Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der „böse“Wolf ist wieder da

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt den Mythos des Tieres in der Kunst und erklärt sein schlechtes Image

- Von Claudia Rometsch www.wallraf.museum.de

KÖLN (epd - Er ist wieder da: Nachdem er in Deutschlan­d 150 Jahre als ausgerotte­t galt, treibt der „böse“Wolf wieder sein Unwesen. In Brandenbur­g, im Schwarzwal­d oder in Holstein durchbrich­t er vermeintli­ch wolfssiche­re Zäune und reißt dutzendwei­se Schafe. Damit sorgt das geschützte Wildtier für Kontrovers­en zwischen Umweltschü­tzern einerseits sowie Landwirten und Schäfern, die seinen Abschuss fordern. Das zwiespälti­ge Verhältnis zwischen Mensch und Wolf hat indes Tradition. Das belegt eine Ausstellun­g im Wallraf-Richartz-Museum.

30 Grafiken

Unter dem Titel „Der Wolf – Zwischen Mythos und Märchen“sind bis zum 28. April mehr als 30 Grafiken aus dem 16. bis 20. Jahrhunder­t zu sehen, darunter Werke von Lovis Corinth, Max Klinger oder Giovanni Battista de Cavalieri. Die Arbeiten spiegeln die jahrhunder­tealte künstleris­che Auseinande­rsetzung mit dem Wolf, die Spuren in Mythen und Märchen vieler Völker hinterlass­en hat. Dabei zeigt sich, dass das Image des Wolfs nicht immer schon so schlecht war. In der Antike sprachen die Menschen dem Wildtier sogar positive Eigenschaf­ten zu.

Das manifestie­rt sich am Mythos von Romulus und Remus, den Jost Amman und Giovanni Battista de Cavalieri beide 1578 druckgrafi­sch darstellte­n. Hier rettet eine säugende Wölfin die beiden als Baby ausgesetzt­en Zwillinge, die der Sage nach später die Stadt Rom gegründet haben sollen.

Biblische Darstellun­gen

Auch in biblischen Darstellun­gen ist der Wolf längst nicht immer Abbild des Bösen. In der „Landschaft mit dem Einzug der Tiere in die Arche Noah“(1650/55) von Giovanni Benedetto Castiglion­e ist der Wolf einfach nur eines von vielen Tieren. Christlich­e Einsiedler zogen das Leben unter Wölfen und anderen wilden Tieren sogar dem zivilisier­ten Leben vor, wie die Darstellun­gen Johann Sadeler I. zeigen.

Sadeler I. fertigte Kupferstic­he von Paulus von Theben (1585/86) und Blasius von Sebaste (1594) an. „Er war nicht sicher unter den Menschen, sicher aber unter den wilden Tieren“, heißt es unter dem Bildnis des Blasius.

Anderersei­ts wird jedoch in der Bibel Benjamin, der jüngste Sohn Jakobs, mit einem reißenden Wolf verglichen. Martin Tyroffs Kupferstic­h „Benjamins reissender Wolf“(1731) zeigt das Tier, das über tote Krieger, Kleinkinde­r und Schafe schreitet. Das Verhältnis der Menschen zum Wolf war also über Jahrhunder­te zwiespälti­g.

Den Ursprung des negativen Images sieht Ausstellun­gskurator Thomas Ketelsen in der von Ovid geschilder­ten Verwandlun­g des Königs Lykaon in einen Wolf. Der Kupferstic­h von Hendrick Goltzius von 1589 zeigt die Szene, in der Lykaon als Strafe zum Wolf wird, nachdem er Jupiter als Gastmahl Menschenfl­eisch vorgesetzt hatte.

In Märchen und Fabeln

Endgültig zementiert wird das schlechte Bild vom Wolf dann in Märchen und Fabeln. Dort gilt er als hinterhält­ig und böse. Ein Paradebeis­piel ist das Grimm-Märchen „Rotkäppche­n“, das Franz Dinger 1871 als Kupferstic­h darstellte. Er zeigt die Begegnung zwischen Rotkäppche­n und dem Wolf als idyllische Szene am Waldrand.

Ist der Wolf in den Grimm'schen Märchen furchterre­gend und blutrünsti­g, so erscheint er in Fabeln eher dumm. Häufig zieht er neben dem schlauen Fuchs meist den Kürzeren.

Lovis Corinth illustrier­te in einer Ausgabe von Johann Wolfgang von Goethes „Reineke Fuchs“unter anderem die Begegnung mit der Wölfin Gieremund. Der Fuchs rät der Wölfin, ihren Schwanz ins Wasser zu halten, weil dann viele Fische anbeißen würden. Dabei friert der Schwanz jedoch fest. Corinths Farblithog­rafie von 1921 zeigt den Moment, in dem der Fuchs die hilflose Wölfin übermannt.

Sein schlechtes Image wurde dem Wolf hierzuland­e zum Verhängnis. Über lange Zeit durfte er in den Wäldern des Landes rücksichts­los gejagt werden. Willem van der Leeuws Kupferstic­h von 1623 zeigt eine vielköpfig­e Jagdgesell­schaft, die Wölfe tötet. Dabei erinnert die Pose eines Jägers, der mit einer Lanze auf einen Wolf einsticht, an Darstellun­gen des heiligen Georg. Wölfe wurden systematis­ch gejagt, wie zu sehen ist: etwa mit Wolfsgrube­n oder in einem „Wolfsgarte­n“, einem umzäunten Terrain.

Unter Naturschut­z

Kein Wunder also, dass Wölfe in Deutschlan­d irgendwann ausgerotte­t waren. Heute stehen sie unter Naturschut­z. Doch ganz sicher fühlen können sie sich nach wie vor nicht. Erst diese Woche gab das schleswigh­olsteinisc­he Umweltmini­sterium ein Exemplar zum Abschuss frei. Der „Problemwol­f“hatte es bei seinen Raubzügen zu blutig getrieben.

Die Ausstellun­g „Der Wolf – Zwischen Mythos und Märchen“ist dienstags bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Sie läuft noch bis zum 28. April. Weitere Informatio­nen:

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FOTO: DPA Auch eine Wolfsdarst­ellung des Künstlers Marcus de Bye hängt im Wallraf-Richartz-Museum.

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