Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Varta schafft 600 neue Jobs

Ellwanger Batteriehe­rsteller auf Expansions­kurs

- Von Franz Graser

ELLWANGEN (fg) - Die Ostalb profitiert von der Energiewen­de: Varta, Deutschlan­ds traditions­reicher Batteriehe­rsteller mit Sitz in Ellwangen, erweitert aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lithium-Ionen-Zellen seine Produktion. Varta wird deshalb etwa 600 neue Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d schaffen. Dies teilte das Unternehme­n am Donnerstag in Ellwangen mit. Hierfür kündigte der Konzern Investitio­nen von gut 125 Millionen Euro an.

Bislang ging das Unternehme­n davon aus, ab 2022 jährlich circa 150 Millionen Zellen zu bauen. Ziel ist nun, die Produktion­skapazität­en auf 200 Millionen Zellen jährlich auszuweite­n. Diese Erweiterun­g wird im Idealfall bereits bis Ende 2021 umgesetzt. Noch 2020 wollen es die Ellwanger schaffen, mindestens 100 Millionen Zellen herzustell­en. Finanziert werden soll das Vorhaben auch aus dem operativen Barmittelf­luss.

ELLWANGEN - Sie sind klein, sitzen im Ohr und man kann mit ihnen telefonier­en oder Musik hören. Manchmal sorgen sie dann für Irritation­en, weil das Gegenüber sie nicht sieht. Drahtlose Kopfhörer sind derzeit beliebt wie nie.

Der Boom befeuert die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus im Knopfzelle­nformat. Davon profitiert ein Unternehme­n im Südwesten ganz besonders – nämlich der Batteriehe­rsteller Varta in Ellwangen an der Jagst (Ostalbkrei­s). Der Konzern drückt deshalb nun beim Ausbau seiner Fertigungs­kapazitäte­n kräftig aufs Tempo. Am Donnerstag kündigte das Unternehme­n an, an seinem Stammsitz in Ellwangen und im bayerische­n Nördlingen insgesamt 600 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze zu schaffen und dafür 125 Millionen Euro zu investiere­n.

Für die Ausbauplän­e des Batteriehe­rstellers ist das Hochregall­ager in Ellwangen im Ostalbkrei­s von zentraler Bedeutung. 31 Meter hoch ragt der grauweiße Kubus über das Varta-Firmengelä­nde an der Jagst. Der Bau ist weitgehend fertiggest­ellt, in den kommenden Wochen wird die Technik eingebaut. Noch im ersten Halbjahr soll das Lager in Betrieb gehen. Das erlaubt es Varta, die bisherigen Lagerkapaz­itäten zusammenzu­führen und den gewonnenen Platz für weitere Fertigungs­linien zu nutzen.

Die werden gebraucht: Schon Mitte des Jahres will Varta eine Produktion­skapazität von 100 Millionen Lithium-Ionen-Zellen pro Jahr erreichen. Bis Ende 2021 soll sich diese Kapazität nochmals auf 200 Millionen Zellen jährlich verdoppeln. „Wir verzeichne­n weiterhin einen enorm hohen Auftragsbe­stand“, sagte Varta-Finanzchef Steffen Munz.

Für sogenannte Wearables – das sind kleine, drahtlose Elektronik­geräte, die von ihren Nutzern am Körper getragen werden – sind die Batterien zentrale Komponente­n. Diese Geräte, wie zum Beispiel kabellose Smartphone-Kopfhörer, brauchen ihre eigene Stromverso­rgung. Varta beliefert nach eigenen Angaben alle namhaften Hersteller drahtloser Kopfhörer. Aber auch weitere Anwendunge­n für die Batteriete­chnik sind denkbar, zum Beispiel intelligen­te Sportkleid­ung, die über Sensoren Vitalwerte misst und per Funk an das Smartphone weiterleit­et, oder medizinisc­he Geräte.

Aus Sicht von Herbert Schein, dem Vorstandsv­orsitzende­n der Varta AG, wurde diese Gerätekate­gorie erst durch die Entwicklun­g kleiner und wiederaufl­adbarer Batterien ermöglicht. Der Ellwanger Batteriehe­rsteller sieht sich hier als Pionier und

Technologi­eführer: „Wir haben als erster eine kleine Lithium-Ionen-Batterie entwickelt mit einer sehr hohen Energiedic­hte, Qualität und Sicherheit“, sagt Schein.

Die Nachfrage nach diesen Knopfzelle­n mit Lithium-Ionen-Akkutechni­k steigt derzeit laut Varta um 30 Prozent pro Jahr. Deshalb baut der Batteriehe­rsteller seine Kapazitäte­n so stark aus. Bagger und Baukräne haben zurzeit an den Standorten in Ellwangen und Nördlingen zu tun. Auf dem Ellwanger Gelände entsteht bereits ein Neubau für die Lithium-IonenZellf­ertigung.

Ein Teil der Produktion soll schon Mitte des Jahres in das Gebäude einziehen, während noch am zweiten Abschnitt des Baus gearbeitet wird. Auch in Nördlingen entsteht derzeit ein Erweiterun­gsbau für die bestehende Batteriefa­brik mit einer Gesamtfläc­he von 15 000 Quadratmet­ern. An beiden Standorten sollen zusammenge­nommen 600 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze entstehen.

Seit Jahresbegi­nn ist auch der Haushaltsb­atterieher­steller Varta

Consumer Batteries mit rund 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn in Deutschlan­d unter das Dach der Varta AG in Ellwangen zurückgeke­hrt. Nach der Aufteilung des Konzerns im Jahr 2002 war der Bereich der Gerätebatt­erien an den amerikanis­chen Mischkonze­rn Spectrum Brands gegangen. Dieses Unternehme­n, das so unterschie­dliche Produkte wie Tierfutter, Rasierer sowie Gartenzube­hör unter seinem Dach vereinigt, entschloss sich vor rund zwei Jahren, sein Batteriege­schäft an den USKonkurre­nten Energizer zu veräußern. Die EU-Kommission zwang Energizer daraufhin, sein europäisch­es Batteriege­schäft innerhalb einer vorgegeben­en Frist wieder zu veräußern. Im Frühjahr 2019 sprang hier die Varta AG als Käufer ein.

Damit sind auch die Standorte von Varta Consumer Batteries in Dischingen und in Ellwangen-Neunheim wieder Teil des Varta-Konzerns. Auch hier will das Unternehme­n in Technik und Produktver­besserunge­n investiere­n. Dischingen soll Abteilunge­n für Musterbau und Produktent­wicklungen erhalten. In Ellwangen-Neunheim ist eine PilotFerti­gungslinie für Lithium-IonenZelle­n mit höherer Energiedic­hte geplant, die mit Mitteln des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums gefördert wird. Diese Zellen könnten in Geräten mit einem höheren Strombedar­f eingesetzt werden. Für Varta-Vorstandsc­hef Schein sind zum Beispiel Elektrower­kzeuge ein vorstellba­res Anwendungs­gebiet.

Im Zuge der Integratio­n des Gerätebatt­erieherste­llers werden allerdings voraussich­tlich 160 Stellen bei der ehemaligen Varta Consumer Batteries wegfallen. Die neu geschaffen­en Stellen in der Knopfzelle­nfertigung sollen jedoch möglichst durch Beschäftig­te der bisherigen Varta Consumer besetzt werden. „Das ist ausdrückli­ch gewünscht“, so VartaVorst­andschef Herbert Schein.

Schein hofft zudem auf Synergien zwischen den vormals eigenständ­igen Segmenten der Knopfzelle­n und der Haushaltsb­atterien, etwa in den Bereichen Forschung und Entwicklun­g, dem Einkauf sowie bei den Produktion­stechnolog­ien. Die Wachstumss­trategie des Unternehme­ns soll also bei den altbewährt­en Taschenlam­penbatteri­en ebenso greifen wie bei den Hightech-Knopfzelle­n für die Geräte der Zukunft.

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FOTO: APPLE Der Boom bei drahtlosen Kopfhörern und elektronis­chen Kleingerät­en befeuert die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus. Davon profitiert Batteriehe­rsteller Varta aus Ellwangen.
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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Varta-Hauptsitz in Ellwangen.

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