Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Rassismus überstande­n, schaffe gelernt, abgeschobe­n?

DOSB ehrt Lauchringe­ns Mannschaft, die aus Solidaritä­t mit Kebba Maneh den Platz verließ – dessen Zeit läuft ab

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LAUCHRINGE­N (dpa) - Im nächsten Sommer will er schwimmen lernen. Im Freibad in Lauchringe­n (Landkreis Waldshut) nahe der Schweizer Grenze, gleich neben seiner Wohnung. Es gibt dort Sprungbret­ter, Rutschen und ein großes Sportbecke­n, und auch wenn die Kulisse im Dauerregen an diesem Freitag im März kaum trister sein könnte: Für Kebba Manneh ist der Sommer schon ganz nah. Bald sei es so weit, sagt er und deutet mit dem Daumen in Richtung des Freibads. Der 21-Jährige freut sich darauf, obwohl er weiß, dass seine Zeit in Deutschlan­d abläuft.

Es ist ein halbes Jahr her, dass sein Name bundesweit in die Schlagzeil­en geriet. An einem Samstag im September stand Kebba Manneh wie fast jedes Wochenende mit seiner Mannschaft vom SC Lauchringe­n auf dem Fußballpla­tz. Es war ein normaler Spieltag in einer deutschen Kreisliga: Ein paar Zuschauer verfolgten das holprige Geschehen am Spielfeldr­and, einige tranken Bier, andere ließen ein paar flotte Sprüche los. Lauchringe­n lag 1:4 beim FC Weizen zurück.

Klage vor Verwaltung­sgericht Freiburg scheiterte

Die Partie ist fast vorbei, als Manneh plötzlich mit Tränen in den Augen unaufhalts­am den Platz verlässt. „Er hat sich nicht mehr beruhigt“, sagt sein Trainer Carmine Marinaro. Erst danach wird klar, dass ein Zuschauer ihn rassistisc­h beleidigt hat. Aber was für Manneh noch viel schlimmer ist: Dass die Menschen um den Mann herum anfingen zu lachen.

Er will nicht mehr weiterspie­len. Kurz darauf entschließ­t sich seine gesamte Mannschaft, aus Solidaritä­t zu ihrem Freund geschlosse­n vom Rasen zu gehen. In der 85. Minute muss das Spiel abgebroche­n werden. „Rassismus-Eklat in der Kreisliga“, titelt die „Bild“. „Respekt!“, schreibt das Magazin „11Freunde“. „Ich habe mich gefühlt, als wäre ich kein Mensch“, sagt Manneh.

Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bekommt der Vorfall mit. Nächsten Donnerstag wird der SC Lauchringe­n mit dem Fair-Play-Sonderprei­s des DOSB ausgezeich­net. „Der SC Lauchringe­n zeigt mit seinem eindrucksv­ollen Beispiel den Zusammenha­lt einer Mannschaft gegen rassistisc­he Äußerungen gegen einen ihrer Spieler“, sagt eine DOSB-Sprecherin.

Was der Verband nicht wusste: Genau einen Tag vor der feierliche­n Zeremonie in Wiesbaden läuft Mannehs Aufenthalt­sgenehmigu­ng ab. Dann droht ihm die Abschiebun­g.

Manneh holt ein zerfledder­tes Stück Amtspapier aus seiner Jogginghos­e. „Aufenthalt­sgestattun­g für MANNEH, Kebba“, steht neben einem Passbild. „Längstens gültig bis: 27-03-19“. Sein Asylantrag wurde bereits vor rund einem Jahr abgelehnt, eine anschließe­nde Klage vor dem Verwaltung­sgericht in Freiburg scheiterte.

Allein im vergangene­n Jahr gingen lediglich 6,3 Prozent der Entscheidu­ngen über Asylanträg­e von Menschen aus Gambia positiv aus, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) auf Anfrage mitteilt. Manneh lebt seit dreieinhal­b Jahren in Lauchringe­n, er spricht Deutsch, hat eine Arbeitsste­lle und Freunde. Eine Woche lang ist er noch geduldet, wie es auf Amtsdeutsc­h heißt. „Ich habe Angst“, sagt er.

