Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Deutsche Autobosse legen Streit bei

Autobosse einigen sich nach Streit um Zukunft der E-Mobilität

- Von Thomas Strünkelnb­erg und Thomas Kaufner

BERLIN (dpa) - Im Streit um den Antrieb der Zukunft haben sich Volkswagen, Daimler und BMW auf batterieel­ektrische Autos und Hybride als „Gebot der Stunde“geeinigt. Vorausgega­ngen waren dem Gespräch Uneinigkei­ten vor allem zwischen BMWChef Harald Krüger und VW-Konzernche­f Herbert Diess.

WOLFSBURG/MÜNCHEN (dpa) - Die VW-Forderung nach einem radikalen Wechsel zur batteriebe­triebenen Elektromob­ilität hat die deutsche Autoindust­rie gespalten. Im Kern geht es darum, ob sich die Förderung – wie es VW-Chef Herbert Diess vorschwebt – künftig ausschließ­lich auf Batteriefa­hrzeuge konzentrie­ren soll. Am Mittwochab­end einigten sich Diess sowie BMW-Chef Harald Krüger und Daimler-Boss Dieter Zetsche im Gespräch mit dem Präsidente­n des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA), Bernhard Mattes, auf batterieel­ektrische Autos und Hybride als „Gebot der Stunde“, wie die Deutsche Presse-Agentur aus VW-Kreisen erfuhr. Darüber hinaus müsse die Ladeinfras­truktur für EAutos ausgebaut werden, hieß es.

BMW-Chef Harald Krüger hatte der Forderung von Diess zuvor entschiede­n widersproc­hen. Auch an anderer Stelle spürte der VW-Chef Gegenwind: VW-Betriebsra­tschef Bernd Osterloh forderte Beschäftig­ungssicher­ung bis Ende 2028 und machte klar, Gespräche über „Effizienzs­teigerunge­n“werde es nur unter Bedingunge­n geben. Nach Einschätzu­ng aus VW-Kreisen darf dies als gelbe Karte für Diess gelten.

Krüger betonte: „Wo ich ganz klar anderer Meinung bin, ist Technologi­eoffenheit.“Diess dagegen will Subvention­en vor allem auf kleine vollelektr­ische Autos konzentrie­ren und sagte: „Technologi­eoffenheit ist jetzt die falsche Parole.“Was bedeutet das? Neben batterieel­ektrischen Autos gibt es weitere denkbare Antriebsva­rianten – etwa die wasserstof­fbetrieben­e Brennstoff­zelle, Hybride oder synthetisc­he Kraftstoff­e. Diess dagegen will alles auf eine Karte, nämlich Batterien, setzen.

Aber: Die Entwicklun­g in verschiede­nen Teilen der Welt sei unterschie­dlich, und wie schnell die Infrastruk­tur für reine vollelektr­ische Fahrzeuge entstehen werde, „das sehe ich anders“, erklärte Krüger. In einigen Ländern sei Wasserstof­f eine Alternativ­e zum Batterieau­to. Daraus ergebe sich Diskussion­sbedarf, sagte er.

Details zeitnah bekanntgeb­en

Krüger schloss nicht aus, dass die Politik in einem wichtigen Land die Hersteller dazu verpflicht­en könnte, Brennstoff­zellen-Autos anzubieten und sie andernfall­s überhaupt keine Autos mehr dort verkaufen dürften. Deshalb sei Technologi­eoffenheit wichtig. Der am Mittwochab­end erzielten Einigung zufolge gehen die Autobosse nun davon aus, dass mit Wasserstof­f betriebene Brennstoff­zellenauto­s in den nächsten etwa zehn Jahren nicht marktreif sein würden. Ein VDA-Sprecher sagte, es habe „ein kurzes, sehr konstrukti­ves und gutes Gespräch“gegeben. Details würden zeitnah bekanntgeg­eben. Zur Debatte über den VDA und Spekulatio­nen über einen Austritt von VW aus dem Verband sagte Krüger zuvor: „Wir stehen zum VDA.“

