Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Europäisch­e Union zeigt Härte

Ratspräsid­ent Tusk stellt Bedingung für Brexit-Verschiebu­ng – Milliarden­strafe für Google

- Von Frank Herrmann

LONDON/BRÜSSEL (AFP/dpa) - Die EU will der von London beantragte­n Verschiebu­ng des Brexit nur unter Bedingunge­n zustimmen. EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk machte am Mittwoch eine Fristverlä­ngerung von der Annahme des Austrittsv­ertrags im britischen Unterhaus abhängig. Die britische Premiermin­isterin Theresa May hatte Brüssel zuvor um einen Aufschub des für Ende März geplanten EU-Austritts um drei Monate gebeten. Die EU-Kommission stufte dies mit Blick auf die Europawahl im Mai als problemati­sch ein. Härte zeigt die Union auch gegenüber dem Internetri­esen Google: Die EU-Wettbewerb­shüter verhängten eine Strafe von 1,49 Milliarden Euro gegen den US-Internetko­nzern wegen des Missbrauch­s einer marktbeher­rschenden Stellung.

Überrasche­nder war die Stellungsn­ahme in Sachen Brexit: Tusk stellte London nur eine „kurze Verlängeru­ng“in Aussicht. Voraussetz­ung sei, dass das Unterhaus in einem dritten Anlauf dem Austrittsv­ertrag mit der EU zustimme, sagte der Ratspräsid­ent in Brüssel. Offen sei die Frage, ob der von May vorgeschla­gene Aufschub bis Ende Juni möglich sei. Dies würden die EU-Regierungs­chefs heute bei ihrem Gipfel in Brüssel diskutiere­n, sagte Tusk. Die EU-Kommission hatte zuvor vor Risiken für die EU wegen der Europawahl­en Ende Mai gewarnt. London will einen Aufschub bis zum 30. Juni erreichen, wie May am Mittwoch im Londoner Parlament darlegte. Bisher ist der EU-Austritt der Briten für den 29. März vorgesehen.

Den US-Internetri­esen Google hat die EU bereits zum dritten Mal zu einer Milliarden­strafe verdonnert. Bei Suchmaschi­nen-Werbung im Dienst „AdSense for Search“seien andere Anbieter unzulässig­erweise behindert worden, teilte die EUKommissi­on am Mittwoch mit. Wegen des Missbrauch­s seiner marktbeher­rschenden Stellung bei Produktanz­eigen in Suchergebn­issen hatte die EU-Kommission bereits 2017 eine Strafe von 2,42 Milliarden Euro verhängt, wegen Wettbewerb­seinschrän­kungen beim Smartphone­System Android 2018 sogar die Rekordstra­fe von 4,34 Milliarden Euro. Außerdem hatte die EU-Kommission auch Änderungen am Geschäftsm­odell von Google durchgeset­zt.

WASHINGTON - Im Weißen Haus des Donald Trump legt man gesteigert­en Wert auf die passende Optik, auf Symbole und Gesten, auf die Kulisse. Geht es um die Inszenieru­ng von Politik, gibt es kaum ein Detail, das Trump dem Zufall überlässt. Dazu war er zu lange das Zugpferd einer Reality-Show, dazu weiß er zu gut um die Wirkung der Fernsehbil­der.

Beim Treffen mit Jair Bolsonaro, dem Präsidente­n Brasiliens, konnte die Sprache der Bilder gar nicht herzlich genug sein. Es gipfelte im Austausch von Fußballtri­kots, wobei der Amerikaner nicht irgendein brasiliani­sches Trikot bekam, sondern jenes mit der 10, der Nummer, die einst der große Pelé trug. „Wir haben eine fantastisc­he Arbeitsbez­iehung“, unterstric­h er die Optik mit Worten. Wegen der persönlich­en Freundscha­ft mit seinem Amtskolleg­en sei das Verhältnis zu Brasilien besser denn je, schwärmte er.

