Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der „böse“Wolf ist wieder da
Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt den Mythos des Tieres in der Kunst und erklärt sein schlechtes Image
KÖLN (epd - Er ist wieder da: Nachdem er in Deutschland 150 Jahre als ausgerottet galt, treibt der „böse“Wolf wieder sein Unwesen. In Brandenburg, im Schwarzwald oder in Holstein durchbricht er vermeintlich wolfssichere Zäune und reißt dutzendweise Schafe. Damit sorgt das geschützte Wildtier für Kontroversen zwischen Umweltschützern einerseits sowie Landwirten und Schäfern, die seinen Abschuss fordern. Das zwiespältige Verhältnis zwischen Mensch und Wolf hat indes Tradition. Das belegt eine Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum.
30 Grafiken
Unter dem Titel „Der Wolf – Zwischen Mythos und Märchen“sind bis zum 28. April mehr als 30 Grafiken aus dem 16. bis 20. Jahrhundert zu sehen, darunter Werke von Lovis Corinth, Max Klinger oder Giovanni Battista de Cavalieri. Die Arbeiten spiegeln die jahrhundertealte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Wolf, die Spuren in Mythen und Märchen vieler Völker hinterlassen hat. Dabei zeigt sich, dass das Image des Wolfs nicht immer schon so schlecht war. In der Antike sprachen die Menschen dem Wildtier sogar positive Eigenschaften zu.
Das manifestiert sich am Mythos von Romulus und Remus, den Jost Amman und Giovanni Battista de Cavalieri beide 1578 druckgrafisch darstellten. Hier rettet eine säugende Wölfin die beiden als Baby ausgesetzten Zwillinge, die der Sage nach später die Stadt Rom gegründet haben sollen.
Biblische Darstellungen
Auch in biblischen Darstellungen ist der Wolf längst nicht immer Abbild des Bösen. In der „Landschaft mit dem Einzug der Tiere in die Arche Noah“(1650/55) von Giovanni Benedetto Castiglione ist der Wolf einfach nur eines von vielen Tieren. Christliche Einsiedler zogen das Leben unter Wölfen und anderen wilden Tieren sogar dem zivilisierten Leben vor, wie die Darstellungen Johann Sadeler I. zeigen.
Sadeler I. fertigte Kupferstiche von Paulus von Theben (1585/86) und Blasius von Sebaste (1594) an. „Er war nicht sicher unter den Menschen, sicher aber unter den wilden Tieren“, heißt es unter dem Bildnis des Blasius.
Andererseits wird jedoch in der Bibel Benjamin, der jüngste Sohn Jakobs, mit einem reißenden Wolf verglichen. Martin Tyroffs Kupferstich „Benjamins reissender Wolf“(1731) zeigt das Tier, das über tote Krieger, Kleinkinder und Schafe schreitet. Das Verhältnis der Menschen zum Wolf war also über Jahrhunderte zwiespältig.
Den Ursprung des negativen Images sieht Ausstellungskurator Thomas Ketelsen in der von Ovid geschilderten Verwandlung des Königs Lykaon in einen Wolf. Der Kupferstich von Hendrick Goltzius von 1589 zeigt die Szene, in der Lykaon als Strafe zum Wolf wird, nachdem er Jupiter als Gastmahl Menschenfleisch vorgesetzt hatte.
In Märchen und Fabeln
Endgültig zementiert wird das schlechte Bild vom Wolf dann in Märchen und Fabeln. Dort gilt er als hinterhältig und böse. Ein Paradebeispiel ist das Grimm-Märchen „Rotkäppchen“, das Franz Dinger 1871 als Kupferstich darstellte. Er zeigt die Begegnung zwischen Rotkäppchen und dem Wolf als idyllische Szene am Waldrand.
Ist der Wolf in den Grimm'schen Märchen furchterregend und blutrünstig, so erscheint er in Fabeln eher dumm. Häufig zieht er neben dem schlauen Fuchs meist den Kürzeren.
Lovis Corinth illustrierte in einer Ausgabe von Johann Wolfgang von Goethes „Reineke Fuchs“unter anderem die Begegnung mit der Wölfin Gieremund. Der Fuchs rät der Wölfin, ihren Schwanz ins Wasser zu halten, weil dann viele Fische anbeißen würden. Dabei friert der Schwanz jedoch fest. Corinths Farblithografie von 1921 zeigt den Moment, in dem der Fuchs die hilflose Wölfin übermannt.
Sein schlechtes Image wurde dem Wolf hierzulande zum Verhängnis. Über lange Zeit durfte er in den Wäldern des Landes rücksichtslos gejagt werden. Willem van der Leeuws Kupferstich von 1623 zeigt eine vielköpfige Jagdgesellschaft, die Wölfe tötet. Dabei erinnert die Pose eines Jägers, der mit einer Lanze auf einen Wolf einsticht, an Darstellungen des heiligen Georg. Wölfe wurden systematisch gejagt, wie zu sehen ist: etwa mit Wolfsgruben oder in einem „Wolfsgarten“, einem umzäunten Terrain.
Unter Naturschutz
Kein Wunder also, dass Wölfe in Deutschland irgendwann ausgerottet waren. Heute stehen sie unter Naturschutz. Doch ganz sicher fühlen können sie sich nach wie vor nicht. Erst diese Woche gab das schleswigholsteinische Umweltministerium ein Exemplar zum Abschuss frei. Der „Problemwolf“hatte es bei seinen Raubzügen zu blutig getrieben.
Die Ausstellung „Der Wolf – Zwischen Mythos und Märchen“ist dienstags bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Sie läuft noch bis zum 28. April. Weitere Informationen: