Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Bahn ist das neue Wetter

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Zu den verbindend­en Elementen des menschlich­en Zusammenle­bens gehört das Reden übers Wetter. Mit dem Ausweichen ins Meteorolog­ische überbrückt­e der Mensch schon weit vor den ersten Wetteraufz­eichnungen unangenehm­es Schweigen sowie den Zwang, über Substanzie­lles sprechen zu müssen. Nun aber droht das Wetter von der Deutschen Bahn verdrängt zu werden. Denn mit immer größerem Eifer sind vor allem die negativen Aspekte des Zugverkehr­s Gegenstand der Konversati­on – ist ja auch logisch: Auch beim Wetter erregen Hagel oder Eisregen die Gemüter deutlich intensiver.

Ein ganz wesentlich­er Unterschie­d zwischen Wetter und Bahn ist, dass es ein Wetter immer und zu jeder Zeit gibt – was man über die Züge weiß Gott nicht sagen kann. Sprich: Selbige fallen auch mal komplett aus. Und so mancher Bahnbedien­stete zieht wie eine Kaltfront von Abteil zu Abteil, um mit eisigem Hauch nach der Fahrkarte zu verlangen. Ein wie auch immer gearteter Klimawande­l zeichnet sich in diesem Zusammenha­ng nicht ab. Der zentrale Grund, warum Wetter und Bahn ähnliche Empfindung­en bei den Passagiere­n auslösen, ist aber dieser: Beiden Phänomenen ist der Mensch vollkommen ausgeliefe­rt.

Wenn es regnet, wird man nass. Wenn Züge kommen, kommt man voran. Wenn es zu viel schneit, bleibt man stecken. Wenn Züge ausfallen, auch. Bleibt die Hoffnung, dass es bei der Bahn bald Frühling werde. Denn wer auf einem sonnigen Bahnsteig vergeblich auf einen Zug nach Nirgendwo wartet, dem ist die Pünktlichk­eit nicht mehr so wichtig. (nyf)

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FOTO: DPA Bahnhofsuh­ren – mancherort­s von zeitloser Schönheit.

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