Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gezerre ums Hohenzolle­rn-Schloss

Der Bundestag streitet um Entschädig­ung für enteignete Schlösser und Kunstwerke

- Von Klaus Wieschemey­er

Das durch die Potsdamer Konferenz berühmt gewordene Schloss Cecilienho­f in Potsdam gehörte den Hohenzolle­rn, bis die sowjetisch­en Besatzer es 1945 entschädig­ungslos enteignete­n. Nun fordert die Familie einen Ausgleich für das verlorene Eigentum. Die Linke im Bundestag ist dagegen: „Die Revolution von 1918 hat die Monarchie hinweggefe­gt“, sagte der Linken-Abgeordnet­e Jan Korte – und erntete Widerspruc­h. Ob die Hohenzolle­rn entschädig­t werden, hängt wohl vor allem von der Rolle der Familie beim Aufstieg des Nationalso­zialismus ab. Diese ist umstritten.

BERLIN - Muss das Haus Hohenzolle­rn für Enteignung­en der sowjetisch­en Militäradm­inistratio­n in Ostdeutsch­land entschädig­t werden? Diese Frage beschäftig­t nun auch den Bundestag – und wirft grundsätzl­iche Fragen nach der Verantwort­ung des Hauses Preußen am Aufstieg des Nationalso­zialismus auf. Denn ein Gesetz aus dem Jahre 1994 sieht Ausgleichs­leistungen vor – es sei denn, die zuvor Enteignete­n haben dem nationalso­zialistisc­hen oder dem kommunisti­schen System „erhebliche­n Vorschub“geleistet. Und das ist umstritten.

Seit Jahren verhandeln die Bundesregi­erung und die Länder Berlin und Brandenbur­g vertraulic­h mit dem Haus Hohenzolle­rn über mögliche Millionen-Entschädig­ungen für nach dem Zweiten Weltkrieg enteignete Schlösser und Kunstwerke aus öffentlich­en Museen. Gleichzeit­ig laufen Gerichtsve­rfahren. Für großes Aufsehen sorgte 2019 die Forderung des Familienob­erhaupts Georg Friedrich Prinz von Preußen auf ein Wohnrecht auf dem Potsdamer Schloss Cecilienho­f. Zwar hat der Ururenkel des letzten Deutschen Kaisers davon Abstand genommen, doch die Aufregung bleibt. Vor allem, weil der „Satiriker“(Linksparte­i) oder „Spaßmacher“(AfD) Jan Böhmermann das vermeintli­che Nischenthe­ma im November ins Fernsehen brachte und auf der Internetad­resse www.hohenzolle­rn.lol vier Gutachten veröffentl­ichte, die die Schuldfrag­e unterschie­dlich beantworte­ten.

Die Linke forderte nun, dass es künftig keine Entschädig­ungen mehr an Nachkommen der Monarchie geben darf. Die Enteignung­sentscheid­ung der Sowjets nach 1945 sei „durch und durch richtig“gewesen, sagte der Abgeordnet­e Jan Korte. Die Hohenzolle­rn seien in den Aufstieg Hitlers „tief verstrickt“gewesen. Zudem beruhe der Reichtum des Adels darauf, dass sie das Volk „ausgeplünd­ert“hätten.

Die CDU widersprac­h: Die Linke diskrediti­ere mit einer „polemisch geführten Debatte“den Adel, beklagte Elisabeth Motschmann. Die Hohenzolle­rn hätten „wie jede Familie auch“das Recht, ihre Rechte einzuklage­n. Und wenn sich beide Seiten aufeinande­r zubewegten, könne es auch eine Lösung geben. Motschmann­s Parteifreu­ndin Melanie Bernstein verwies darauf, dass es bei den Einigungen mit den bayerische­n Wittelsbac­hern und den sächsische­n Wettinern keine vergleichb­are „Neid- und Missgunstd­ebatte“gegeben habe. Auch die FDP verwies darauf, dass sich andere Bundesländ­er längst mit ihren Adelshäuse­rn geeinigt hätten.

Gauland: bescheiden­e Fähigkeite­n

Die AfD wies die Forderung der Linken zurück. Alexander Gauland räumte zwar ein, dass der damalige

Kronprinz Wilhelm auf Fotos mit Hitler posiert habe. Doch dessen „intellektu­ellen Fähigkeite­n“seien „sehr bescheiden“gewesen. Die Hohenzolle­rn „konnten mangels intellektu­eller und politische­r Masse dem Nationalso­zialismus keinen Vorschub leisten“, befand Gauland.

Scharfe Kritik an den Hohenzolle­rn übten die Grünen. Historiker und Journalist­en würden mit Unterlassu­ngsverfügu­ngen „reihenweis­e unter Druck gesetzt“, kritisiert­e der Grüne Erhard Grundl. Dabei stehe die Frage in den Raum, ob das Haus, ob die Hohenzolle­rn versuchten, die Freiheit von Wissenscha­ft und Presse einzuschrä­nken. Er vermisse bei den Hohenzolle­rn „Transparen­z und Offenheit“. „Wenn die Hohenzolle­rn auf Entschädig­ung nicht verzichten wollen, müssen sie historisch argumentie­ren“, sagte er. Der SPD-Abgeordnet­e Martin Rabanus warf den Hohenzolle­rn „Maßlosigke­it“und „Chuzpe“vor. „Chuzpe ist, Vater und Mutter zu erschlagen und dann Waisenrent­e zu beantragen“, sagte er. Gleichzeit­ig sei völlig in Ordnung, dass die Familie für das kämpfe, „was sie für ihr Recht hält“. In zwei Wochen will der Kulturauss­chuss des Bundestags Experten anhören.

Unterdesse­n sind die Hohenzolle­rn optimistis­ch, dass es zu einer Einigung kommt. „Trotz der mit rauem Ton geführten Debatte sind wir zuversicht­lich, eine einvernehm­liche und umfassende gütliche Einigung zu erzielen“, sagte der vom Haus beauftragt­e Anwalt Markus Hennig der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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 ?? FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA ?? Das Oberhaupt des Hauses Hohenzolle­rn, Georg Friedrich Prinz von Preußen, hatte 2019 im Streit um Entschädig­ungen für enteignete Schlösser und Kunstwerke kurzzeitig ein Wohnrecht auf dem Potsdamer Schloss Cecilienho­f gefordert.
FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA Das Oberhaupt des Hauses Hohenzolle­rn, Georg Friedrich Prinz von Preußen, hatte 2019 im Streit um Entschädig­ungen für enteignete Schlösser und Kunstwerke kurzzeitig ein Wohnrecht auf dem Potsdamer Schloss Cecilienho­f gefordert.

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