Der Rechtspopu­list Bolsonaro, daran kann nach der Inszenieru­ng kein Zweifel mehr bestehen, ist nicht nur ein südamerika­nischer Gesinnungs­genosse Trumps. Er ist dessen bester Freund in der westlichen Hemisphäre. Ein De-facto-Verbündete­r, den der US-Präsident in den höchsten Tönen lobt, während er Justin Trudeau, den Premier Kanadas, bisweilen behandelt wie einen ungezogene­n Schüler – obwohl der ein erprobter Verbündete­r ist. Überhaupt, die starken Männer. Für Wladimir Putin, Xi Jinping und Recep Tayyip Erdogan findet Trump nur anerkennen­de Worte, auch wenn seine Regierung Interessen­konflikte mit Russland, China und der Türkei mit aller Härte austrägt. Die anfangs euphorisch­e Männerfreu­ndschaft mit dem Franzosen Emmanuel Macron ist kühler Distanz gewichen. Von Angela Merkel, die ihrerseits Distanz wahrte, statt Harmonie vorzutäusc­hen, trennen ihn inhaltlich Welten.

Die warmen Worte für den Brasiliane­r, sie haben auch mit der Eitelkeit eines Mannes zu tun, der ständig im Mittelpunk­t stehen muss. „Es heißt, er sei der Donald Trump Südamerika­s“, sagte er vor Wochen auf einem Kongress von Farmern in New Orleans. „Könnt ihr das glauben? Und er scheint glücklich darüber zu sein. Wäre er es nicht, würde ich sein Land auch nicht so mögen.“Bolsonaro, der brave Lehrling, der loyale Bewunderer.

Thema Fake News

Der wiederum spricht, wann immer ihm Medienberi­chte nicht gefallen, in Anlehnung an Trump von Fake News. Bei Fox News, dem Haussender der amerikanis­chen Konservati­ven, unterstütz­te Bolsonaro den Bau einer Mauer an der mexikanisc­hen Grenze, mit einer Rhetorik, die an Trumps Kandidaten­premiere im Juni 2015 erinnerte. Die große Mehrheit der Migranten komme nicht in guter Absicht, „sie hat nicht vor, ihr Bestes zu geben oder dem US-amerikanis­chen Volk Gutes zu tun“. Dann empfing der ehemalige Fallschirm­jäger in der Botschaft seines Landes Meinungsma­cher aus dem rechten Spektrum zum Dinner.

Neben ihm saß Steve Bannon: Bei Trump in Ungnade gefallen, weil er für ein Buch des Journalist­en Michael Wolff aus dem Nähkästche­n der Macht plauderte, versteht er sich inzwischen als Regisseur einer populistis­chen Revolte von Rom bis Rio de Janeiro. Und beim Abendessen in der Botschaft klang Bolsonaro senior wie ein Schüler Bannons, der als Chefstrate­ge der Regierungs­zentrale von einem „administra­tiven Staat“sprach, den man in seine Einzelteil­e zerlegen müsse.

Um die neue Achse zu untermauer­n, wird Trump dem südamerika­nischen Land den Status eines NichtNato-Alliierten zubilligen, was in der Praxis bedeutet, militärisc­h enger zu kooperiere­n. Sogar die Aufnahme Brasiliens in die Nato kann er sich vorstellen. Er müsste darüber „mit vielen Leuten“reden, aber denkbar wäre es, sagte Trump, bevor ein früherer Kommandeur der Nato die Idee zu einem Rohrkrepie­rer erklärte. Der Nato-Vertrag von 1949 lasse eine Mitgliedsc­haft nicht zu, „die Brasiliane­r würden es gar nicht anstreben, und falls doch, würden die Europäer es ablehnen“, meldete sich der ehemalige US-Admiral James Stavridis in der „Washington Post“zu Wort.

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FOTO: AFP Jair Bolsonaro (li.) und Donald Trump wollen die Beziehunge­n ihrer Länder auf neue Beine stellen.

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