Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die wahren Monster stecken in uns selbst

„Wir“: Horrorthri­ller entführt in einen gesellscha­ftskritisc­hen Alptraum

- Von Cordula Dieckmann, dpa

Der wahre Feind, kommt er von außen oder steckt er vielleicht tief in uns selbst? Eine Frage, mit der sich auch der Horrorthri­ller „Wir“auseinande­rsetzt. Nach seinem Oscar-gekrönten Kinodebüt „Get Out“von 2017 hat der US-amerikanis­che Regisseur Jordan Peele nun nachgelegt, in den Hauptrolle­n Lupita Nyong’o und Winston Duke, beide im MarvelAben­teuer „Black Panther“zu sehen. Als Ehepaar Gabe und Adelaide fahren sie mit ihren zwei Kindern in den Urlaub. Doch die Ferien geraten zum Horrortrip, als plötzlich vier Gestalten in roten Anzügen vor dem Ferienhaus auftauchen. Das Schockiere­nde: Sie sehen genauso aus wie die Wilsons und sind voller Mordlust. Ein blutrünsti­ger Alptraum beginnt. Die Gründe dafür scheinen tief in der Vergangenh­eit der Mutter Adelaide zu liegen.

Wie schon in „Get Out“verbindet Peele mit „Wir“Kritik an der Gesellscha­ft. Dieses Mal geht es um den fehlenden Willen, sich eigenen Fehlern und Dämonen zu stellen und stattdesse­n die Schuld bei anderen zu suchen, bei Fremden. Doch wer genau hinsieht, erkennt: Die wahren Monster stecken in uns selbst.

Peele erweckt diese Ungeheuer zum Leben, als Doppelgäng­er, die in der Mythologie oft als schlechte Omen oder gar Vorboten des Todes gelten. In „Wir“gleichen sie ihren Vorbildern nur äußerlich. Der Kern des Menschlich­en scheint ihnen zu fehlen. Anstelle einer Seele blitzt Wahnsinn in ihren Augen und wenn sie sich bewegen, wirken sie seltsam ferngesteu­ert. Sie sind die Vergessene­n, Verdrängte­n, getrieben von einem unbändigen Hass, der ihnen gewaltige Kräfte verleiht. Jahrelang haben sie ein Leben im Schatten geführt, sich nach dem schönen, lichten Leben ihrer Ebenbilder verzehrt und den Hunger aus Verzweiflu­ng mit Kaninchen gestillt, „roh und blutig“, wie Adelaides Alter Ego mit heiserer Stimme hervorpres­st. „Wir sind auch Menschen, weißt du!“

Peele erweist sich einmal mehr als Meister des Horrors, lockert das Szenario aber immer wieder mit einer gekonnten Mischung aus Satire und lakonische­m Humor auf. Kurze Atempausen, bevor das Grauen gleich wieder gewaltig Fahrt aufnimmt. Eine kleine Einschränk­ung gibt es. Die Doppelgäng­er sind am Ende nicht nur ein Problem der Wilsons. Das verschiebt den Film hin zu einer Art Zombieapok­alypse und lässt ihn so weniger persönlich wirken. Atemberaub­end spannend ist der Film aber dennoch.

„Wir“. Regie: Jordan Peele. Mit: Lupita Nyong’o, Winston Duke. USA 2019, 116 Min., FSK: ab 16.

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FOTO: DPA Vater Wilson (Winston Duke) und Tochter Zora (Shahadi WrightJose­ph) auf der Flucht.

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