Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zack, schon sind die Zöpfe ab
Die beiden Schülerinnen Jenni Witte und Alina Haag spenden ihre Haare für Krebskranke
MENGEN - Ein letztes Mal lassen Alina Haag und Jenni Witte die Finger durch ihre langen Haare gleiten. Die beiden 17-jährigen Schülerinnen betrachten sich nacheinander im Spiegel des Friseursalons und zeigen auf eine Stelle etwas unterhalb des Kinns. „Bis hier können sie ab“, sagt Jenni Witte und sieht nicht, dass ihre Mutter hinter ihrem Rücken die Hände vors Gesicht schlägt. Die Mengener Friseurin Bianca Gebhard flicht die Haare der Jugendlichen zu einem dicken Zopf und setzt die Schere an. Sekunden später hält sie den Zopf in der Hand.
Vor etwa eineinhalb Jahren sind die beiden Freundinnen im Internet auf die Möglichkeit gestoßen, Haare zu spenden. „Aus den Haaren werden Perücken für krebskranke Frauen und Kinder gemacht“, sagt Alina Haag, die in Scheer-Heudorf wohnt. „Wir fanden die Idee total schön und haben gleich gesagt: Das machen wir auch.“Weil aber Perücken nur aus Haaren gemacht werden können, die mindestens 25 Zentimeter lang sind, beschlossen die beiden, sie noch etwas wachsen zu lassen. Wie eine Krebserkrankung das Leben eines Menschen und seiner Familie verändern kann, haben die beiden in ihrem eigenen Umfeld erlebt. „Die kleine Schwester von einem Mädchen aus unserer alten Klasse hat Leukämie“, sagt Jenni Witte. Die Familie wohnt in ihrer Nachbarschaft in Herbertingen.
Aktion macht die Mutter stolz
Mutter Elke Witte ist beim Friseurtermin aufgeregter als ihre Tochter. „Die schönen Haare, ich würde das nie machen“, sagt sie und kann kaum zusehen. Sie fügt aber gleich hinzu, wie stolz sie darauf ist, dass ihre Tochter sich trotzdem dazu entschieden hat. „Ich finde es toll, dass sie ihre Haare hergibt, um einer anderen Frau, der es schlecht geht, zu helfen“, sagt sie. Deshalb hat sie auch den Termin bei „Biancas Haarwelt“in Mengen vereinbart.
Die Friseurmeisterin Bianca Gebhard hat gleich angeboten, den beiden Schülerinnen den neuen Haarschnitt kostenlos zu verpassen. „Ich bin zwar nicht offiziell als Partner für diese Haarspendenaktion registriert, unterstütze sie aber gerne“, sagt sie. Schließlich habe sie schon oft Kundinnen gehabt, die ihre Haare verloren hätten. „Da war zum Beispiel eine 18-Jährige mit Brustkrebs, die sich ihre langen Haare hat abrasieren lassen, damit wir eine Perücke daraus machen können, bevor sie nach und nach ausfallen“, sagt sie. „Solche Schicksale lassen einen nicht so schnell wieder los.“Für viele Frauen seien die Haare ein wichtiger Bestandteil ihrer Weiblichkeit und ihres Selbstwertgefühls. „Da kann eine gute Perücke viel ausmachen.“
Echthaarperücken könnten aber schnell mehr als 1000 Euro kosten. „Die Krankenkassen geben aber bloß einen Zuschuss von 210 Euro“, so Gebhard. Seien Frauen finanziell nicht gut aufgestellt, könnten sie sich das nicht leisten. „Durch die Spendenaktion müssen sie wenigstens nicht für die Haare zahlen, sondern nur für das Erstellen der Perücke.“
Die beiden 17-Jährigen haben der Friseurin auf ihren Smartphones Bilder ihrer Wunschfrisur gezeigt. Nach Waschen, Nachschneiden und Fönen blicken sie ihr Spiegelbild zufrieden an und lassen die Haare mit einer Kopfbewegung fliegen. „Das ist schon total ungewohnt“, sagt Alina Haag. „Aber es ist so geworden, wie wir uns das vorgestellt hatten“, fügt Jenni Witte hinzu. Auf der FacebookSeite von Bianca Gebhard haben die beiden für ihre Aktion schon viel Beifall bekommen. „Vielleicht trauen sich ja auch andere“, sagen sie.