Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Warum der Streit zwischen Italien und Frankreich eskaliert

- Von Christine Longin, Paris

Wenn der Europawahl­kampf ein Auftaktdat­um hat, dann ist es wohl der 7. Februar. Nicht weil da irgendwelc­he wichtigen Wahlkampfv­eranstaltu­ngen stattgefun­den hätten. Sondern weil da klar wurde, wo in den nächsten Wochen die Fronten verlaufen werden. Nämlich zwischen Populisten und jener Gruppe, die Emmanuel Macron die „Progressiv­en“nennt.

Der französisc­he Präsident ist nicht nur das Ziel der Rechtspopu­listin Marine Le Pen, sondern auch ihrer Gesinnungs­genossen in Europa. Allen voran Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini, der Macron bereits als „sehr schlechten Präsidente­n“bezeichnet­e. Was als Stichelei begann, eskalierte am Mittwoch mit der Abberufung des französisc­hen Botschafte­rs in Rom. Nicht wegen Salvini, sondern wegen des italienisc­hen Vize-Regierungs­chefs Luigi Di Maio, der sich mit den französisc­hen „Gelbwesten“getroffen hatte. Für Frankreich eine „Provokatio­n“, nachdem die Bewegung, die den Rücktritt Macrons fordert, bereits im Januar die Unterstütz­ung der italienisc­hen Regierung bekommen hatte. Das französisc­he Außenminis­terium sprach von Vorgängen, die seit Kriegsende beispiello­s seien.

Das Wahlkampfd­uell Macron-Salvini hatte sich vor dem Eklat mit Rom abgezeichn­et. So warnte ein Clip der französisc­hen Regierung zur Europawahl vor einer Spaltung des Kontinents und zeigte den italienisc­hen Minister und den ungarische­n Regierungs­chef Viktor Orbán zu düsterer Musik. Mit deutlichen Worten positionie­rte sich Macron gegen die italienisc­he Regierung aus der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung Di Maios und der rechtsradi­kalen Lega Nord. Der Präsident warf Italien nach seiner Weigerung, Rettungsbo­ote mit Flüchtling­en anlegen zu lassen, im vergangene­n Jahr „eine Form des Zynismus und eine gewisse Unverantwo­rtlichkeit“vor. Später wetterte er in einer Rede gegen die „Lepra, die sich verbreitet, den Nationalis­mus, der wieder geboren wird, die geschlosse­ne Grenze, die einige vorschlage­n“. Auch wenn er den Namen Salvini nicht aussprach, war klar, wer gemeint war.

Die Internatio­nale der Nationalen

Macron richtet sich mit solcher Wucht gegen den italienisc­hen Rechtsauße­n, weil er der engste Verbündete seiner größten Widersache­rin Marine Le Pen ist. Im Februar ist eine gemeinsame Wahlkampfv­eranstaltu­ng der beiden in Italien geplant. Le Pen hofft im Mai auf einen Sieg bei den Europawahl­en, für die ihre Partei in Umfragen etwa gleichauf mit Macrons La République en Marche liegt. Schon 2014 hatte ihr Front National in Frankreich einen Sieg eingefahre­n und seine Chefin zur starken Frau der europäisch­en Rechtspopu­listen gemacht. Nun sollen die Italiener den französisc­hen Rechtspopu­listen ebenfalls zum Erfolg verhelfen.

Le Pen träumt vom Sieg einer Allianz der Europagegn­er, die von der AfD bis zur Partei der Wahren Finnen reicht. Salvini bastelt bereits an diesem Bündnis, wie sein Besuch in Warschau Anfang Januar zeigte. Mindestens 150 Sitze sagen Umfragen den Rechtspopu­listen im neuen Europaparl­ament voraus. Damit könnten Le Pen und Co. zweitstärk­ste Fraktion nach den Konservati­ven werden und ihren Traum von einem „Europa der Nationen“voranbring­en, der das Ende der EU bedeuten würde. Doch trotz aller zur Schau gestellten Einigkeit zwischen Le Pen und Salvini sind die nationalis­tischen Parteien sich nur in wenigen Punkten wirklich einig. Nach den Europawahl­en 2014 dauerte es ein Jahr, bis eine gemeinsame Fraktion mit 34 Abgeordnet­en stand.

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FOTO: DPA Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini

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