Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Waldbesitzer schimpfen auf Biber
Das Tier verursacht immer mehr Schäden an Gehölz und Infrastruktur.
RIEDLINGEN/LANGENENSLINGEN Immer häufiger ist der Biber Ursache von Schäden und Gefahren in der Region Riedlingen. Die Konflikte zwischen Menschen und dem gesetzlich geschützten Biber hätten deutlich zugenommen, teilt das Bibermanagement des Regierungspräsidiums Tübingen mit. Die Biber-Population im Landkreis Biberach steige jährlich um rund 20 Prozent. Mit der zunehmenden Zahl der BiberReviere kommt es auch zu stärkeren Berührungspunkten zwischen Menschen und dem Säuger – mit deutlichen Nachteilen für den Menschen.
Keine Entschädigung in Aussicht
Abgenagte, entrindete Jungbäume liegen auf den teils überfluteten Grundstücken entlang des Holzbachs zwischen Langenenslingen und Andelfingen, angeknabberte Baumstümpfe ragen aus der matschigen Erde und der Bach überschwemmt den Uferbereich, weil Dämme aus Ästen und Erde das Wasser stauen. Wüst sieht das 0,3 Hektar große Gelände aus und die Spuren deuten eindeutig darauf hin, dass Biber dieses Gelände zu ihrem Revier erklärt haben. Allerdings ist Arthur Boos, Eigentümer des Grundstücks, und seine Nachbarn wenig begeistert vom eigentümlichen Gestaltungswillen des Tieres, das hier sein Zuhause gefunden hat. „Vor sechs Jahren haben wir gemeinsam mit Unterstützung des Forsts und des Landes 600 junge Bäume gepflanzt, um einen Mischwald aufzuziehen. Doch der Biber hat bereits ein Drittel dieser Pflanzen geschädigt. Wir mussten bereits 50 bis 100 neue Bäume auf eigene Kosten nachpflanzen“, sagt er.
Immer wieder versucht Arthur Boos mit seinen Waldbesitzer-Kollegen, Biber mit Drahtzäunen und Verbissschutz an Bäumen vom Grundstück fernzuhalten. Aber das rund 1,30 Meter große Säugetier lässt sich durch nichts abhalten: Zäune werden untergraben, Drähte einfach durchgebissen. Selbst chemische Mittel gegen Wildverbiss, die Boos auf Baumstämme aufträgt, wirken lediglich bedingt. „Der Biber meidet den behandelten Baum, sucht sich aber einen anderen und fällt ihn.“Sein Grundstücknachbar Gerd Schneider, der ebenfalls eine Jungwaldparzelle besitzt, will gezielt Bäume Pflanzen, um der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und die Landschaft an dem Bach pflegen. „Wir wollen etwas aufbauen und jetzt kommt der Biber und frisst’s uns weg.“Mit Vorliebe vertilgt dieser Buchen und Eichen, also genau die Baumarten, die Nadelgehölz-Monokulturen bereichern.
Dass sich der Biber frei und frech in der Region etablieren konnte, hat zwei Hauptgründe: Er ist gesetzlich geschützt und hat keine natürlichen Feinde. Deshalb hat Arthur Boos kaum Möglichkeiten, gezielt gegen den Biber vorzugehen. Er kann nicht einfach die Dämme und Burgen des Bibers zerstören, dann erhielte er sofort eine Anzeige. „Das geht an die Staatsanwaltschaft. Da können schon mal bis zu viertausend Euro Strafe drohen“, erklärt Franz Spannenkrebs, der für die Öffentlichkeitsarbeit beim Bibermanagement des Tübinger Regierungspräsidiums zuständig ist. Auch einen Entschädigungsfonds für schwere Biberschäden wie in Bayern existiert in BadenWürttemberg nicht. Jedoch setzt der Biberbeauftragte in der Region auf Prävention – und dafür wird Geld bereitgestellt: Elektrozäune oder Materialien, die verhindern, dass der Biber den Boden unterhöhlen kann.
„Unsere Aufgabe beim Bibermanagement ist es, bei Konflikten zu vermitteln. Der Biberbeauftragte versucht nachhaltige Lösungen zu erarbeiten, mit der sowohl Geschädigte
als auch der Biber leben können.“Einen solchen Lösungsplan gebe es auch für die Situation in Langenenslingen. Dort dürfen die Gemeinde und Eigentümer der insgesamt zwei Hektar Fläche am Holzbach unter anderem gewisse Biberdämme beseitigen. Spannenkrebs betont auch, dass der Biber zwei Gesichter habe: Er sei das einzige Tier, dass aufgrund seiner Lebensweise einen erheblichen Beitrag zur Artenvielfalt leiste. Andererseits sei er auf eine Weise dickköpfig, aktiv und fleißig, die auf den Menschen mitunter chaotisch wirke.
Überall im Kreisgebiet hat sich der Biber in den vergangenen zwölf Jahren breitgemacht und wanderte einst über die Donau nach BadenWürttemberg ein. In Riedlingen und den umliegenden Gemeinden sind zunehmend Spuren des Bibers in diesen eher milden Wintermonaten zu sehen, denn wenn kein Frost herrscht, bleibt der nachtaktive Biber nicht in seiner Burg, sondern sucht für sich und seine Sippe Nahrung: Baumrinde und Zweige sind für den Vegetarier schmackhaft. Davon
braucht er mehrere Kilogramm täglich. Experten vermuten, dass derzeit rund 1000 Biber im Landkreis Biberach leben.
Auch wenn angefressene Bäume die sichtbarsten Schäden sind, die Biber verursachen, so ist das Lebewesen mitunter verantwortlich für deutlich größere Probleme: angenagte Strommasten, unterhöhlte Bahnlinien und Straßen, wie am Rotenbach bei Neufra, gefährden die Sicherheit von Menschen. Unterhöhlte landwirtschaftliche Flächen können Landmaschinen schädigen, aufgestaute Gewässer behindern nicht nur die Wassergewinnung der Kommune am Holzbach in Langenenslingen, sondern verstopfen die Vorflutleitungen anliegender Grundstücke, beispielsweise in Dürnau am Kanzacher Bach (Bericht folgt). Das alles kostet viel Geld. „Das ufert inzwischen aus. Die Gemeinde muss inzwischen regelmäßig Biberdämme entfernen, um den Bach im Fluss zu halten. Aber der Biber baut die Dämme immer wieder auf. Das hat uns bereits Zehntausende Euros gekostet. Mein Eindruck ist, dass hier schon eine Überpopulation von Bibern gibt. Das muss reguliert werden“, sagt der Langenenslinger Bürgermeister Andreas Schneider. „Wir verzeichnen mehr Schäden durch Biber im Bereich der Landwirtschaft. Abgesehen von kleinere Mengen Verlust auf Mais, der vom Biber im Sommer gefressen wird, sind Maschinenschäden in Flussufer-Bereichen zu verzeichnen“, sagt Karl Endriß, stellvertretender Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Biberach-Sigmaringen.
Davon weiß Andreas Häberle ein Lied zu singen. Als er im vergangenen Jahr mit seinem Traktor die Wiese am Holzbach, jenseits des Bachs und Grundstücks von Arthur Boos, mähte, brach sein Gefährt in eine Biber-Unterhöhlung ein. Bis zur Achse saß er im Grund fest. „Das ganze lief glimpflich ab, denn ich konnte den Traktor mit einer anderen Maschine abschleppen. Aber der Traktor hätte auch ohne Weiteres in den Bach kippen können.“