Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Institution
Er hat den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer mit Kartoffeln beliefert und ist auf der A 3 noch mit dem Pferdefuhrwerk gefahren. 1963, im letzten Amtsjahr Adenauers, ist Josef Rüddel Bürgermeister von Windhagen im Kreis Neuwied geworden. Seitdem hat er sein Dorf an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen ununterbrochen politisch geleitet, 56 Jahre lang, als ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von seinem Wohnzimmer aus.
„Ich hatte 14 Wahlen, immer mit Gegenkandidaten, genau habe ich das gar nicht gezählt“, sagt der 94-jährige Christdemokrat. Beim Deutschen Städteund Gemeindebund in Berlin heißt es: „Er ist sehr wahrscheinlich der dienstälteste und auch der älteste Bürgermeister Deutschlands.“Nun naht Rüddels letzte Amtshandlung: die Betreuung der Kommunalwahl am Sonntag. Er selbst tritt nicht mehr an – der Ruhestand ruft.
Weiße Haare, wache, blaue Augen, graues Hemd – Rüddel erzählt lebendig von sehr frühen Lebensstationen: 1944 Soldat in Polen, Ende Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft aus einem fahrenden Zug getürmt, 1955 als 30-jähriger Landwirt in den Gemeinderat von Windhagen im Westerwald gewählt worden. Seinerzeit hat er auch Adenauer mit Kartoffeln an dessen nahem Wohnort Rhöndorf in NordrheinWestfalen versorgt.
1970 sind Windhagen und die Nachbargemeinde Rederscheid zusammengelegt worden. Die gesamte Einwohnerzahl hat sich laut Rüddel seit seinem Amtsbeginn auf rund 4500 ungefähr verdreifacht.
Noch-Bürgermeister Rüddel ist dreifacher Vater, siebenfacher Großvater und dreifacher Urgroßvater. Seine Frau Margarethe, „das Gretchen“, ist 2017 gestorben, nach mehr als sechs Jahrzehnten Ehe.
Die meisten Einwohner haben nie einen anderen Bürgermeister kennengelernt, so auch Rüddels 47-jähriger Stellvertreter Martin Buchholz (CDU), der seinen Hut für die Nachfolge in den Ring wirft. „Ich würde mit sehr großem Respekt an diese Aufgabe herangehen. Das ist schon eine Lebensleistung.“
Jens Albes (dpa)