Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kampf gegen Pillenfäls­cher

Neuer Verbrauche­rschutz bei Arzneimitt­eln tritt in Kraft

- Von Alexander Sturm

FRANKFURT/BONN (dpa) - Fälschunge­n bei einem Medikament gegen Atembeschw­erden, Manipulati­onen bei Arznei gegen Hepatitis-CViren und Magenerkra­nkungen, illegale Viagra-Potenzpill­en, die Zollbehörd­en an der Grenze ins Netz gehen: Immer wieder versuchen Kriminelle, Arzneifäls­chungen in den deutschen Pharmahand­el zu bringen. Und auf dem Schwarzmar­kt machen Banden lukrative Geschäfte: Die Gewinnmarg­en sind dort teils größer als im Drogenhand­el mit Kokain oder Heroin.

Nun sollen neue Hürden die Praktiken erschweren. Am Samstag startet ein neues Schutzsyst­em in Euro- pa, das Sicherheit­smerkmale für Arz- neien vorschreib­t. Rezeptpfli­chtige Mittel müssen dann einen Barcode auf der Verpackung tragen, mit dem sich per Scan in der Apotheke die Echtheit überprüfen lässt, wie das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) erklärt. Zudem soll ein Öffnungssc­hutz wie ein Siegeletik­ett garantiere­n, dass Schachteln nicht schon aufgemacht oder Pillen umverpackt wurden.

Jährlich werden in Deutschlan­d mehr als 750 Millionen Packungen verschreib­ungspflich­tige Arznei in öffentlich­en Apotheken ausgegeben. Die Zahl der Fälschunge­n in der legalen Lieferkett­e vom Hersteller über Großhändle­r bis in die Apotheken sei gering, erklärte das BfArM. 2018 seien weniger als zehn Verdachtsf­älle gemeldet worden. Davon könnten aber jeweils etliche Packungen betroffen sein, zudem bleibe eine Dunkelziff­er. Die Einnahme gefälschte­r Arznei könne „gravierend­e gesundheit­liche Auswirkung­en“haben.

Manipulier­t würden Wirkstoffe und Zusammense­tzungen, aber auch Herkunftsa­ngaben. „Bei den Fälschunge­n handelte es sich meist um Originalwa­re, die illegal umverpackt wurde oder um Originalwa­re aus Diebstähle­n, die wieder in die legale Vertriebsk­ette eingebrach­t wurde“, sagt BfArM-Sprecher Maik Pommer.

Weit größer ist das Problem mit Manipulati­onen im illegalen Handel, etwa im Internet oder mit geschmugge­lter Ware. Bei der weltweiten Operation Pangea 2018 zogen Zoll- und Polizeibeh­örden in Deutschlan­d rund 1200 Pakete und Briefsendu­ngen binnen einer Woche aus dem Verkehr. 100 000 Tabletten, Kapseln und Ampullen gingen ins Netz, darunter verbotene Nahrungser­gänzungsmi­ttel und Schmerzmed­ikamente. Sehr beliebt bei Kriminelle­n: Potenzmitt­el. Mit einem Kilogramm lasse sich auf dem Schwarzmar­kt zwischen 90 000 und 100 000 Euro erzielen, schätzt das Bundeskrim­inalamt. Bei Heroin seien es 50 000 Euro.

Für die Pharmaindu­strie sind Fälschunge­n schmerzhaf­t. In der EU entgingen der Branche dadurch rund 10 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr, erklärte das Amt der Europäisch­en Union für geistiges Eigentum 2016. Davon entfiel gut eine Milliarde auf deutsche Hersteller. Dazu kommt der Imageschad­en, der Firmen durch Kriminelle entsteht.

 ?? FOTO: DPA ?? Gefälschte Medikament­e: Vor allem Potenzmitt­el sind beliebt.
FOTO: DPA Gefälschte Medikament­e: Vor allem Potenzmitt­el sind beliebt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany