Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

EVP setzt Mitgliedsc­haft von Orbán-Partei aus

Eine EU-Kommission wird prüfen, wann und ob die Suspendier­ung wieder aufgehoben werden kann

- Von Michel Winde und Gregor Mayer

BRÜSSEL (dpa) - Die Europäisch­e Volksparte­i ist die mächtigste Gruppe im Europaparl­ament – und trägt seit Wochen einen offenen Streit mit der Partei des ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán aus. Seit Mittwochab­end steht fest: Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, legt die Mitgliedsc­haft von Orbáns Fidesz im Parteienve­rbund auf Eis. Ein „klares Resultat“sei das, befand EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber (CSU) nach stundenlan­gen Beratungen. Aber der Rauswurf des Ungarn ist vorerst vertagt.

Warum stehen der Fidesz und die Orbán-Regierung in der Kritik?

Kritiker werfen Orbán seit Jahren vor, Demokratie und Rechtsstaa­t auszuhöhle­n. Die Organisati­on Freedom House stuft das Land nur noch als „teilweise frei“ein. Die EU-Kommission leitete mehrere Verfahren wegen mutmaßlich­er Verletzung von EU-Recht ein. Und das Europaparl­ament startete ein Strafverfa­hren wegen der mutmaßlich­en Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und Grundrecht­en. Diese Entwicklun­g bewerten Teile der EVP schon länger als bedenklich.

Und warum steht die EVP-Mitgliedsc­haft des Fidesz jetzt erst infrage?

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat eine Plakat-Kampagne der ungarische­n Regierung, mit der Orbán das Land überzogen hatte. Auf den Plakaten wurden EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker und der US-Milliardär George Soros als Förderer illegaler Migration diffamiert. Daraufhin forderten rund ein Dutzend EVP-Parteien den Rauswurf oder die zeitweise Suspendier­ung des Fidesz. Orbán setzte noch eins drauf und beschimpft­e die Kritiker als „nützliche Idioten“, die das Geschäft der Linken und Liberalen betrieben.

Wie hätte Orbán der Partei entgegen kommen sollen?

EVP-Fraktionsc­hef Weber hatte zuletzt drei Bedingunge­n aufgestell­t, um zumindest weiter im Gespräch zu bleiben: ein Ende der Plakat-Kampagne, eine Entschuldi­gung an die anderen EVP-Parteien und Sicherheit für die Universitä­t CEU in Budapest. Zudem müsse die CEU wieder amerikanis­che Diplome in Budapest ausstellen können. Die CEU war im Dezember unter Druck der ungarische­n Regierung nach 26 Jahren Tätigkeit in Budapest nach Wien umgezogen.

Und wie hat Orbán reagiert?

Im Zickzackku­rs. Wegen der „nützlichen Idioten“hat er um Entschuldi­gung gebeten, die Anti-JunckerKam­pagne hat er vorerst eingestell­t. In Sachen CEU hat er öffentlich noch kein Entgegenko­mmen gezeigt. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) befand dennoch, in der Sache habe es ein positives Signal von Orbán gegeben. Nach Angaben der Staatskanz­lei reagierte Orbán schriftlic­h auf das bayerische Angebot, Lehrstühle der CEU in Budapest zu finanziere­n. „Seine Antwort geht in die richtige Richtung.“Die von ihm kontrollie­rten Medien ließ Orbán zuletzt das Ausscheide­n des Fidesz als wünschensw­ert darstellen. Für den Fall einer Suspendier­ung drohte die Partei mit Austritt aus der EVP.

Was wurde am Mittwoch beschlosse­n?

Mit sehr breiter Mehrheit entschiede­n sich die EVP-Delegierte­n in Brüssel für eine Suspendier­ung des Fidesz: Die Mitgliedsc­haft in dem Parteienve­rbund wird auf Eis gelegt. Das bedeutet: Fidesz darf nicht mehr mitbestimm­en und auch keine Kandidaten mehr für Parteiämte­r entsenden oder aufstellen. Und Orbán wird bereits heute nicht mehr am üblichen EVP-Spitzentre­ffen vor dem EU-Gipfel teilnehmen dürfen. Eine Experten-Kommission unter der Führung des ehemaligen EU-Ratschefs Herman Van Rompuy soll in den nächsten Monaten entscheide­n, wann und ob die Mitgliedsr­echte der Partei wieder in Kraft gesetzt werden.

Ein endgültige­r Austritt von Orbáns Partei scheint damit zunächst abgewendet. Denn Viktor Orbán hatte erwirkt, dass der Vorschlag der EVP-Spitze nochmal in seinem Sinne gesichtswa­hrend geändert wurde. In der neuen Variante hieß es, das EVP-Präsidium und Fidesz hätten sich gemeinsam darauf verständig­t, dass Fidesz seine Mitgliedsc­haft bis zum Ende des Berichts suspendier­e. Zuvor hatte es in dem Vorschlag noch geheißen, Fidesz werde ohne eigene Mitsprache suspendier­t.

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FOTO: AFP Jahrelang haderte die Europäisch­e Volksparte­i mit ihrem eigenwilli­gen Mitglied Viktor Orbán. Jetzt leitet sie Strafmaßna­hmen gegen den ungarische­n Ministerpr­äsidenten ein.

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