Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
EVP setzt Mitgliedschaft von Orbán-Partei aus
Eine EU-Kommission wird prüfen, wann und ob die Suspendierung wieder aufgehoben werden kann
BRÜSSEL (dpa) - Die Europäische Volkspartei ist die mächtigste Gruppe im Europaparlament – und trägt seit Wochen einen offenen Streit mit der Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán aus. Seit Mittwochabend steht fest: Die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, legt die Mitgliedschaft von Orbáns Fidesz im Parteienverbund auf Eis. Ein „klares Resultat“sei das, befand EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) nach stundenlangen Beratungen. Aber der Rauswurf des Ungarn ist vorerst vertagt.
Warum stehen der Fidesz und die Orbán-Regierung in der Kritik?
Kritiker werfen Orbán seit Jahren vor, Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen. Die Organisation Freedom House stuft das Land nur noch als „teilweise frei“ein. Die EU-Kommission leitete mehrere Verfahren wegen mutmaßlicher Verletzung von EU-Recht ein. Und das Europaparlament startete ein Strafverfahren wegen der mutmaßlichen Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. Diese Entwicklung bewerten Teile der EVP schon länger als bedenklich.
Und warum steht die EVP-Mitgliedschaft des Fidesz jetzt erst infrage?
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat eine Plakat-Kampagne der ungarischen Regierung, mit der Orbán das Land überzogen hatte. Auf den Plakaten wurden EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der US-Milliardär George Soros als Förderer illegaler Migration diffamiert. Daraufhin forderten rund ein Dutzend EVP-Parteien den Rauswurf oder die zeitweise Suspendierung des Fidesz. Orbán setzte noch eins drauf und beschimpfte die Kritiker als „nützliche Idioten“, die das Geschäft der Linken und Liberalen betrieben.
Wie hätte Orbán der Partei entgegen kommen sollen?
EVP-Fraktionschef Weber hatte zuletzt drei Bedingungen aufgestellt, um zumindest weiter im Gespräch zu bleiben: ein Ende der Plakat-Kampagne, eine Entschuldigung an die anderen EVP-Parteien und Sicherheit für die Universität CEU in Budapest. Zudem müsse die CEU wieder amerikanische Diplome in Budapest ausstellen können. Die CEU war im Dezember unter Druck der ungarischen Regierung nach 26 Jahren Tätigkeit in Budapest nach Wien umgezogen.
Und wie hat Orbán reagiert?
Im Zickzackkurs. Wegen der „nützlichen Idioten“hat er um Entschuldigung gebeten, die Anti-JunckerKampagne hat er vorerst eingestellt. In Sachen CEU hat er öffentlich noch kein Entgegenkommen gezeigt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befand dennoch, in der Sache habe es ein positives Signal von Orbán gegeben. Nach Angaben der Staatskanzlei reagierte Orbán schriftlich auf das bayerische Angebot, Lehrstühle der CEU in Budapest zu finanzieren. „Seine Antwort geht in die richtige Richtung.“Die von ihm kontrollierten Medien ließ Orbán zuletzt das Ausscheiden des Fidesz als wünschenswert darstellen. Für den Fall einer Suspendierung drohte die Partei mit Austritt aus der EVP.
Was wurde am Mittwoch beschlossen?
Mit sehr breiter Mehrheit entschieden sich die EVP-Delegierten in Brüssel für eine Suspendierung des Fidesz: Die Mitgliedschaft in dem Parteienverbund wird auf Eis gelegt. Das bedeutet: Fidesz darf nicht mehr mitbestimmen und auch keine Kandidaten mehr für Parteiämter entsenden oder aufstellen. Und Orbán wird bereits heute nicht mehr am üblichen EVP-Spitzentreffen vor dem EU-Gipfel teilnehmen dürfen. Eine Experten-Kommission unter der Führung des ehemaligen EU-Ratschefs Herman Van Rompuy soll in den nächsten Monaten entscheiden, wann und ob die Mitgliedsrechte der Partei wieder in Kraft gesetzt werden.
Ein endgültiger Austritt von Orbáns Partei scheint damit zunächst abgewendet. Denn Viktor Orbán hatte erwirkt, dass der Vorschlag der EVP-Spitze nochmal in seinem Sinne gesichtswahrend geändert wurde. In der neuen Variante hieß es, das EVP-Präsidium und Fidesz hätten sich gemeinsam darauf verständigt, dass Fidesz seine Mitgliedschaft bis zum Ende des Berichts suspendiere. Zuvor hatte es in dem Vorschlag noch geheißen, Fidesz werde ohne eigene Mitsprache suspendiert.