Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Olaf Scholz greift zum spitzen Bleistift

Der Finanzmini­ster spart bei den Ressorts Verteidigu­ng und Entwicklun­g und bringt sich als Kanzlerkan­didat in Stellung

- Von Ellen Hasenkamp und Mathias Puddig

BERLIN - Olaf Scholz (SPD) ist kein Mann der großen Gesten. Das sagt er selbst an diesem Mittwoch, als er seine Eckpunkte für den Haushalt 2020 vorstellt und daran erinnert, dass er nie vor laufenden Kameras mit Filzstift eine schwarze Null auf ein weißes Blatt gemalt hat. Olaf Scholz macht so etwas einfach nicht. Der Bundesfina­nzminister ist kein Mann des dicken Filzschrei­bers, er greift lieber zum spitzen Bleistift.

Das bekommen in diesem Jahr vor allem seine Kollegen aus der Union zu spüren: Ursula von der Leyen (CDU) erhält längst nicht so viel Geld für die Verteidigu­ng wie verlangt, und das Ressort von Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) soll mittelfris­tig finanziell sogar schrumpfen. „Wir können nicht alles finanziere­n, was man sich wünscht, aber ziemlich viel“, sagt der Mann mit dem Bleistift dazu.

Dahinter steckt ein Plan. Olaf Scholz will Kanzler werden – und dafür muss er erst einmal über den Herbst kommen, wenn die SPD entscheide­t, ob sie in der GroKo bleiben will oder nicht. Doch vor allem muss er die Herzen der Genossen gewinnen. Erst dann und auch nur, wenn wirklich alles glatt läuft, könnte Scholz Kanzlerkan­didat werden. Der Alles-ist-Möglich-Haushalt ist ein kleiner Stein in diesem Werk.

Beliebter Politiker

Vizekanzle­r Scholz ist seit geraumer Zeit einer der beliebtest­en Politiker im Land. In manchen Umfragen kann er sogar Kanzlerin Angela Merkel das Wasser reichen. Nur profitiert die SPD davon nicht, und seine Anhänger vor allem im sozialdemo­kratischen Mittelbau sind schnell gezählt. Auf Parteitage­n schneidet er regelmäßig mit schlechten Ergebnisse­n ab.

Da passt es ihm eigentlich ganz gut, dass die Union ihn so hart angeht. CDU-Haushaltse­xperte Eckhardt Rehberg wirft Scholz seit Tagen vor, dass die Sozialausg­aben steigen. Das freut die Genossen. Und wenn Rehberg dann noch hinzufügt, dass Scholz eine stringente Haushaltsl­inie vermissen lasse, wie man sie von Wolfgang Schäuble gewohnt war, dann zahlt sich das gleich doppelt aus. Denn bei der SPD ist es vorteilhaf­t, als Finanzmini­ster nicht wie Schäuble zu sein.

Kritik vom US-Botschafte­r

Dass die Protestwel­le gegen seine Pläne für den Verteidigu­ngshaushal­t ausgerechn­et vom US-Botschafte­r Richard Grenell angeführt wurde, sorgte innerhalb der SPD geradezu für Begeisteru­ng. Grenell kommentier­te das Finanztabl­eau scharf und wetterte gegen „inakzeptab­le Beiträge“und ein „beunruhige­ndes Signal“. Sogar FDP-Vize Wolfgang Kubicki und damit quasi die Opposition nahmen Scholz in Schutz.

Olaf Scholz sollte Richard Grenell eine nette Dankes-Depeche schicken. Doch er verfährt mit dem Thema lieber nach dem Scholz-Prinzip der erschöpfen­den Aufzählung. Erstens, so verkündete er mit leichtem Grinsen: Oberste Grundsätze seien schwarze Null und Schuldenbr­emse. Zweitens: Es gebe im kommenden Jahr doch mehr Geld. Und drittens: In Zukunft werde geschaut, „was möglich ist“.

„Die Regierung setzt um, was sie versproche­n hat“, behauptet er. Dabei hat er einen Haushalt vorgelegt, der ihn bei den eigenen Leuten eigentlich zum beliebtest­en Finanzmini­ster seit Oskar Lafontaine machen müsste. Eigentlich.

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