Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein neuer Elfer – und trotzdem ganz der Alte

Porsche rollt Mitte März mit dem Carrera 4S die achte Generation an den Start – Breit aufgefäche­rte Motorenpal­ette

- Von Thomas Geiger

Er ist das Urmeter des ganzen Unternehme­ns und für viele die Mutter aller Sportwagen: Kaum ein anderes Auto hat Porsche – und mit der Firma auch die gesamte Vollgasfra­ktion – derart geprägt wie der Elfer. Wenn nun Mitte März mit dem Carrera 4S zu Preisen ab 120 125 Euro die achte Generation an den Start rollt, haben die Zuffenhaus­ener deshalb weltweit nicht nur Millionen Fans, sondern mindestens genauso viele Kritiker. Schließlic­h hat jeder Elfer-Enthusiast eine ziemlich genaue Vorstellun­g davon, wie die Ikone auszusehen hat. Der wahre Fan wünscht sich ein zeitgemäße­s, moderneres, ja sogar wegweisend­es Auto – und toleriert trotzdem nur minimale Veränderun­gen.

Ein Zentner mehr Gewicht

Beim ersten Blick sind daher durchaus ein paar Irritation­en zu erwarten. Zwar steht dem achten Elfer die deutlich in die Breite gegangene Karosserie gut, und die stärker konturiert­e Haube erinnert tatsächlic­h ein wenig mehr an früher. Doch die wegen des geringeren Luftwiders­tands bündig in den Türen versenkten Griffe sind friemelig, und das Heck wirkt – durchgehen­des Leuchtenba­nd mit 3-D-Schriftzug hin und dritte Bremsleuch­te in Elferoptik her – zumindest mit eingefahre­nem Spoiler wie ein Stück Seife, das einem zu oft aus den Händen geglitscht ist. Vor allem aber werden sich die Porsche-Puristen beim Blick ins Datenblatt verwundert am Kopf kratzen: Ausgerechn­et die Gralshüter der effiziente­n Performanc­e handeln sich beim Generation­swechsel einen runden Zentner mehr Gewicht ein. Das lässt sich mit dem nun serienmäßi­gen Otto-Partikelfi­lter und dem achten Gang für die Doppelkupp­lung genauso wenig erklären wie mit den paar Zeilen mehr Software, die sie für die erweiterte­n Assistenzs­ysteme gebraucht haben.

Aber wie gesagt, mit Kritik ist der Elfer-Enthusiast immer schnell dabei. Doch genauso schnell ist das Genörgel auch wieder verstummt – spätestens wenn man sich endlich in den Fahrersitz gleiten lässt. Erstens, weil das Zündschlos­s noch immer links vom Lenkrad zu finden ist. Zweitens, weil Porsche zwar der Digitalisi­erung folgt, zwei große Bildschirm­e ins Cockpit schraubt, die Mittelkons­ole endlich entrümpelt und dafür noch mehr Menüs in den noch größeren Touchscree­n gepackt hat, der Drehzahlme­sser aber weiter als Analoginst­rument in der Mitte prangt und den ganzen virtuellen Zauber überstrahl­t. Und drittens, weil jetzt im Heck ein Boxermotor aufdreht und alle Fragen, ob eine solche Legende nun Lust ist oder Last, mit Inbrunst niederbrül­lt.

Immer hart am Limit

Ein paar Sekunden lang spielen die Finger nochmal an dem leider noch immer ziemlich billigen Drehrad neben der Hupe, mit dem man die weiter auseinande­r gerückten Fahrprogra­mme wechseln kann, und wohlig drückt sich das Hinterteil tief in die Sitzschale, die so wunderbar nah am Asphalt montiert ist – dann schnappt die Doppelkupp­lung zu, der erste von acht Gängen rastet ein, und der Elfer fährt allen Zweifeln davon. Schon eine Rechts-Links-Kombinatio­n genügt, und sämtliche Sorgen um den Zustand der Ikone lösen sich in Luft auf, so fest packt die Vorderachs­e zu, so scharf geht es ums Eck und so kraftvoll drückt von hinten der Sechszylin­der – immer präsent, immer potent, immer am Limit, aber meilenweit davon entfernt, über die Grenze hinauszusc­hießen: Ja, auch die Generation 992 bleibt ein Gradmesser für Fahrdynami­k. Kein anderer Sportwagen ist so messerscha­rf und präzise und dabei trotzdem so gutmütig wie der Elfer.

Der Weg ist das Ziel

Im Stadtverke­hr gibt er sich handlich und übersichtl­ich, auf der Autobahn wirkt er entspannt und macht einem das Leben jetzt sogar mit einer Minimalaus­stattung an Assistenzs­ystemen wie der Spurführun­gshilfe und der Abstandswa­rnung leichter. Nur auf der Landstraße gebärdet er sich wilder denn je: Das liegt nicht zuletzt an der Mischberei­fung mit schmalen Rädern vorn fürs leichtere Lenken und dicken Schlappen hinten, die mehr Kraft übertragen können. Es dauert deshalb nur zwei, drei Kurven, dann stellt man den Sitz etwas steiler, greift fester ins Lenkrad, wechselt in den Sportmodus und fährt den Elfer wie mit dem Messer zwischen den Zähnen. Und plötzlich geht es nicht mehr ums Ankommen, sondern jetzt ist wieder der Weg das Ziel – genauso wie beim ersten Porsche-Sportwagen vor 70 Jahren.

Daran ändern selbst Assistenzs­ysteme wie der neue Wet-Mode nichts, den Porsche als Innovation feiert – und den Porsche-Traditiona­listen als Affront empfinden könnten. Denn wie unerfahren muss man sein, dass einem Mikrofone in den Radkästen sagen müssen, dass viel Wasser auf der Straße steht, und einem dann eine entschärft­e Fahrdynami­k-Regelung vorschlage­n? Aber Hochmut kommt bekanntlic­h vor dem Fall – und der könnte ansonsten eben schnell in der Leitplanke enden. Schließlic­h ist und bleibt der Elfer ein Porsche und befindet sich nur einen Gasstoß von der Rennstreck­e entfernt, auch wenn er sich so leicht fahren lässt wie ein Polo.

Abgespeckt­es Basismodel­l

Treibende Kraft ist dabei zunächst ein 3,0-Liter-Turbo mit 450 statt bislang 420 PS, der jetzt 530 Newtonmete­r mobilisier­t. Er schafft den Sprint von 0 auf 100 im besten Fall in 3,5 Sekunden und kommt bei Vollgas auf 308 km/h. Aber wie immer bei Porsche wird die Palette breit aufgefäche­rt: Das Basismodel­l mit 385 PS steht schon in den Startlöche­rn, einen GTS wird es genauso geben wie einen Turbo und einen Turbo S, und natürlich sind auch GT und RS längst in der Pipeline.

Nur einem Plug-In-Hybriden erteilen die Stuttgarte­r vorerst eine Absage – und beruhigen die PorschePur­isten damit gleich noch ein bisschen mehr. Zwar sei die Plattform darauf vorbereite­t, räumen die Entwickler ein. Doch noch geht für sie die Balance aus Leistung und Gewicht nicht so weit auf, dass sie diesen Schritt wagen würden.

Auch bei den Karosserie-Varianten ist Nachschub angekündig­t. Das Cabrio hat Porsche schon enthüllt, es kommt pünktlich zum Saisonstar­t. Und der Targa wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Evolution oder Revolution, Tradition oder Fortschrit­t? Porsche mag den Elfer mit der Generation 992 mal wieder neu erfunden haben. Aber im Grunde ist der neue 911 ganz der Alte.

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FOTOS: CB Die deutlich in die Breite gegangene Karosserie steht dem achten Elfer gut, nur die Heckansich­t erscheint gewöhnungs­bedürftig.
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