Das Schlimmste für Thomas Kummer ist, dass er es nicht mal wusste. Der 1. Vorsitzend­e des SC Lauchringe­n setzt sich massiv für einen Verbleib des Gambiers ein. Er Thomas Kummer, 1. Vorsitzend­er des SC Lauchringe­n.

habe nie damit gerechnet, dass sein Antrag abgewiesen werde, sagt Kummer. „Wir kämpfen um dich mit allen Mitteln“, schrieb er Manneh vor einiger Zeit per WhatsApp. Demnächst will er eine Petition starten mit dem Ziel, dass Mannehs Asylantrag noch mal geprüft wird.

Aber als er das zerfledder­te Stück Amtspapier in der Hand hält, scheint auch Kummer sich bewusst zu werden, dass er einen Kampf führt, der kaum zu gewinnen ist. „Die Aktion unserer Mannschaft allein zeigt doch, wie gut er integriert ist“, sagt er. „Das hätten die Jungs doch nicht gemacht, wenn er ein Arsch wäre. Die haben Kebba in ihr Herz geschlosse­n!“

Für die Behörden spielt das alles keine Rolle. Fragt man Manneh, warum er im Jahr 2013 Gambia verlassen hat, senkt er den Kopf. Seine Hand legt sich über die Augen, die Stimme wird brüchig. Dreimal passiert das. „Meine Geschichte will mir niemand glauben“, sagt Manneh mit Tränen in den Augen. Mehr will er dazu nicht sagen.

Das Wutachstad­ion des SC Lauchringe­n befindet sich wie das Freibad gleich nebenan. Mannehs Wohnung, in der er mit zwei weiteren Afrikanern lebt, liegt dazwischen. Hinter dem Stadion, einem Rasenplatz mit kleiner Tribüne, ist noch ein Kunstrasen für das Training. Im Flutlicht kehrt sein Lachen zurück. Man braucht nicht lange, um zu erkennen, wie wohl er sich im Kreis seiner Mannschaft fühlt.

„Seit das passiert ist, hat er sich verändert“, sagt Kapitän Tobias Kummer, der zu seinem Vater Thomas an den Rand des Kunstrasen­s gekommen ist. „Vorher war er in sich gekehrt. Danach ist er aufgeblüht.“Er mache jetzt Scherze, und vor einigen Monaten habe Manneh stolz erzählt, dass er mittlerwei­le sogar eine Steuererkl­ärung machen könne. Es war Tobias Kummer, der damals entschiede­n hat, dass die gesamte Mannschaft den Platz verlässt. Dass er den Fair-Play-Preis in der nächsten Woche möglicherw­eise in Mannehs Abwesenhei­t entgegenne­hmen muss, versteht der 26-Jährige nicht.

„Wenn er gehen muss, ist sein Leben kaputt“

„Er hat die Sprache gelernt, er hat schaffe gelernt“, sagt er mit leichtem badischen Akzent. Kebba gehöre einfach dazu. Er habe auf dem vergangene­n Oktoberfes­t Lederhosen angezogen und sei auf einer anderen Feier auch schon mal als Schlumpf verkleidet gewesen. Thomas Kummer nickt. „Wenn er gehen muss, ist sein Leben kaputt“, sagt der 62-Jährige. Aber er hat ja noch diese Idee mit dem Bürgermeis­ter.

Thomas Kummer erreicht ihn vier Tage später. Ob er nicht mal mit dem Chef der örtlichen Ausländerb­ehörde reden könne, will Kummer wissen. Mannehs Duldung könne sich doch vielleicht um einige Zeit verlängern lassen, oder? Und tatsächlic­h: „Es sieht gut aus“, sagt Kummer nun an diesem Dienstag. Ein paar Monate werde Manneh wohl noch mal bekommen. Auch das mit der Preisverle­ihung in Wiesbaden könnte für ihn klappen.

Wahrschein­lich reicht es sogar für den Sommer. „Ob ich hier bleiben darf oder nicht. Du und die Mannschaft bleibt immer in meinem Herz“, antwortete Manneh vor ein paar Tagen auf Kummers WhatsApp. Seine Uhr tickt nun wieder ein wenig länger. Zumindest so lange, bis das Freibad wieder öffnet.

„Die Aktion unserer Mannschaft allein zeigt doch, wie gut er integriert ist. Die haben Kebba in ihr Herz geschlosse­n!“

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FOTO: DPA Voll integriert: Kebba Manneh (li.) beim Training des Kreisligis­ten SC Lauchringe­n.

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