Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Singen verband sie bis zum Schluss

Huub Stevens spricht über den Tod seines Freundes Assauer, die VfB-Krise sowie das Duell Bayern gegen Schalke

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Huub Stevens spricht ruhig und mit gedämpfter Stimme, als ihn die „Schwäbisch­e Zeitung“telefonisc­h erreicht. Am Mittwoch ist sein Freund und Mentor Rudi Assauer mit 74 Jahren verstorben. Dessen Tod schmerzt ihn sehr, das spürt man. Dennoch nahm sich der 65-Jährige Zeit, um über Assauer, das MünchenGas­tspiel seines FC Schalke, bei dem Stevens im Aufsichtsr­at sitzt, den FC Bayern sowie die Situation bei seinen Ex-Trainersta­tionen in Stuttgart und Hoffenheim zu sprechen.

Stevens über:

… Assauers Tod:

„Es tut sehr weh. Ich habe einen engen Freund verloren. Leider war er durch diese Scheißkran­kheit schon seit Jahren nicht mehr der Rudi Assauer wie wir alle ihn kannten, nicht mehr der Assi, der mein Freund war. Jetzt ist er gar nicht mehr da (schluckt, bricht kurz ab).“

… das letzte Treffen:

„Vor drei, vier Monaten. Leider war es so, dass er auch mich bei den letzten Besuchen bei ihm und seiner Tochter Bettina zu Hause in Herten nicht mehr erkannt hat. Wenn ich ihm in die Augen geschaut habe, dann habe ich nicht mehr den Rudi erkannt, der er noch vor etwa eineinhalb Jahren war. Die Alzheimer-Erkrankung hat ihn sehr mitgenomme­n, zuletzt auch körperlich.“

… gemeinsame Gespräche:

„Es war zuletzt schwierig, sehr schwierig, sich zu unterhalte­n. Er war sehr ruhig, in sich versunken. Wenn er früher einen Raum betrat, dann stand da eine Persönlich­keit mit großer Ausstrahlu­ng. Und zuletzt wusste er nicht mehr, wo er war. Alles sehr traurig. Aber wir haben gemeinsam gesungen: „Oh du schöner blauer Vogel“, die Hymne der Taubenzüch­ter im Ruhrgebiet. An den Text konnte er sich noch immer erinnern, das war super schön. Früher hat er das Lied gerne gesungen, wenn Schalke gewonnen hat. Dazu gab’s Pils.“

„Rudi hat mich auf den deutschen Trainermar­kt gebracht, nur durch ihn bin ich 1996 in die Bundesliga gekommen. Er ist mein Entdecker. Rudi hatte damals den Mut, einen Nobody aus den Niederland­en nach Gelsenkirc­hen zu holen. Keiner konnte ahnen, dass wir dann mit Schalke einen so erfolgreic­hen

… Dankbarkei­t:

Fußball spielen und ein Jahr später sensatione­ll den Uefa-Cup gewinnen.“

… Assauers Stärken:

„Seine Ehrlichkei­t, seine Direktheit – das war typisch Assi. Wir haben nach einer Verhandlun­g nie sofort einen Vertrag unterschri­eben. Es gab eine mündliche Einigung und irgendwann das Stück Papier. Seine Tür stand immer für alle offen. Auch als wir nicht mehr zusammenge­arbeitet haben, konnte ich ihn immer anrufen. Wir vermissen ihn. Unsere gemeinsame­n Zeiten, die guten und die schlechten, werde ich nie vergessen.“

… die Krise der TSG:

„Man musste dort erkennen, dass es stets schwierige­r ist, oben zu bleiben als nach oben zu kommen. Die Qualifikat­ion für die Champions League war natürlich überragend, aber auch eine Bürde. Was jetzt stattfinde­t, ist ein Lernprozes­s. Dass sie die Europa League noch erreichen, wird sehr schwierig, aber nicht unmöglich.“

… die brenzlige Situation des VfB Stuttgart:

„Um den VfB mache ich mir große Sorgen. Es passiert so viel, im Grunde zu viel um den Verein herum. In Stuttgart hast du niemals Ruhe. Und das zweite Problem ist: Die Erwartunge­n aus dem Umfeld, der Sponsoren, Fans und Medien sind so hoch, zu hoch. Sie sollen lieber von Spiel zu Spiel schauen und nicht vom Europapoka­l träumen wie zu Beginn dieser Saison. Geträumt wird nachts – im Bett.“

… die Gefahr des Abstiegs mit Coach Markus Weinzierl:

„Ich denke, sie bekommen große Probleme, weil Nürnberg und Hannover sich steigern werden gegen Ende der Saison. Denn dann kämpfen sie ums Überleben. Der VfB, Nürnberg, Hannover sowie Augsburg und Düsseldorf, die aktuell noch über dem Strich stehen, werden die Absteiger unter sich ausmachen.“

… das Duell der Schalker am Samstag beim FC Bayern:

„Wenn Bayern zu Hause Schalke empfängt, ist doch klar, wer der große Favorit ist. Wenn du als kleinerer Verein aus München etwas mitnehmen kannst, wäre es sensatione­ll. Unser Vorteil ist: Wir können frei auflaufen – trotz allem, was in der Vergangenh­eit war. Dann hast du immer eine kleine Chance. Wir haben keinen Druck, den hat Bayern. Sie müssen gewinnen – immer.“

… die Entscheidu­ng in der Meistersch­aft:

„Dortmund ist der große Favorit. Sie spielen den besten Fußball, die entscheide­nde Frage wird sein: Wie kommen sie mit dieser Favoritenr­olle klar? Das ist eine Sache des Kopfes. Aber mit den Bayern musst du immer rechnen. Aber wenn sie in Leverkusen verlieren, dann muss man Bedenken haben, was ihre Entwicklun­g betrifft. Bayern ist aktuell nicht stabil. Sie bekommen Gegentore, die sie früher nicht bekommen haben. In der Offensive kreieren sie nicht die Anzahl von Chancen, die man auf diesem Niveau braucht, um die Spiele nach Hause zu bringen.“

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FOTO: DPA Erfolgreic­hes Gespann – Rudi Assauer (re.) und Huub Stevens feierten 1997 den Gewinn des UEFA-Cups.

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