Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Olaf Scholz greift zum spitzen Bleistift
Der Finanzminister spart bei den Ressorts Verteidigung und Entwicklung und bringt sich als Kanzlerkandidat in Stellung
BERLIN - Olaf Scholz (SPD) ist kein Mann der großen Gesten. Das sagt er selbst an diesem Mittwoch, als er seine Eckpunkte für den Haushalt 2020 vorstellt und daran erinnert, dass er nie vor laufenden Kameras mit Filzstift eine schwarze Null auf ein weißes Blatt gemalt hat. Olaf Scholz macht so etwas einfach nicht. Der Bundesfinanzminister ist kein Mann des dicken Filzschreibers, er greift lieber zum spitzen Bleistift.
Das bekommen in diesem Jahr vor allem seine Kollegen aus der Union zu spüren: Ursula von der Leyen (CDU) erhält längst nicht so viel Geld für die Verteidigung wie verlangt, und das Ressort von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) soll mittelfristig finanziell sogar schrumpfen. „Wir können nicht alles finanzieren, was man sich wünscht, aber ziemlich viel“, sagt der Mann mit dem Bleistift dazu.
Dahinter steckt ein Plan. Olaf Scholz will Kanzler werden – und dafür muss er erst einmal über den Herbst kommen, wenn die SPD entscheidet, ob sie in der GroKo bleiben will oder nicht. Doch vor allem muss er die Herzen der Genossen gewinnen. Erst dann und auch nur, wenn wirklich alles glatt läuft, könnte Scholz Kanzlerkandidat werden. Der Alles-ist-Möglich-Haushalt ist ein kleiner Stein in diesem Werk.
Beliebter Politiker
Vizekanzler Scholz ist seit geraumer Zeit einer der beliebtesten Politiker im Land. In manchen Umfragen kann er sogar Kanzlerin Angela Merkel das Wasser reichen. Nur profitiert die SPD davon nicht, und seine Anhänger vor allem im sozialdemokratischen Mittelbau sind schnell gezählt. Auf Parteitagen schneidet er regelmäßig mit schlechten Ergebnissen ab.
Da passt es ihm eigentlich ganz gut, dass die Union ihn so hart angeht. CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg wirft Scholz seit Tagen vor, dass die Sozialausgaben steigen. Das freut die Genossen. Und wenn Rehberg dann noch hinzufügt, dass Scholz eine stringente Haushaltslinie vermissen lasse, wie man sie von Wolfgang Schäuble gewohnt war, dann zahlt sich das gleich doppelt aus. Denn bei der SPD ist es vorteilhaft, als Finanzminister nicht wie Schäuble zu sein.
Kritik vom US-Botschafter
Dass die Protestwelle gegen seine Pläne für den Verteidigungshaushalt ausgerechnet vom US-Botschafter Richard Grenell angeführt wurde, sorgte innerhalb der SPD geradezu für Begeisterung. Grenell kommentierte das Finanztableau scharf und wetterte gegen „inakzeptable Beiträge“und ein „beunruhigendes Signal“. Sogar FDP-Vize Wolfgang Kubicki und damit quasi die Opposition nahmen Scholz in Schutz.
Olaf Scholz sollte Richard Grenell eine nette Dankes-Depeche schicken. Doch er verfährt mit dem Thema lieber nach dem Scholz-Prinzip der erschöpfenden Aufzählung. Erstens, so verkündete er mit leichtem Grinsen: Oberste Grundsätze seien schwarze Null und Schuldenbremse. Zweitens: Es gebe im kommenden Jahr doch mehr Geld. Und drittens: In Zukunft werde geschaut, „was möglich ist“.
„Die Regierung setzt um, was sie versprochen hat“, behauptet er. Dabei hat er einen Haushalt vorgelegt, der ihn bei den eigenen Leuten eigentlich zum beliebtesten Finanzminister seit Oskar Lafontaine machen müsste. Eigentlich.