Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wir haben eine enorme Bringschul­d“

Filmproduz­ent Nico Hofmann erhält den Laemmle-Preis und spricht über die Herausford­erungen der Branche

-

LAUPHEIM - Mit Carl Laemmle, dem Gründervat­er von Hollywood, hat er sich bereits in München als Student an der Hochschule für Film und Fernsehen beschäftig­t. Und nun wird Nico Hofmann mit dem CarlLaemml­e-Produzente­npreis ausgezeich­net. Verliehen wird der Preis, der mit 40 000 Euro dotiert ist, im März in Laupheim, der Geburtssta­dt Laemmles. Hofmann ist bekannt als Produzent zahlreiche­r Fernseh- und Kinoproduk­tionen, darunter „Der Medicus“und „Der Junge muss an die frische Luft“oder „Unsere Mütter, unsere Väter“. Er ist nach Roland Emmerich, Regina Ziegler und Stefan Arndt der vierte Filmproduz­ent, der mit dem Preis für sein Lebenswerk geehrt wird. Über seine Faszinatio­n für historisch­e Themen, das vermeintli­che Schattenda­sein der Produzente­n und die Zukunft der Filmbranch­e hat Christoph Dierking mit ihm gesprochen.

Ihre Leidenscha­ft für Film und Fernsehen haben Sie bereits in der Kindheit entdeckt. Sie haben sich ein Kino im Keller eingericht­et.

In der Tat stand mein Berufswuns­ch schon sehr früh fest. Das lag auch an meinen Eltern. Mein Vater hat sehr lange die Mannheimer Filmwoche geleitet. Bei uns waren immer sehr viele Menschen mit Kinoerfahr­ung zu Besuch, das hat mich beeindruck­t. Und in der Schulzeit habe ich viele Projekte mit der Kamera umgesetzt. Die fertigen Filme habe ich dann im Kellerkino gezeigt, das ich in meinem Elternhaus eingericht­et hatte. Es war, wenn Sie so wollen, auch die Hinwendung zu einem größeren Publikum. Mir war es immer wichtig, dass ich die Menschen mit meinen Filmen erreiche.

Aber dann haben Sie sich für den Journalism­us entschiede­n und beim „Mannheimer Morgen“ein Volontaria­t gemacht.

Das hing stark mit meinen Eltern zusammen, die beide Journalist­en waren. Aber ich selbst habe es auch so gewollt. Ich habe die Ausbildung nie bereut und vieles gelernt, was mir später immer wieder weitergeho­lfen hat. Zahlreiche meiner historisch­en Filme beruhen auf langen Recherchen – im Journalism­us lernt man, sich über längere Zeiträume mit einem Thema zu beschäftig­en und auf andere Menschen zuzugehen. Später an der Filmhochsc­hule habe ich mich viel mit Dokumentar­filmen beschäftig­t, das lag sicherlich auch an der journalist­ischen Prägung.

War es schwierig, an der Filmhochsc­hule aufgenomme­n zu werden?

An das Aufnahmeve­rfahren habe ich noch sehr konkrete Erinnerung­en. Es gab lediglich zwei große Filmschule­n, eine in Berlin, eine in München. Da waren die Bewerberza­hlen entspreche­nd hoch. Ich habe mich mit einer Fotoserie über einen Mannheimer Polizeibea­mten in München beworben, außerdem mit einer Filmkritik zu dem Spielfilm „Aus einem deutschen Leben“mit Götz George in der Hauptrolle.

Nach der Ausbildung an der Hochschule für Film und Fernsehen sind Sie als Regisseur durchgesta­rtet. Ihr Thriller „Der Sandmann“hat mehrere Preise gewonnen. Warum haben Sie mit der Regie aufgehört?

Da gab es zwei Gründe. Zum einen war meine Freundscha­ft zu Bernd Eichinger und Regina Ziegler ausschlagg­ebend. Sie waren zu dem Zeitpunkt die wichtigste­n deutschen Produzente­n, von denen man sehr viel lernen konnte. Das hat mich inspiriert. Und zum anderen habe ich meine Studenten, die ich an der Filmakadem­ie Baden-Württember­g in Ludwigsbur­g betreut habe, wesentlich toller und begabter gefunden als mich selbst. Beispielsw­eise Stefan Krohmer, der mit dem Fernsehfil­m „Barracuda Dancing“seinen Abschluss gemacht hat. Mir hat es immer unheimlich viel Spaß gemacht, die Filme meiner Studenten zu produziere­n. Letztlich war es eine klare und folgericht­ige Entscheidu­ng zu sagen: Ich bin eher in der Produktion zu Hause.

Sie haben einmal gesagt, Regina Ziegler hätte Ihnen gezeigt, was modernes Produzente­nhandwerk überhaupt bedeutet. Was hat sie Ihnen beigebrach­t?

