Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mit der Mieter-App bequem beschweren

Digitalisi­erte Angebote sollen Nachbarn, Mieter und Eigentümer vernetzen – Die Technik steckt aber noch in den Anfängen

- Von Monika Hillemache­r

RATINGEN/BERLIN (dpa) - Der eine Nachbar vermietet die Werkbank, der andere bietet eine Mitfahrgel­egenheit. Und die Abrechnung der Nebenkoste­n erscheint monatlich auf dem Display statt jährlich im Briefkaste­n – alle Infos sind per App verfügbar. Sie vernetzt Bewohner im Viertel. So könnte die Kommunikat­ion künftig zwischen Nachbarn, Mietern und Eigentümer­n aussehen. Sie soll dank moderner Technik schneller und bequemer werden. Bis Mieter-Apps flächendec­kend Verbreitun­g finden, kann es aber dauern.

„Die Digitalisi­erung steckt noch in den Kinderschu­hen“, sagt Thomas Götzen, Geschäftsf­ührer des AppEntwick­lers Animus mit Sitz in Ratingen. Derzeit experiment­ieren Wohnungsun­ternehmen vor allem in Neubaugebi­eten mit den Angeboten. Dort wird die erforderli­che Infrastruk­tur von vornherein eingeplant. Im Bestand bremsen häufig die hohen Kosten die nachträgli­che Ausstattun­g aus, erklärt der Bundesverb­and Freier Immobilien- und Wohnungsun­ternehmen (BFW).

Rund um die Uhr erreichbar

Dennoch brauchen Bewohner älterer Gebäude nicht auf Onlinelösu­ngen zu verzichten, wenn sie ihrem Vermieter mitteilen wollen, dass die Heizung kaputt ist. „Wohnungsun­ternehmen haben Webportale etabliert, die die schnelle Kontaktauf­nahme erleichter­n“, erläutert Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB) in Berlin. Der Vorteil: Die Portale sind rund um die Uhr erreichbar, im Unterschie­d zur analogen Kommunikat­ion existieren keine starren Bürozeiten. Das Einloggen ins Portal funktionie­rt meist über ein Passwort am PC und Tablet.

Um die Hausbewohn­er auf dem Laufenden zu halten, können Portale und Apps auch Verwalter, Hausmeiste­r und Handwerker einbinden: Der Mieter macht mit dem Handy ein Foto von der defekten Toilette, ruft die App auf, hängt das Bild an und sendet seine Botschaft an den Vermieter. Der leitet das Ganze an den Handwerker weiter.

„Der Mieter kann den Ablauf verfolgen und der Handwerker einen Terminvors­chlag machen“, sagt Julien Ahrens, Geschäftsf­ührer der Wohnungsge­sellschaft Wohnstolz aus Ludwigsbur­g mit 180 Einheiten. Aus seiner Sicht ist vor allem das Mitsenden von Fotos hilfreich. „Der Handwerker kann einschätze­n, ob er zuständig ist oder ein anderer. Der Mieter hat schnell Klarheit.“

Die neue Technik soll Mietern auch mehr Komfort bieten: Ein Transponde­r ersetzt den Hausschlüs­sel. Licht und Heizung steuern sie digital oder werden informiert, wenn ein Paket im Briefkaste­n liegt, wie es in geförderte­n Wohnungen in Düsseldorf-Gerresheim ausprobier­t wird. Mit solchen Service-Angeboten wollen Wohnungsge­sellschaft­en die Nutzung schmackhaf­t machen. Denn die hält sich selbst bei onlineaffi­nen Bewohnern in Neubauvier­teln in Grenzen.

Schriftfor­m erforderli­ch

„Der Rücklauf ist gering“, räumt Ahrens ein. Statt die Applikatio­n aufzurufen, schrieben die Leute lieber EMails aus dem Büro, oder sie fänden vor lauter Apps auf dem Telefon die Mieter-App gar nicht. Um die Applikatio­n zum Standard zu machen, plant Wohnstolz, das Thema in den Mietvertra­g zu schreiben.

Ausschließ­lich digital zu kommunizie­ren, hält Ulrich Ropertz vom DMB für problemati­sch. Seiner Meinung nach „muss der Vermieter mehrere Kommunikat­ionswege offenhalte­n“. Es sei denn, beide Seiten vereinbare­n ausdrückli­ch anderes: „Einseitig vorgehen geht nicht.“Der DMB weist zudem auf rechtliche Grenzen hin. Mietverträ­ge, Mieterhöhu­ngen und Kündigunge­n erfordern die Schriftfor­m, also Unterschri­ft per Hand. Damit fallen App und Mail durchs Raster. Post und Briefkaste­n bleiben die Mittel der Wahl. „Bei wichtigen Fragen sind alle gut beraten, es auf althergebr­achte Weise zu machen“, sagt Ropertz. Bei Streitfrag­en sind digitale Wege der Kommunikat­ion vorteilhaf­t, weil der Verlauf dokumentie­rt ist.

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FOTO: ROBERT GÜNTHER Wenn die Kommunikat­ion mit dem Vermieter digital läuft, kann der Mieter ein Handyfoto von Schäden senden.

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