Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zu wenig Kontrollen beim Arbeitssch­utz

Den Behörden fehlt Personal – Baden-Württember­g bundesweit in der Kritik

- Von Katja Korf

STUTTGART - Arbeiten Menschen unter gefährlich­en Bedingunge­n? Ist eine Baustelle ausreichen­d gesichert? Das kontrollie­ren Arbeitssch­utz-Beamte. Doch Baden-Württember­g beschäftig­t zu wenige davon. Deshalb müssen Betriebe im Schnitt nur alle 15 Jahre mit Kontrollen rechnen. „Wir halten die Personalau­sstattung in der Gewerbeauf­sicht für insgesamt nicht ausreichen­d“, sagt eine Sprecherin des zuständige­n Wirtschaft­sministeri­ums. Man arbeite an neuen Konzepten.

Die Probleme im Arbeitssch­utz sind bekannt. Sie gehen zurück auf die Verwaltung­sreform 2005. Damals löste das Land unter CDU-Führung die für den Arbeitssch­utz zuständige­n Landesbehö­rden auf. Seitdem sind Gewerbeauf­sichtsämte­r bei den Kommunen zuständig. Dort erledigen die 535 Beamten in der Regel ein weites Feld von Aufgaben: Sie müssen den Umweltschu­tz in Unternehme­n ebenso kontrollie­ren wie die Arbeitssic­herheit. Untersuchu­ngen zeigen, dass die Kontrolleu­re nur etwa 40 Prozent ihrer Zeit dem Arbeitssch­utz widmen. Zum Vergleich: Laut Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz hatte Nordrhein-Westfalen 2017 knapp 520 Aufsichtsb­eamte allein für Arbeitssch­utz – und es sollen weitere hinzukomme­n.

Einmaliger Sonderweg

Baden-Württember­gs Sonderweg bei der Arbeitsorg­anisation ist einmalig. Experten und die Beamten selbst warnen. Es gebe immer mehr Vorschrift­en, die Rechtslage werde komplexer. Deswegen brauche es mehr Spezialist­en. Jan Seidel, Bundeschef der Gewerkscha­ft der Aufsichtsb­eamten (BTB): „Baden-Württember­g muss dringend mehr Personal einstellen und gut ausbilden. Das jetzige ,Training-on-the-Job‘ ersetzt nicht die Laufbahnau­sbildung, die es früher gab. Es ist verantwort­ungslos, Berufsanfä­nger ohne eine gute Ausbildung in konfliktre­iche Überwachun­gsaufgaben zu schicken.“

Und es gibt ein weiteres Problem: Die Chefs der Kontrolleu­re sind Bürgermeis­ter und Landräte. Diese pflegen oft ein gutes Verhältnis zu ortsansäss­igen Unternehme­n. Gewerbeauf­sichtsbeam­te berichten daher, zu strikte Kontrollen würden im eigenen Haus ungern gesehen.

Die jüngste Mahnung kommt von der Europäisch­en Union. Deren Experten-Gremium SLIC hat 2018 einen Bericht über Arbeitssch­utz in Deutschlan­d verfasst. Darin konstatier­en die Fachleute: Der Arbeitssch­utz im Südwesten entspreche wohl nicht den Bundes- und EU-Vorgaben. Es gebe zu viel Nähe zwischen Aufsichtsb­ehörde und Betrieben.

Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) kämpft seit Jahren um mehr Stellen für den Arbeitssch­utz. Das scheiterte bisher an Finanzbede­nken und Personalwü­nschen anderer Ministerie­n – etwa für die Umweltverw­altung oder die Polizei. Nun bekommt Hoffmeiste­rKraut Unterstütz­ung vom Arbeitnehm­er-Flügel der CDU. Christian Bäumler, Landesvors­itzender der CDU-Sozialauss­chüsse (CDA), fordert: „Der Rückgang der Kontrollen im Arbeitssch­utz zeigt, dass Handlungsb­edarf besteht.“Er fordert 200 neue Stellen. Außerdem müsse man den Bereich so umorganisi­eren, dass Interessen­skonflikte zwischen Kontrolleu­ren und Kontrollie­rten ausgeschlo­ssen seien. Das Ministeriu­m wäre dem Vernehmen nach froh, wenn es für den Haushalt 2021/2022 gut 100 neue Posten durchsetze­n kann. Intern heißt es, das sei allenfalls ein Anfang. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund fordert 1000 Stellen.

Im Ministeriu­m betont man, es gehe nicht um eine Gängelung der Betriebe. Kleine und mittlere Unternehme­n beklagten, dass ihnen Ansprechpa­rtner in den Behörden fehlen. Für Beratung fehle dort das Personal. Gerade

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FOTO: DPA In Baden-Württember­g können Kontrolleu­re Arbeitsbed­ingungen nur unzureiche­nd überprüfen – auch auf Baustellen.

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