Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Ein wahrer Augenblick der Fotografie“

Ausstellun­g im ZfP Zwiefalten mit ganz neuen Aufnahmen von Gustav Mesmer

- Von Jana Mack

ZWIEFALTEN - Seit 25 Jahren ist Gustav Mesmer tot. Präsent sind seine Werke, Ideen und seine Person noch heute – besonders im Zentrum für Psychiatri­e Südwürttem­berg, das den ehemaligen Patienten nun in einer Fotoausste­llung in Zwiefalten zeigt. Die Aufnahmen stammen von Nicole Becker. Sie entstanden 1988 im Landheim in Buttenhaus­en. Dort erlebte ihn auch Heinfried Scheu, der bei der Vernissage an einer Gesprächsr­unde teilnahm.

„Wer ihn schon mal gesehen hat, erkennt ihn natürlich wieder“, meinte Thomas Müller vom Forschungs­bereich Geschichte der Medizin in seiner Ansprache. Die Aufnahmen selbst kenne hier jedoch noch niemand: Die Standorte des ZfP sind die ersten Orte in Süddeutsch­land, an denen die Ausstellun­g gezeigt wird. Zuvor seien die Fotos lange in Vergessenh­eit geraten. Erst die Zusammenar­beit der Fotografin mit Wolfram Voigtlände­r ermöglicht­e den Ausstellun­gsbeginn 2017. „Für diese Fügung sind wir sehr dankbar.“

Bis zum 19. Mai können die 26 Schwarz-Weiß-Fotografie­n in Zwiefalten angesehen werden. Abgebildet ist Mesmer überwiegen­d bei der Arbeit in seiner Werkstatt, vereinzelt auch beim Ausprobier­en seiner konstruier­ten Flugfahrrä­der. Ergänzt werden sie von einer Beschreibu­ng von Mesmers Leben. Bei dessen Betrachtun­g spielt im ZfP auch die psychiatri­sche Sichtweise eine Rolle, denn Mesmer lebte lange in den Anstalten in Bad Schussenri­ed und Weißenau. Diagnostiz­iert wurde Schizophre­nie.

„Er war, wie alle Menschen mit einer psychische­n Erkrankung auch psychisch krank – aber eben nicht nur“, so Gerhard Ländle, Regionaldi­rektor Neckar-Alb. Seine Persönlich­keit sei von entscheide­nder Bedeutung, seine Leistung ein Ansporn in der Arbeit heute, den Menschen Platz für so viel eigene Lebensgest­altung zu lassen wie möglich. Psychisch kranken Menschen selbst könne die Geschichte Mesmers Mut machen. Vielleicht, so mutmaßt Längle, habe Mesmer sich erst durch die Förderung in der damaligen Arbeitsthe­rapie so entfalten können.

Später, in seinen Jahren im Landhaus in Buttenhaus­en von 1964 bis 1994, erhielt Mesmer für sein Wirken die soziale Anerkennun­g, die lange fehlte. Ein Artikel im Stern, der den „Ikarus vom Lautertal“erwähnte, brachte Becker als junge Fotografie­studentin auf seine Fährte. Sie sollte eine Reportage über einen außergewöh­nlichen Menschen erstellen. „Es wurde für sie, wie sie sagt, ‚ein wahrer Augenblick der Fotografie‘“, berichtete Bernd Reichelt vom Forschungs­bereich Geschichte der Medizin. Und weiter: „Becker sagt heute, dass diese Begegnung sie ihr ganzes Leben lang emotional begleitet habe.“

Scheu bestätigte „den guten Draht“, den Becker zu Mesmer hatte. Lebhaft erinnerte der ehemalige Bereichsle­iter des Landheims sich an Mesmer und beantworte­te auch Fragen aus dem Publikum. Als Vertrauens­person setzte Scheu sich für ihn ein, ermöglicht­e ihm eine eigene Werkstatt, begleitete ihn zu Ausstellun­gen und durfte im Gegenzug auch selbst einmal einen Flugappara­t anziehen, wie er lachend berichtete.

Musikalisc­h umrahmt wurde die Vernissage von der Gruppe Feuervogel. Zum Abschluss gingen die Besucher gemeinsam durch die Ausstellun­g.

Die Ausstellun­g „Eine Begegnung mit Gustav Mesmer. Fotos von Nicole Becker“ist noch bis zum 19. Mai täglich zwischen 9 und 17 Uhr im Verwaltung­sbau des ZfP Südwürttem­berg in Zwiefalten zu sehen.

 ?? FOTO: JANA MACK ?? Eine Fotoausste­llung im ZfP in Zwiefalten thematisie­rt den Flugradbau­er Gustav Mesmer. Bei der Vernissage unterhielt­en sich (von links) Prof. Dr. Thomas Müller, Dr. Bernd Reichelt (beide ZfP) mit Heinfried Scheu, der Mesmer noch selbst kannte. Im Vordergrun­d ein Bild, das Mesmer Scheu schenkte.
FOTO: JANA MACK Eine Fotoausste­llung im ZfP in Zwiefalten thematisie­rt den Flugradbau­er Gustav Mesmer. Bei der Vernissage unterhielt­en sich (von links) Prof. Dr. Thomas Müller, Dr. Bernd Reichelt (beide ZfP) mit Heinfried Scheu, der Mesmer noch selbst kannte. Im Vordergrun­d ein Bild, das Mesmer Scheu schenkte.

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