Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Süße Aromen in E-Zigaretten verführen Jugendlich­e

Wissenscha­ftler halten die Geschmacks­stoffe für besonders gesundheit­sgefährden­d

- Von Alice Lanzke

LEBANON (dpa) - Sie schmecken nach Süßigkeite­n, Menthol oder Früchten und sprechen so vor allem Jugendlich­e an: Mit süßen Aromen versetzte Liquids sind ein Hauptgrund dafür, dass junge Menschen zur E-Zigarette greifen. Das ist zumindest das Ergebnis einer Studie des US-amerikanis­chen Dartmouth College, deren Ergebnisse im Fachblatt „Public Health Reports“veröffentl­icht sind. Den Autoren der Untersuchu­ng macht das aus zwei Gründen Sorge: Zum einen können die süßlich schmeckend­en Dampf-Zigaretten eine wachsende Zahl von Jugendlich­en an Nikotin gewöhnen. Zum anderen mehren sich die Hinweise darauf, dass die Aromastoff­e selbst gesundheit­sschädlich sind.

Ursprüngli­ch galten E-Zigaretten als harmlosere Variante des klassische­n Glimmstäng­els oder gar als Instrument zur Rauchentwö­hnung: In einer E-Zigarette werden aromatisie­rte, teils nikotinhal­tige Flüssigkei­ten elektrisch verdampft. Diese Flüssigkei­ten, auch Liquids genannt, befinden sich in einer Kartusche neben einem Akku und einem elektrisch­en Heizelemen­t. So entsteht kein Rauch, sondern ein Aerosol, das eingeatmet wird. Insgesamt gilt das Aerosol im Vergleich zum Tabakrauch mit seinen mehr als 70 krebserreg­enden Stoffen als weniger gesundheit­sschädlich – allerdings gibt es bei vielen der Aromen keine Erkenntnis­se darüber, wie sie sich langfristi­g auf den Menschen auswirken.

Das Team um Samir Soneji vom Dartmouth College in Lebanon im US-Staat New Hampshire wollte nun herausfind­en, welche Altersgrup­pen zu welcher Art von E-Zigaretten greift und wie sich die Vorlieben bei den Geschmacks­richtungen auf den Konsum auswirken. Ein Ergebnis der repräsenta­tiven Studie: „Die Verfügbark­eit ansprechen­der Aromen für E-Zigaretten wog als Grund für das Dampfen bei Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n schwerer als bei älteren Erwachsene­n“, resümiert Soneji in einer zur Studie veröffentl­ichten Mitteilung.

Der Bevölkerun­gswissensc­haftler, der sich auf die Auswirkung­en von Tabakkonsu­m spezialisi­ert hat, beschreibt, dass Teenager (12 bis 17 Jahre) und junge Erwachsene (18 bis 24 Jahre) mit höherer Wahrschein­lichkeit als ältere Menschen E-Zigaretten konsumiert­en, wenn diese nach Früchten oder Süßigkeite­n schmeckten. 77,9 Prozent der Jugendlich­en und gar 90,3 Prozent der jungen Erwachsene­n gaben den Geschmack als Grund für ihr Dampfen an. Die älteren Nutzer begründete­n ihre Nutzung hingegen überwiegen­d damit, dass sie das Dampfen für weniger gesundheit­sschädlich als traditione­lle Zigaretten hielten.

„Wir fanden außerdem heraus, dass aktuelle Raucher, die sich im vergangene­n Jahr das Rauchen abgewöhnen wollten, eher E-Zigaretten mit Tabakgesch­mack konsumiert­en, als jene Nutzer, die keine herkömmlic­hen Zigaretten rauchten“, so Soneji weiter. Die große Beliebthei­t der süßen Aromastoff­e unter Jugendlich­en sei speziell deswegen problemati­sch, weil Studien nahelegten, dass diese wegen der enthaltene­n Chemikalie­n besonders gesundheit­sschädlich seien.

Atemwege können erkranken

So beeinträch­tigten viele der üblichen Inhaltssto­ffe die Lungenfunk­tion und führten zu Entzündung­en auf zellulärer Ebene sowie zu Reizungen und Erkrankung­en der Atemwege. In den USA haben zudem gerade die Liquids für die populären E-Zigaretten-Modelle einen sehr hohen Nikotingeh­alt, welcher die in den EU-Mitgliedss­taaten erlaubte Dosierung bei weitem übersteigt.

Die Autoren der US-Studie plädieren nun für differenzi­erte Regeln für E-Zigaretten: „Strengere Bestimmung­en oder gar ein Verbot von aromatisie­rten E-Zigaretten, die nach Früchten oder Süßigkeite­n schmecken, könnten zwei Ziele erreichen“, fasst Samir Soneji zusammen: „So könnte der Anteil von Jugendlich­en, die dampfen, gesenkt werden, ohne dass dies zu Lasten der älteren Raucher geht, die mit den E-Zigaretten von den herkömmlic­hen loskommen wollten.“

In den USA warnt die Gesundheit­sbehörde FDA mittlerwei­le vor einer Epidemie des Dampfens vor allem unter Jugendlich­en: So sei die Zahl der Konsumente­n in der Mittelund Oberstufe innerhalb eines Jahres um 1,5 Millionen angestiege­n. Wie eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums (DKFZ) zudem erst kürzlich ergab, probierten auch hierzuland­e immer mehr Jugendlich­e E-Zigaretten. Zwischen 2014 und 2018 habe sich der Anteil der 16- bis 29-Jährigen, die jemals an einem Verdampfer gezogen hätten, von 11 auf 20 Prozent fast verdoppelt.

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FOTO: DPA Rund 80 Prozent der Jugendlich­en und 90 Prozent der jungen Erwachsene­n gaben den Geschmack als Grund für ihr Dampfen an.

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