Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Strafanzeige wegen Verdachts der Untreue
Schwanenareal: Anonymer „besorgter Bürger“meldet sich – Staatsanwaltschaft prüft
RIEDLINGEN - Bei der Staatsanwaltschaft in Ravensburg ist anonym eine Strafanzeige gegen „Unbekannt wegen des Verdachts der Untreue und weiterer in Betracht kommender strafbarer Handlungen“eingegangen. Die Anzeige, die der SZ vorliegt, steht in Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnungen im ehemaligen Schwanen und des Neubaus durch die Stadt. Der „besorgte Bürger der Stadt Riedlingen“sieht durch überhöhte Mietzahlungen an die Investorengruppe einen finanziellen Schaden für die Stadt gegeben. Die Staatsanwaltschaft hat den Eingang des Schreibens bestätigt.
Ende Januar ist die Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingegangen, so Staatsanwältin Tanja Kraemer. Derzeit werde geprüft. Sollte die Prüfung ergeben, dass ein Anfangsverdacht besteht, wird die Anzeige weiterverfolgt. Wenn sich kein Anfangsverdacht ergibt, wird eingestellt. Wie lange die Prüfung dauert konnte die Staatsanwältin noch nicht sagen.
Der Vorwurf des „anonymen Bürgers“: Bezahlung von überteuerten Mieten auf Kosten des Stadtsäckels. Hintergrund: Auf dem Schwanenareal unterhalb des Rathauses hat eine Investorengruppe den denkmalgeschützten Altbau saniert und zudem an Stelle einer Scheune einen Neubau mit acht Wohnungen erstellt. Die Wohnungen in beiden Gebäuden wurden zum 1. Mai 2018 durch die Stadt auf Beschluss des Gemeinderats für zwölf Jahre angemietet. Dort sollten Sozialwohnungen entstehen. Der Mietpreis für den Neubau liegt bei 10,50 Euro und für den Altbau bei 9,50 Euro. Zunächst war für den Altbau vorgesehen, dass in die vier Wohnungen mit insgesamt 16 Zimmern Flüchtlinge oder obdachlose Personen untergebracht werden. Doch Ende November hat der Rat beschlossen, dass auch die Wohnungen im Altbau auf dem freien Wohnungsmarkt vermietet werden sollen. Der Mietpreis, der hier bezahlt werde, liegt – so der Bürger in seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft – deutlich zu hoch. Demnach liege „das Mietpreisniveau in Riedlingen bei Altbauwohnungen bei vier bis fünf Euro pro Quadratmeter, bei Neubauwohnungen bei sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter“, heißt es in dem Schreiben.
Zweiter Vorwurf: Die Stadt habe beschlossen, dass die Vermietungen im Altbau auf bis zu sieben Euro pro Quadratmeter gesenkt werden können. Auch dadurch würde – selbst bei kompletter Vermietung – ein finanzieller Schaden entstehen. Allerdings: Der Gemeinderat hat dies nur diskutiert, aber eine Mietreduzierung wurde bislang nicht beschlossen.
Dritter Vorwurf in der Anzeige: Durch die überteuerten Mieten kann die Stadt die Wohnungen im Altbau nicht am freien Wohnungsmarkt vermieten, das heißt: Die Wohnungen stehen leer – ebenfalls zu Lasten der Stadt. Der „besorgte Bürger“spricht dabei von 900 Quadratmetern, die leerstehen würden mit einem monatlichen Abmangel von 9000 Euro. Hier allerdings liegt der Bürger falsch, denn in den 900 Quadratmetern sind die acht Wohnungen im Neubau enthalten, die alle für den Preis von 10,50 Euro pro Quadratmeter vermietet sind. Lediglich die Wohnungen im Altbau sind seit Mai nicht vermietet.
Fazit des Schreibers: „Diese für das Riedlinger Stadtsäckel schädliche Situation war in Anbetracht des in Riedlingen seither und weiterhin bestehenden Mietniveaus bei gehöriger Anstrengung der als vorhanden vorauszusetzenden Geisteskraft der Entscheidungsträger sowohl in der Stadtverwaltung als auch im Gemeinderat vorauszusehen.“
Widerspruch von Schafft
Bürgermeister Marcus Schafft widerspricht den Vorwürfen, dass die Stadt überteuerte Mietpreise bezahle. Es habe sich auch in Riedlingen das Preisniveau bei den Mieten entwickelt. Er verweist dazu etwa auf das Internetportal Immowelt, wo für Januar 2019 für Riedlingen Kaltpreismieten von 4,63 Euro bis 9,23 Euro je Quadratmeter bezahlt würden – je nach Zustand und Alter. Und beim sanierten „Schwanen“handle es sich um einen denkmalgeschützen Altbau, der nach Passivhausstandard saniert worden sei und zudem einen Parkplatz vor dem Haus vorhalte. Auch andere sanierte Altbauten in der Altstadt werden zu einem ähnlichen Preisniveau angeboten, so Schafft.
Er erinnert an den Grundgedanken bei diesem Projekt, nämlich einen Altbau in Innenstadtnähe zu sanieren und wieder nutzbar zu machen. Dieser Grundidee, lieber Altbau sanieren als Neubau außerhalb, ist auch der Gemeinderat bei seiner Entscheidung 2016 gefolgt. Als Alternative standen ein Neubau in der Eichenau und eine Lösung in der Kastanienallee bereit. Letztere wäre günstiger gewesen für die Stadt – aber ohne den Zusatznutzen, dass ein marodes Gebäude saniert geworden wäre.
Schafft macht noch eine andere Rechnung auf: Die Stadt unterstützt Altbauprojekte im Rahmen der Stadtsanierung mit finanziellen Zuschüssen. Lege man einen Zuschuss von 200000 Euro zugrunde, käme dies bei einer Laufzeit von zwölf Jahren auch einem jährlichen Zuschuss von rund 16 000 Euro gleich.