Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Steinmeier warnt vor „Randalinskis“
70 Jahre Grundgesetz: Der Bundespräsident hält ein Plädoyer für Anstand und Vernunft
BERLIN (dpa) - Am Donnerstag hat Deutschland den 70. Jahrestag des Grundgesetzes gefeiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lud zu diesem Anlass nicht nur die Spitzen des Staates, sondern auch 200 Bürger ins Berliner Schloss Bellevue. Doch bevor es bei Kaffee und Kuchen an 22 Tischen entspannt zuging, gab der Bundespräsident den Mahner. Er rief die Bürger dazu auf, sich aktiv in die Gestaltung des Landes einzumischen. „Im Grundgesetz steht nicht ,Alles Gute kommt von oben‘, sondern da steht ,Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus‘“, sagte er. Zugleich forderte Steinmeier eine Versachlichung der öffentlichen politischen Debatte in Deutschland.
„Bei aller Freiheit und selbst im Eifer des Streits muss etwas gewahrt bleiben, das sich vielleicht in zwei Begriffen zusammenfassen lässt – Anstand und Vernunft. Ohne Anstand und Vernunft gelingt keine demokratische Debatte“, erklärte der 63-Jährige. Er wolle nicht, „dass Hass und Feindseligkeit wie Gift in unsere Debatten sickern. Weil wir nicht wollen, dass die Unterscheidung von Fakten und Lügen verloren geht. Weil wir nicht wollen, dass die Lautstärke von Diskussionen mit ihrer Dringlichkeit verwechselt wird.“Das gelte im Internet ebenso wie auf Straßen und Plätzen. „Überlassen wir unsere Debatten doch nicht den Lautsprechern und politischen Randalinskis“, forderte Steinmeier.
Außer ihm und seiner Frau Elke Büdenbender saßen auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Daniel Günther (alle CDU) und Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle, dazu die zweite Reihe wie die Bundestags-Vizepräsidenten Thomas Oppermann (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP) und Claudia Roth (Grüne) mit an den Tischen. Moderiert wurden die Diskussionsrunden von Prominenten. Debattiert wurde über Gerechtigkeit, das Ost-West-Gefälle oder das „Rumoren an der Basis“, also die Unzufriedenheit der Bürger, wie Voßkuhle berichtete. „Die Breite der Themen war beeindruckend.“
Das Grundgesetz war am 23. Mai 1949 verkündet worden und anschließend für die Bundesrepublik in Kraft getreten. Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde es auch zur gesamtdeutschen Verfassung.