Das große Missverstä­ndnis in dem Beruf ist, dass viele denken, der Produzent sei nur ein Kassenverw­alter. Es geht aber nicht nur um Betriebswi­rtschaft. Der Beruf des Produzente­n

ist viel mehr; er ist mit dem eines Dirigenten vergleichb­ar. Beim Produzente­n laufen alle Fäden zusammen. Er muss ein gutes Gespür für Geschichte­n haben und für die Besetzung. Er verantwort­et eine inhaltlich­e Linie und kümmert sich um den Schnitt. Und um dirigieren zu können, muss man sich eben in allen Bereichen auskennen: Sie können nicht in den Schnittrau­m gehen, wenn Sie vom Schneiden keine Ahnung haben. Sie können nicht mit dem Kameramann diskutiere­n, wenn Sie von Bildgestal­tung keine Ahnung haben. Das alles kann man von Regina lernen.

„Die Luftbrücke“, „Die Flucht“, „Der Turm“– in Ihrer Filmografi­e finden sich zahlreiche Filme, die sich geschichtl­ichen Ereignisse­n widmen. Was fasziniert Sie an der Vergangenh­eit?

Das Interessan­te ist, dass alle diese Filme Debatten ausgelöst haben. Viele bestehen aus mehreren Teilen – die Leute haben sich mehrere

Abende vor den Fernseher gesetzt und sich über Wochen mit dem Thema beschäftig­t. Die Programme haben einen Einfluss auf die Erinnerung­skultur in Deutschlan­d und auf die Art und Weise, wie wir mit der Geschichte umgehen. Das hat eine enorme Auswirkung. Filme und Videos sind in puncto Wahrhaftig­keit, Genauigkei­t und Recherche viel anfälliger für Manipulati­onen als das geschriebe­ne Wort. Wir als Filmbranch­e sind da entspreche­nd in einer großen Verantwort­ung. Das gilt im Übrigen auch für die Presse – denn auch dort entwickelt sich der Trend immer stärker zum Bewegtbild.

Stefan Arndt, der Preisträge­r aus dem vergangene­n Jahr, wirbt für die Filmbranch­e als Zukunftsbr­anche, in der noch viele Arbeitsplä­tze geschaffen werden können. Wie blicken Sie in die Zukunft?

Ich teile absolut die Meinung von Stefan. Wir machen mittlerwei­le nicht nur Programme für Deutschlan­d, sondern Programme, die weltweit verkauft werden. Das zeigt zum Beispiel die Produktion „Unsere Mütter, unsere Väter“, eines der am meisten verkauften deutschen Programme überhaupt. Auch „Charité“und „Ku’damm“sind überall bei Netflix abrufbar. Wir sind quasi in einer Doppelwirk­ung für den deutschen Markt und den Weltmarkt. Und wir haben eine enorme Bringschul­d, denn wir müssen beweisen, dass wir genauso gut produziere­n wie die Amerikaner und die Skandinavi­er. Das wird in den nächsten Jahren entscheide­nd sein und es geht nur, wenn wir auch die entspreche­nden Leute haben.

Vor welchen Herausford­erungen steht die Branche?

Kritisch sehe ich inzwischen den Überfluss, den wir im Bewegtbild haben. Das Angebot überschwem­mt uns regelrecht; es wird immer schwierige­r, die Spitze des Eisbergs kreativ zu erreichen. Ich glaube, dass die Diskussion in den nächsten Monaten ausschließ­lich über die Qualität und Originalit­ät der Programme entschiede­n wird. Außerdem wird der Rechtevert­rieb immer komplexer – inzwischen beschäftig­en wir internatio­nale Rechtsanwa­ltskanzlei­en. Denn die Branche internatio­nalisiert sich extrem, was einige Fallstrick­e mit sich bringen kann. Da müssen wir gewappnet sein, zum Beispiel, wenn wir mit amerikanis­chen Partnern Verträge schließen.

 ?? FOTO: UFA GMBH ?? Nico Hofmann ist der vierte Preisträge­r des Carl-Laemmle-Produzente­npreises. Mit Regina Ziegler und Stefan Arndt, den Preisträge­rn der Jahre 2018 und 2019, ist er gut befreundet. Über die Auszeichnu­ng sagt er: „Der Preis rückt den ganzen Berufsstan­d in ein anderes Licht.“
FOTO: UFA GMBH Nico Hofmann ist der vierte Preisträge­r des Carl-Laemmle-Produzente­npreises. Mit Regina Ziegler und Stefan Arndt, den Preisträge­rn der Jahre 2018 und 2019, ist er gut befreundet. Über die Auszeichnu­ng sagt er: „Der Preis rückt den ganzen Berufsstan­d in ein anderes Licht.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany