Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Varta schafft 600 neue Jobs
Ellwanger Batteriehersteller auf Expansionskurs
ELLWANGEN (fg) - Die Ostalb profitiert von der Energiewende: Varta, Deutschlands traditionsreicher Batteriehersteller mit Sitz in Ellwangen, erweitert aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lithium-Ionen-Zellen seine Produktion. Varta wird deshalb etwa 600 neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Dies teilte das Unternehmen am Donnerstag in Ellwangen mit. Hierfür kündigte der Konzern Investitionen von gut 125 Millionen Euro an.
Bislang ging das Unternehmen davon aus, ab 2022 jährlich circa 150 Millionen Zellen zu bauen. Ziel ist nun, die Produktionskapazitäten auf 200 Millionen Zellen jährlich auszuweiten. Diese Erweiterung wird im Idealfall bereits bis Ende 2021 umgesetzt. Noch 2020 wollen es die Ellwanger schaffen, mindestens 100 Millionen Zellen herzustellen. Finanziert werden soll das Vorhaben auch aus dem operativen Barmittelfluss.
ELLWANGEN - Sie sind klein, sitzen im Ohr und man kann mit ihnen telefonieren oder Musik hören. Manchmal sorgen sie dann für Irritationen, weil das Gegenüber sie nicht sieht. Drahtlose Kopfhörer sind derzeit beliebt wie nie.
Der Boom befeuert die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus im Knopfzellenformat. Davon profitiert ein Unternehmen im Südwesten ganz besonders – nämlich der Batteriehersteller Varta in Ellwangen an der Jagst (Ostalbkreis). Der Konzern drückt deshalb nun beim Ausbau seiner Fertigungskapazitäten kräftig aufs Tempo. Am Donnerstag kündigte das Unternehmen an, an seinem Stammsitz in Ellwangen und im bayerischen Nördlingen insgesamt 600 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und dafür 125 Millionen Euro zu investieren.
Für die Ausbaupläne des Batterieherstellers ist das Hochregallager in Ellwangen im Ostalbkreis von zentraler Bedeutung. 31 Meter hoch ragt der grauweiße Kubus über das Varta-Firmengelände an der Jagst. Der Bau ist weitgehend fertiggestellt, in den kommenden Wochen wird die Technik eingebaut. Noch im ersten Halbjahr soll das Lager in Betrieb gehen. Das erlaubt es Varta, die bisherigen Lagerkapazitäten zusammenzuführen und den gewonnenen Platz für weitere Fertigungslinien zu nutzen.
Die werden gebraucht: Schon Mitte des Jahres will Varta eine Produktionskapazität von 100 Millionen Lithium-Ionen-Zellen pro Jahr erreichen. Bis Ende 2021 soll sich diese Kapazität nochmals auf 200 Millionen Zellen jährlich verdoppeln. „Wir verzeichnen weiterhin einen enorm hohen Auftragsbestand“, sagte Varta-Finanzchef Steffen Munz.
Für sogenannte Wearables – das sind kleine, drahtlose Elektronikgeräte, die von ihren Nutzern am Körper getragen werden – sind die Batterien zentrale Komponenten. Diese Geräte, wie zum Beispiel kabellose Smartphone-Kopfhörer, brauchen ihre eigene Stromversorgung. Varta beliefert nach eigenen Angaben alle namhaften Hersteller drahtloser Kopfhörer. Aber auch weitere Anwendungen für die Batterietechnik sind denkbar, zum Beispiel intelligente Sportkleidung, die über Sensoren Vitalwerte misst und per Funk an das Smartphone weiterleitet, oder medizinische Geräte.
Aus Sicht von Herbert Schein, dem Vorstandsvorsitzenden der Varta AG, wurde diese Gerätekategorie erst durch die Entwicklung kleiner und wiederaufladbarer Batterien ermöglicht. Der Ellwanger Batteriehersteller sieht sich hier als Pionier und
Technologieführer: „Wir haben als erster eine kleine Lithium-Ionen-Batterie entwickelt mit einer sehr hohen Energiedichte, Qualität und Sicherheit“, sagt Schein.
Die Nachfrage nach diesen Knopfzellen mit Lithium-Ionen-Akkutechnik steigt derzeit laut Varta um 30 Prozent pro Jahr. Deshalb baut der Batteriehersteller seine Kapazitäten so stark aus. Bagger und Baukräne haben zurzeit an den Standorten in Ellwangen und Nördlingen zu tun. Auf dem Ellwanger Gelände entsteht bereits ein Neubau für die Lithium-IonenZellfertigung.
Ein Teil der Produktion soll schon Mitte des Jahres in das Gebäude einziehen, während noch am zweiten Abschnitt des Baus gearbeitet wird. Auch in Nördlingen entsteht derzeit ein Erweiterungsbau für die bestehende Batteriefabrik mit einer Gesamtfläche von 15 000 Quadratmetern. An beiden Standorten sollen zusammengenommen 600 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.
Seit Jahresbeginn ist auch der Haushaltsbatteriehersteller Varta
Consumer Batteries mit rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland unter das Dach der Varta AG in Ellwangen zurückgekehrt. Nach der Aufteilung des Konzerns im Jahr 2002 war der Bereich der Gerätebatterien an den amerikanischen Mischkonzern Spectrum Brands gegangen. Dieses Unternehmen, das so unterschiedliche Produkte wie Tierfutter, Rasierer sowie Gartenzubehör unter seinem Dach vereinigt, entschloss sich vor rund zwei Jahren, sein Batteriegeschäft an den USKonkurrenten Energizer zu veräußern. Die EU-Kommission zwang Energizer daraufhin, sein europäisches Batteriegeschäft innerhalb einer vorgegebenen Frist wieder zu veräußern. Im Frühjahr 2019 sprang hier die Varta AG als Käufer ein.
Damit sind auch die Standorte von Varta Consumer Batteries in Dischingen und in Ellwangen-Neunheim wieder Teil des Varta-Konzerns. Auch hier will das Unternehmen in Technik und Produktverbesserungen investieren. Dischingen soll Abteilungen für Musterbau und Produktentwicklungen erhalten. In Ellwangen-Neunheim ist eine PilotFertigungslinie für Lithium-IonenZellen mit höherer Energiedichte geplant, die mit Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert wird. Diese Zellen könnten in Geräten mit einem höheren Strombedarf eingesetzt werden. Für Varta-Vorstandschef Schein sind zum Beispiel Elektrowerkzeuge ein vorstellbares Anwendungsgebiet.
Im Zuge der Integration des Gerätebatterieherstellers werden allerdings voraussichtlich 160 Stellen bei der ehemaligen Varta Consumer Batteries wegfallen. Die neu geschaffenen Stellen in der Knopfzellenfertigung sollen jedoch möglichst durch Beschäftigte der bisherigen Varta Consumer besetzt werden. „Das ist ausdrücklich gewünscht“, so VartaVorstandschef Herbert Schein.
Schein hofft zudem auf Synergien zwischen den vormals eigenständigen Segmenten der Knopfzellen und der Haushaltsbatterien, etwa in den Bereichen Forschung und Entwicklung, dem Einkauf sowie bei den Produktionstechnologien. Die Wachstumsstrategie des Unternehmens soll also bei den altbewährten Taschenlampenbatterien ebenso greifen wie bei den Hightech-Knopfzellen für die Geräte der Zukunft.