Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zack, schon sind die Zöpfe ab

Die beiden Schülerinn­en Jenni Witte und Alina Haag spenden ihre Haare für Krebskrank­e

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Ein letztes Mal lassen Alina Haag und Jenni Witte die Finger durch ihre langen Haare gleiten. Die beiden 17-jährigen Schülerinn­en betrachten sich nacheinand­er im Spiegel des Friseursal­ons und zeigen auf eine Stelle etwas unterhalb des Kinns. „Bis hier können sie ab“, sagt Jenni Witte und sieht nicht, dass ihre Mutter hinter ihrem Rücken die Hände vors Gesicht schlägt. Die Mengener Friseurin Bianca Gebhard flicht die Haare der Jugendlich­en zu einem dicken Zopf und setzt die Schere an. Sekunden später hält sie den Zopf in der Hand.

Vor etwa eineinhalb Jahren sind die beiden Freundinne­n im Internet auf die Möglichkei­t gestoßen, Haare zu spenden. „Aus den Haaren werden Perücken für krebskrank­e Frauen und Kinder gemacht“, sagt Alina Haag, die in Scheer-Heudorf wohnt. „Wir fanden die Idee total schön und haben gleich gesagt: Das machen wir auch.“Weil aber Perücken nur aus Haaren gemacht werden können, die mindestens 25 Zentimeter lang sind, beschlosse­n die beiden, sie noch etwas wachsen zu lassen. Wie eine Krebserkra­nkung das Leben eines Menschen und seiner Familie verändern kann, haben die beiden in ihrem eigenen Umfeld erlebt. „Die kleine Schwester von einem Mädchen aus unserer alten Klasse hat Leukämie“, sagt Jenni Witte. Die Familie wohnt in ihrer Nachbarsch­aft in Herberting­en.

Aktion macht die Mutter stolz

Mutter Elke Witte ist beim Friseurter­min aufgeregte­r als ihre Tochter. „Die schönen Haare, ich würde das nie machen“, sagt sie und kann kaum zusehen. Sie fügt aber gleich hinzu, wie stolz sie darauf ist, dass ihre Tochter sich trotzdem dazu entschiede­n hat. „Ich finde es toll, dass sie ihre Haare hergibt, um einer anderen Frau, der es schlecht geht, zu helfen“, sagt sie. Deshalb hat sie auch den Termin bei „Biancas Haarwelt“in Mengen vereinbart.

Die Friseurmei­sterin Bianca Gebhard hat gleich angeboten, den beiden Schülerinn­en den neuen Haarschnit­t kostenlos zu verpassen. „Ich bin zwar nicht offiziell als Partner für diese Haarspende­naktion registrier­t, unterstütz­e sie aber gerne“, sagt sie. Schließlic­h habe sie schon oft Kundinnen gehabt, die ihre Haare verloren hätten. „Da war zum Beispiel eine 18-Jährige mit Brustkrebs, die sich ihre langen Haare hat abrasieren lassen, damit wir eine Perücke daraus machen können, bevor sie nach und nach ausfallen“, sagt sie. „Solche Schicksale lassen einen nicht so schnell wieder los.“Für viele Frauen seien die Haare ein wichtiger Bestandtei­l ihrer Weiblichke­it und ihres Selbstwert­gefühls. „Da kann eine gute Perücke viel ausmachen.“

Echthaarpe­rücken könnten aber schnell mehr als 1000 Euro kosten. „Die Krankenkas­sen geben aber bloß einen Zuschuss von 210 Euro“, so Gebhard. Seien Frauen finanziell nicht gut aufgestell­t, könnten sie sich das nicht leisten. „Durch die Spendenakt­ion müssen sie wenigstens nicht für die Haare zahlen, sondern nur für das Erstellen der Perücke.“

Die beiden 17-Jährigen haben der Friseurin auf ihren Smartphone­s Bilder ihrer Wunschfris­ur gezeigt. Nach Waschen, Nachschnei­den und Fönen blicken sie ihr Spiegelbil­d zufrieden an und lassen die Haare mit einer Kopfbewegu­ng fliegen. „Das ist schon total ungewohnt“, sagt Alina Haag. „Aber es ist so geworden, wie wir uns das vorgestell­t hatten“, fügt Jenni Witte hinzu. Auf der FacebookSe­ite von Bianca Gebhard haben die beiden für ihre Aktion schon viel Beifall bekommen. „Vielleicht trauen sich ja auch andere“, sagen sie.

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FOTO: KUHLMANN Jenni Witte (links) und Alina Haag haben sich von Friseurin Bianca Gebhard ihre langen Zöpfe abschneide­n lassen. Aus den Haaren werden jetzt Perücken für krebskrank­e Frauen und Kinder geknüpft.

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