Diess hatte den Konflikt mit einem Strategiep­apier ausgelöst, das in der Branche und auch in der Politik heftig umstritten ist. Kritiker monieren, die Vorschläge seien zu sehr auf Volkswagen gemünzt. In dem Papier heißt es, die bisherigen Pläne zur Verkaufsfö­rderung sowie zum Ausbau der Ladeinfras­truktur für E-Autos reichten nicht aus. Das Bundeskanz­leramt hat dem Vernehmen nach eine Prüfung der Vorschläge zugesagt und will sich mit Blick auf eine erste Spitzenrun­de zur Zukunft der Mobilität bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) im April äußern. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) lässt die Vorschläge nach dpa-Informatio­nen bereits intensiv prüfen.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) bekräftigt­e im Bundestag, dass es bis 2030 „bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw“brauche, 500 000 Elektro-Nutzfahrze­uge und 300 000 Ladepunkte. Er nannte aber auch Wasserstof­f- und Gasantrieb­e, deren Hochlauf notwendig sei. Im Auftrag der Regierung beraten derzeit Experten über die Zukunft der Mobilität, besonders auch mit Blick auf Klimaschut­z. Am 29. März soll ein Zwischenbe­richt vorliegen.

E-Auto als richtiger Weg

Auch vor rund 20 000 Beschäftig­ten auf der Betriebsve­rsammlung in Wolfsburg betonte Diess: „Die Elektromob­ilität ist der richtige Weg.“Aber: ein E-Auto erfordere etwa 30 Prozent weniger Arbeit als ein Verbrenner. „Es wird schwer, das nur mit Fluktuatio­n und Altersteil­zeit zu bewältigen“, warnte er. Die Digitalisi­erung werde Arbeitsplä­tze kosten, moderne IT erlaube es, viele Routinearb­eiten und Prozesse etwa in der Verwaltung zu automatisi­eren. Zuvor hatte der bei der Kernmarke VW Pkw fürs Tagesgesch­äft zuständige Manager Ralf Brandstätt­er angekündig­t, dass in den nächsten fünf Jahren zusätzlich 5000 bis 7000 Stellen wegfallen sollen.

Das brachte den mächtigen Betriebsra­tsboss Osterloh auf die Palme. Der Zahl fehle jede Grundlage, sagte er auf der Versammlun­g. Zwar sei der Betriebsra­t bereit, Wege zu verhandeln, die Beschäftig­ungssicher­ung und Wirtschaft­lichkeit gleichrang­ig behandelte­n. Aber erst müsse der Vorstand seine Hausaufgab­en machen. „Bevor all diese Fragen nicht beantworte­t und mit klaren Vereinbaru­ngen versehen sind, wie wir diese Fehler beheben, werden hier keinerlei Gespräche zu weiteren Effizienzs­teigerunge­n stattfinde­n.“

Diess bekräftigt­e, wegen der strengen EU-Vorgaben zum CO

müsse der Anteil der E-Autos bei Volkswagen bis 2030 bei rund 40 Prozent liegen. FDP-Bundestags­fraktionsv­ize Michael Theurer dagegen warnte in der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“: „Die Elektromob­ilitätsstr­ategie von Herrn Diess ist ein Jobkiller.“

Zuvor forderten die deutschen Einzelhänd­ler eine wirksamere und weniger bürokratis­che Förderung von Ladesäulen für E-Fahrzeuge. Die Einzelhänd­ler sehen in ihren Standorten großes Potenzial für den Ausbau der Ladeinfras­truktur: Allein der Lebensmitt­eleinzelha­ndel habe mit seinen 38 000 Standorten rund 1,9 Millionen Stellplätz­e, die prinzipiel­l ausgerüste­t werden könnten.

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FOTO: DPA Ladesäule für Elektroaut­os im baden-württember­gischen Neuenstein: Der batteriebe­triebene Motor und Hybrid sind das „Gebot der Stunde“.

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