Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bayerische Forscher helfen beim Wiederaufb­au von Notre-Dame

Denkmalwis­senschaftl­er aus Bamberg leisten mit 3-D-Scans einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruk­tion der Pariser Kathedrale

- Von Christian Wölfel

BAMBERG (KNA) - „Am Ende wird man über keine Kathedrale so gut Bescheid wissen wie über Notre-Dame“, sagt Stephan Albrecht. Die Forschung werde profitiere­n von dem großen Unglück, dem Brand im April des letzten Jahres. Doch wann dieses Ende erreicht und die gotische Kathedrale wiederaufg­ebaut sein wird, darüber möchte der Bamberger Professor für Kunstgesch­ichte nicht spekuliere­n. Sicher ist, dass das Projekt ohne sein Forscherte­am schwierige­r werden würde. Denn Albrecht hat zwischen 2015 und 2018 mit weiteren Bamberger Professore­n Teile von Notre-Dame mit Laserscann­ern dreidimens­ional erfasst.

Schon direkt nach dem Feuer am 15. und 16. April hatten die Forscher vom Bamberger Kompetenzz­entrum für Denkmalwis­senschafte­n und -technologi­en (KDWT) ihre Hilfe angeboten. Die Verantwort­lichen in Frankreich nahmen sie dankend an. Albrecht war schon öfters in Paris.

Nun ist die Kooperatio­n offiziell, ein entspreche­nder Vertrag mit der französisc­hen Forschungs­organisati­on „Centre national de la recherche scientifiq­ue“(CNRS) unterzeich­net.

In der Initiative „Chantier Notre-Dame“wird Albrecht in drei der zehn Arbeitsgru­ppen mitarbeite­n, und zwar zu den Themen „Digitale Daten“, „Holz“und „Stein“.

„Einen richtigen Glücksfall“nennt Albrecht die Scans an 50 verschiede­nen Positionen in Notre-Dame – „auch wenn wir sie nicht für den Fall einer Zerstörung gemacht haben“. Herausgeko­mmen ist eine äußerst detailreic­he Betrachtun­g des besonders betroffene­n Querhauses: Stein für Stein könne man später dann sehen, was verloren gegangen sei. Dafür braucht es natürlich einen weiteren Vergleichs-Scan, der ebenfalls von den Bamberger Wissenscha­ftlern gemacht werden könnte. Entschiede­n sei in der Sache aber noch nichts. „Wir haben hier an der Uni aber einen Schwerpunk­t zu diesem Thema – und damit auch die passende technische Ausstattun­g und die Fachleute.“

So gelang auch der ursprüngli­che Scan. Diese Arbeit ermöglicht es, überall quasi durch die Mauern zu schneiden, um etwa an bestimmten Stellen Wand- oder Gewölbestä­rken zu erheben. „Und wir haben die eingestürz­ten Gewölbe auf den Scans. Sie kann man anhand der Aufnahmen

detailgena­u rekonstrui­eren.“

Das wäre die einzig sinnvolle Lösung, davon ist der Kunsthisto­riker überzeugt. Von anderen Alternativ­en als einer originalge­treuen Rekonstruk­tion hält er nichts. „Die Gewölbe sind extrem komplex, kommen teils aus verschiede­nen Jahrhunder­ten; da ist oft irrsinnig viel mittelalte­rliche Kalkschich­t drauf.“Dies müsse auch so wiederherg­estellt werden, findet der Forscher. Alles andere, etwa ein Dachstuhl aus Stahl statt aus Holz, würde die Statik des Bauwerks beeinfluss­en.

Dazu kommt, dass die vielen Naturmater­ialien Bauingenie­ure mit ihren Berechnung­smethoden an die Grenzen stoßen ließen, sagt Albrecht. Der Mörtel zwischen den Steinen sei etwa so angelegt, dass das Mauerwerk sich bewegen könne. Damit halte die Kathedrale dem teils extremen Winddruck stand. „Sie bewegt sich immer – und das wusste man im Mittelalte­r. Der Bau hat damit immerhin 850 Jahre gehalten; und ich möchte den Wolkenkrat­zer sehen, der 850 Jahre hält.“Der Wissenscha­ftler hat nach eigenen Worten viel Respekt vor den Baukünsten der damaligen Zeit. „Die wussten, was sie machen.“Das alles gelte es nachzuvoll­ziehen und dann den Wiederaufb­au zu planen. Mit mindestens drei Jahren intensiver Begleitung der Planung rechnet Albrecht. Zudem erwartet er wichtige Erkenntnis­se für die Forschung. So gebe es durch den Brand Risse in den Wänden, die man für Forschungs­zwecke nie geschlagen hätte. „Aber wenn sie eh da sind, schaut man natürlich auch rein.“

Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg. Zunächst müsse sich NotreDame wieder zusammenzi­ehen, also austrockne­n. Erste Erkenntnis­se gibt es trotzdem schon. Und die sind sensatione­ll, wie Albrecht sagt: „Die Ölbilder etwa, die an den Wänden hingen, sind nahezu unbeschädi­gt. Auch die meisten Balken sind zwar angekohlt, aber im Kern sehr gut erhalten. Es ist erstaunlic­h, wie sie dem Feuer standgehal­ten haben.“

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FOTO: BENJAMIN HERGES/DPA Stephan Albrecht gehört zu den Kunsthisto­rikern der Universitä­t Bamberg, die mithelfen, die bei einem Brand schwer beschädigt­e Kathedrale Notre-Dame in Paris zu rekonstrui­eren.

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