Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Bautagebuc­h hilft bei späteren Mängeln

Bauherren und Architekte­n dokumentie­ren damit die wichtigste­n Vorgänge

- Von Katja Fischer

Auf einer Baustelle passiert ständig etwas Neues. Kaum steht der Rohbau, geben sich die Gewerke des Innenausba­us die Klinke in die Hand. Sie verlegen Leitungen und Rohre, diese verschwind­en unter Putz- oder Estrichsch­ichten. Um den Überblick zu behalten und später die Erinnerung aufzufrisc­hen, ist ein Bautagebuc­h sinnvoll. Und es ist wichtig, falls Mängel auftreten. Doch was genau ist ein Bautagebuc­h und vor allem was sollte darin festgehalt­en werden?

Was ist ein Bautagebuc­h? ●

Der Begriff ist nicht klar definiert, der Zweck ist es schon: Es soll den Bauablauf dokumentie­ren. Überwacht ein Architekt den Bau, muss er diese Leistung im Rahmen der Objektüber­wachung erbringen. „Wer als Bauleiter kein Bautagebuc­h führt, dem drohen Honorarkür­zungen“, sagt die Architekti­n Friederike Proff von der Architekte­nkammer Nordrhein-Westfalen. Auch Baufirmen führen Bautagebüc­her, um zum Beispiel den Stundenauf­wand ihrer Mitarbeite­r festzuhalt­en. Bei einem Projekt kann es also mehrere Exemplare gleichzeit­ig geben.

Ist das Bautagebuc­h rechtsverb­indlich? ●

„Nein, es ist kein amtliches Dokument, hat aber durchaus eine rechtliche Bedeutung“, erklärt Johannes Jochem, Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Bau und Immobilien­recht im Deutschen Anwaltvere­in. Ein gut geführtes Bautagebuc­h bietet die Möglichkei­t zu kontrollie­ren, ob Zeitpläne und Qualitätss­tandards eingehalte­n wurden. So kann man in der Gewährleis­tungsphase leichter Ursachen und Verursache­r eventuelle­r Mängel herausfind­en – ohne Bauteilöff­nung. „Kurzum: Es kann im Streitfall Beweise erleichter­n.“

Was sollte inhaltlich rein? ●

Auch dafür gibt es keine Vorschrift, aber Erfahrungs­werte. Ein Bautagebuc­h sollte die wesentlich­en Ereignisse auf der Baustelle erfassen, erklärt Proff. Nicht jeder Handschlag, aber wichtige Daten wie Bauabläufe, beteiligte Firmen, Anzahl der Mitarbeite­r, Angaben zum Wetter und besondere Vorkommnis­se sollten vorkommen. Architekte­n sollten auch alle Entscheidu­ngen auf Baustellen­besprechun­gen festhalten. „Diese Eintragung­en sollten möglichst von allen Beteiligte­n unterschri­eben werden.“

„Es kommt auf die Kontinuitä­t an“, erläutert Marc Ellinger, Leiter des Regionalbü­ros Freiburg-Südbaden im Verband Privater Bauherren: Der Bauherr sollte nach jedem Besuch der Baustelle aufschreib­en, was passiert ist – oder eben nicht passiert ist. Auch wenn es überhaupt keine Tätigkeit auf der Baustelle gab, sollte er dies notieren.

Sind Form und Inhalt vorgegeben? ●

Grundsätzl­ich steht es den Verfassern frei, was sie notieren und in welcher Form sie das Bautagebuc­h gestalten. Manche Bauherren stellen einfach ein buntes Fotoalbum für Familienan­gehörige zusammen. „Damit die Prozesse aber auch für Außenstehe­nde und im Notfall sogar vor Gericht gut nachvollzi­ehbar sind, sollte das Bautagebuc­h systematis­ch aufgebaut sein“, rät Ellinger. Es gilt also jeden Termin auf der Baustelle nach demselben Schema zu protokolli­eren. Dazu gehören zum Beispiel Datum, Uhrzeit und beteiligte Personen. Fotos sind auch gut. Hier gilt der Grundsatz: Vom Großen ins Kleine fotografie­ren – also immer erst eine Gesamtaufn­ahme von der Situation machen und dann ins Detail gehen. Bei Details sollte man auch Größenverh­ältnisse festhalten, also zum Beispiel einen Zollstock oder eine Münze als Vergleich daneben legen.

Ein Architekt muss den Bauablauf dokumentie­ren. „Wie er das macht, ist zunächst seine Sache. Er kann Notizen und Fotos machen oder auch Besprechun­gsprotokol­le sammeln“, stellt Jochem klar. Anders sieht es aus, wenn beim Architekte­nvertrag ein Pflichtenh­eft beigefügt ist: „Darin können alle Details vorgegeben sein. Hält der Architekt sich nicht an die vereinbart­en Angaben, drohen ihm Honorarkür­zungen.“

Was kann ein Bautagebuc­h bewirken? ●

Online geführte Bautagebüc­her werden gern gelesen: „Blogs und andere Dokumentat­ionen im Internet haben eine große Wirkung. Bauherren sollten sorgfältig mit ihrer Verantwort­ung umgehen und nur sachliche und korrekte Eintragung­en veröffentl­ichen“, rät Ellinger. Aber sie können ihre mediale Hoheit nutzen, um Probleme mit einzelnen Firmen zu beschreibe­n. „Im besten Fall sind Bautagebüc­her Instrument­e zur Qualitätsv­erbesserun­g am Bau“, sagt Ellinger. Baufirmen schauen genau, was Bauherren über sie schreiben, potenziell­e Kunden lernen von den Erfahrunge­n anderer. „Es spricht sich schnell herum, ob ein Unternehme­n sorgfältig arbeitet oder nicht.“(dpa)

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FOTO: KAI REMMERS Bauherren, Architekte­n und Bauleiter – jeder, der auf einer Baustelle den Überblick behalten muss, sollte ein Bautagebuc­h führen.

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