Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Waschbären in Sicht
In Riedlingen ist der Kleinbär beim Krankenhaus gesehen worden – Tier stammt ursprünglich aus Amerika
In Riedlingen ist der Kleinbär beim Krankenhaus gesehen worden.
RIEDLINGEN - Sie sehen putzig aus, mit ihrem gräulichen Fell und der schwarzen Gesichtsmaske. Doch sie sind alles andere als putzig. Der Waschbär ist in vielen Regionen auf dem Vormarsch, klettert in Kamine, frisst im Vorgarten aus Mülltonnen oder räumt Vogelnester aus. Nun wurde auch einer in Riedlingen beim Krankenhaus gesichtet.
Andi Tschachovskij traut seinen Augen kaum, als er am Montagnachmittag mit seinem Fahrrad beim Krankenhaus unterwegs ist. „Plötzlich ist aus dem Gestrüpp dieses Vieh gekommen“, sagt der 16-Jährige. Er habe sich zuerst ein bisschen erschreckt, weil das Tier ziemlich groß ist. Als er mit seinem Fahrrad davonfuhr, verfolgte ihn der Waschbär. „Fast bis zur Jet-Tankstelle“, sagt der Schüler der Joseph-Christian-Schule. Schnell zückte er sein Handy und machte ein Foto. Auch als Beweis für seine Mitschüler und Lehrer, die ihm fast nicht geglaubt haben, was er am anderen Tag zu erzählen hatte. Andi Tschachovskij
Das Tier stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde in den 1920/ 30er Jahren als Pelzlieferant nach Deutschland gebracht, wie der Naturschutzbund Deutschland auf seiner Homepage schreibt. Zunächst fristete er sein Dasein hauptsächlich in Pelzfarmen, doch mit dem Ziel ihn anzusiedeln wurde er 1934 in Hessen erstmals bewusst ausgesetzt, wie der Nabu weiter schreibt. Stand er in den Folgejahren seiner Aussiedlung zunächst unter Naturschutz, nahm Hessen den Kleinbären als erstes Bundesland ins Jagdrecht auf. Heute ist er weit verbreitet. 2015 war er in 40 Prozent der Gemeinden Baden-Württembergs heimisch, wie das Landwirtschaftliche Zentrum BadenWürttemberg schreibt. Er darf in fast allen Bundesländern gejagt werden (siehe Kasten).
Zusätzlicher Fressfeind
Jost Einstein, Leiter des Nabu-Naturschutzzentrums Federsee, ist nicht gerade erfreut über die Ausbreitung des Tiers. „Er ist ein zusätzlicher Fressfeind für die Tiere“, sagt Einstein. Weil er, anders als der Fuchs auch klettern kann, räumt er auch Vogelnester leer. Er kann auch zum Problem werden für bodenbrütende Kiebitze, für Amphibien oder den Rotmilan, wie der Nabu auf der Homepage schreibt. „Wenn der Waschbär kommt, ist gar nichts mehr sicher“, sagt Einstein dazu. Denn das Tier ist nicht wählerisch. Er frisst Fische, Krebse und Frösche genauso wie Vögel, Echsen und Salamander. Aber auch Essensreste im Müll oder auf dem Kompost oder Fallobst und gefüllte Futternäpfe für Haustiere
Das Tier ist nachtaktiv. Tagsüber versteckt er sich in Baumhöhlen, unter umgestürzten Bäumen oder im Wurzelwerk von Bäumen. Und nachts macht er sich auf Nahrungssuche. Eigentlich lebt der Kleinbär in Wäldern. Aber zunehmend entdeckt er Siedlungen und Großstädte. Denn hier ist das Nahrungsangebot für den Allesfresser riesig. In Mülleimern findet er weggeworfene Nahrungsmittel, ebenso im Kompost. Oder eben die Futternäpfe für Haustiere, wo er sich bedient. Aber er klettert auch auf Dächer, auf der Suche nach Nahrung (siehe Tipps). „Die finden überall was“, so Einstein.
„Plötzlich ist aus dem Gestrüpp dieses Vieh gekommen.“
Bejagung hilft nicht viel
In Baden-Württemberg darf der Waschbär gejagt werden. „Gegen die Bejagung spricht auch nichts“, sagt der Leiter des Buchauer Nabu-Zentrums. Aber aus seiner Sicht wird dies nicht verhindern, dass sich das Tier weiter ausbreitet. Wenn auch langsam, denn der Waschbär hat kein riesiges Wachstumspotenzial – sprich nicht allzu viele Nachkommen. Auch der Nabu-Deutschland meint, dass die Bejagung oder das Fangen von Tieren mit dem Ziel, die Populationsdichte zu verringern, zumeist ohne Erfolg bleibe, da „auch bei einer ,Entnahme’ neue Tiere aus den umliegenden Gebieten in den dann unbesetzten Lebensraum nachrücken“.
Dass der Waschbär auch hier in die Gegend vorgerückt ist, dazu lagen Einstein keine Informationen vor. Er erinnert sich, dass vor ein oder zwei Jahren in Biberach einer aufgetaucht ist. Nun also in Riedlingen. Aber Einstein ist überzeugt, dass man auf Dauer mit dem eingebürgerten Tier leben muss: Langfristig wird es wohl in ganz Deutschland zu finden sein.