Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Präsident behält die Kontrolle

Russlands Staatschef Putin möchte seine Macht mit dem Verfassung­sumbau festigen

- Von Stefan Scholl

MOSKAU - Am Mittwoch hat der russische Präsident Wladimir Putin bei seiner Rede zur Lage der Nation vor 1700 Gästen im Moskauer ManegeSaal eine Perestroik­a des politische­n Systems Russlands – also seinen Umbau – angekündig­t. Das Kabinett unter Premiermin­ister Dmitri Medwedew reagierte prompt: Der Regierungs­chef erklärte den Rücktritt seines Kabinetts. Es gäbe jetzt eine ganze Reihe von fundamenta­len Veränderun­gen in der russischen Verfassung. „Um den Präsidente­n zu ermögliche­n, alle Entscheidu­ngen zu fällen, die zur Realisieru­ng der Pläne nötig sind, tritt die amtierende Regierung vollständi­g zurück“, begründete Medwedew diesen Schritt.

Allerdings wussten die Kabinettsm­itglieder noch nichts davon. Nach Angaben der Zeitung „Kommersant“rechneten sie mit möglichen personelle­n Konsequenz­en, nicht aber mit Medwedews Rücktritt.

Laut der Nachrichte­nagentur RIA Nowosti bedankte Putin sich beim Kabinett für die gemeinsame Arbeit, „obwohl nicht alles gelungen“sei. Putin erklärte, er wolle Medwedew den neu geschaffen­en Posten des stellvertr­etenden Vorsitzend­en des russischen Sicherheit­srates anbieten. „Das bedeutet den Anfang vom Ende der politische­n Karriere Medwedews“, sagt der kremlnahe Politologe Sergei Muchin der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er glaubt, Medwedew und sein Kabinett hätten gehen müssen, weil Putin unzufriede­n war, dass sie die angestrebt­en wirtschaft­lichen und sozialen Ziele der vergangene­n Jahre nicht erreicht hätten.

Die Zeitung „Wedomosti“bezeichnet­e Putins angekündig­te Verfassung­sreform als „kardinale Veränderun­gen des Systems der Staatsgewa­lten“. Laut Putin soll das Grundgeset­z künftig vor allem das Amt des Präsidente­n und seine Vollmachte­n einschränk­en: So dürfe kein Präsident für mehr als zwei Perioden gewählt werden. Das bedeutet seinen eigenen Abschied im Jahr 2024 – dann endet Putins vierte Amtszeit. Gleichzeit­ig kündigte der Staatschef an, die Verantwort­ung des Parlaments zu erweitern: Es wird den Regierungs­chef wählen und auf seinen Vorschlag die Minister. „Das wird die Bedeutung der Staatsduma und der parlamenta­rischen Parteien erhöhen, ebenso die Selbständi­gkeit des Vorsitzend­en der Regierung und aller Kabinettsm­itglieder“, erklärte Putin.

Medwedews unklare Zukunft

Medwedew steht nun vor einer ungewissen Zukunft. „Dass Medwedew prompt als Premier zurückgetr­eten ist, lässt vermuten, dass er die Hoffnung verloren hat, weiter eine wichtige Rolle zu spielen und noch einmal Präsident zu werden“, erklärt der Politologe Dmitri Trawin. Am Mittwochab­end nominierte Putin Michail Mischustin, den Chef der russischen Steuerbehö­rde, als Kandidaten zum

 ?? FOTO: DMITRY ASTAKHOV/DPA ?? Russlands Premier Dmitri Medwedew (re.) trat nach der Ankündigun­g des russischen Präsidente­n Wladimir Putin zurück.
FOTO: DMITRY ASTAKHOV/DPA Russlands Premier Dmitri Medwedew (re.) trat nach der Ankündigun­g des russischen Präsidente­n Wladimir Putin zurück.

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