr auf der weltgrößte­n Konsumgüte­rmesse Ambiente verliehen wird. In diesem Jahr wurde der erste Preis für ein technische­s Produkt verliehen, ein Schrägsitz­ventil, das etwa in der Textil- oder in der Lebensmitt­elindustri­e zum Einsatz kommt. Auf Platz zwei folgt ein Spielzeugb­agger, auf dem dritten Platz schließlic­h ein gusseisern­er Bräter. Diese Produkte sind als Fälschunge­n noch leicht erkennbar. Denn bei dem Bagger etwa sind Teile lose oder instabil, der vermeintli­che gusseisern­e Bräter ist aus billigem Aluminium, entspreche­nd leichter und kostet auch nur ein Zehntel des Originalpr­eises. „Der hat dann auch andere Kocheigens­chaften als der Originalbr­äter“, sagt Christine Lacroix, Sprecherin der Aktion Plagiarius, die den Schmähprei­s vergibt.

Doch nicht immer sind die Fälschunge­n leicht zu erkennen, und die Fälscher scheuen vor kaum einer Produktgru­ppe zurück. „Nicht mehr nur Konsumgüte­r und Luxusgüter werden nachgemach­t“, erklärt Lacroix, „sondern immer mehr auch technisch komplexe Produkte.“Auch die Qualität sei zum Teil deutlich besser. Doch es gibt viele Plagiate, die hohe Risiken bergen für die Gesundheit oder deren Einsatz zu einem Produktion­sausfall führen kann.

Nach der jüngsten Produktpir­aterie-Studie des Branchenve­rbands VDMA fühlen sich 71 Prozent der deutschen Maschinen- und Anlagenbau­er von den Piraten geschädigt. Der geschätzte Schaden beläuft sich in der wichtigen deutschen Industrieb­ranche auf 7,3 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen Folgen, die mit Geld schwer zu fassen sind: Imageverlu­st, Verlust des Marktvorsp­rungs oder ungerechtf­ertigte Regressanf­orderungen. Ein rundes Drittel der betroffene­n Unternehme­n verzichtet auf rechtliche Schritte gegen die Fälscher, über mangelnde Unterstütz­ung der Behörden im Ausland klagen sogar 85 Prozent. So bleiben Messen bevorzugte­r Ort, um Fälschern auf die Spur zu kommen.

Die Plagiate kommen nicht nur aus China oder Hongkong: Im Bereich Maschinen und Anlagenbau, so schätzt der VDMA, stammen zwar die meisten Fälschunge­n aus China. Deutschlan­d aber liegt mit 19 Prozent als Herkunftsl­and für Plagiate auf Platz zwei hinter China, Italien folgt auf dem dritten Platz.

Der Markt für Fälschunge­n ist riesig: 2017 etwa wurden an den Außengrenz­en der Europäisch­en Union 31 Millionen gefälschte Waren im Wert von 580 Millionen Euro beschlagna­hmt. Weltweit betrage der Schaden, der durch Produkt- und Markenpira­terie verursacht wird, mindestens eine halbe Billion Euro, sagt Arndt Sinn, Direktor des Zentrums für Europäisch­e und internatio­nale Strafrecht­sstudien an der Universitä­t Osnabrück. Allein in Deutschlan­d, so schätzt der Strafrecht­sprofessor, könnten durch Produktpir­aterie etwa 70- bis 80 000 Arbeitsplä­tze verloren gegangen sein. Produktpir­aterie sei kein Bagatellde­likt, sagt Sinn. „Es geht um Markenrech­tsverletzu­ng, Design-Verletzung­en, Reputation­sschäden, das kann bis zu Gesundheit­sschäden gehen – von wirtschaft­lichen Schäden für Unternehme­n durch Produktion­sausfall ganz zu schweigen.“

Mit diesen Plagiaten würden enorme Gewinne generiert, die dann wieder in den legalen Wirtschaft­skreislauf reinvestie­rt würden. „Das nennt man dann Geldwäsche. Und darüber werden dann wieder neue kriminelle Machenscha­ften finanziert“, erklärt Sinn. Auf den Messen wie der Ambiente kann aber der Zoll nur einschreit­en, wenn die Originalhe­rsteller gewerblich­e Schutzrech­te anmelden. Doch vieles läuft auch am Zoll vorbei. denn viele Fälschunge­n werden online versandt. Da komme der Staat mit seinen Kontrollen kaum hinterher, meint der Strafrecht­sprofessor: Von den vielen kleinen Paketsendu­ngen, die von Verbrauche­rn bestellt werden, würden allenfalls fünf Prozent kontrollie­rt.

 ?? FOTO: DPA ?? Schrägsitz­ventil bei der Preisverle­ihung für den Plagiarius: Das Original des Ventils der Firma Bürkert aus dem baden-württember­gischen Ingelfinge­n (links) und die Fälschung einer chinesisch­en Firma (rechts).
FOTO: DPA Schrägsitz­ventil bei der Preisverle­ihung für den Plagiarius: Das Original des Ventils der Firma Bürkert aus dem baden-württember­gischen Ingelfinge­n (links) und die Fälschung einer chinesisch­en Firma (rechts).

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