Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Sterntaufpaten gesucht!
Seht ihr unseren Stern dort stehen, helles Licht in dunkler Nacht? Noch letzte Woche haben es die Sternsinger gesungen. Und normalerweise strahlen Sterne ja auch hell am Himmel. Aber manchmal schwächeln sie. So häufen sich derzeit die Meldungen, dass ein sogenannter roter Überriese namens Beteigeuze auffällig geworden sei. Dieser Stern im Sternbild Orion mit dem tausendfachen Durchmesser der Sonne und der zehntausendfachen Leuchtkraft hat seit geraumer Zeit massiv an Helligkeit verloren. Wobei die Wissenschaftler noch nicht sicher sind, ob dies ein Indiz für eine bevorstehende Explosion ist oder ob der Verlust andere Ursachen hat.
Wir lassen sie weiterrätseln und wenden uns einer Frage zu, die hier nahe liegt: Was hat es mit diesem doch recht seltsamen Namen auf sich? Beteigeuze geht auf das arabische Yad al-gauza zurück, wobei das
B auf einem Übertragungsfehler beruht. Übersetzt wird es mit Hand der
Riesin. Schon vor 1000 Jahren kam der Stern zu diesem Namen, und wohl wegen dessen exotischen Reizes taucht Beteigeuze oder Betelgeuze auch in unzähligen Science-FictionRomanen und -Filmen auf – bis hin zur amüsanten Verballhornung als
Beetlejuice, wörtlich Käfersaft, in einem Tim-Burton-Streifen.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Die Benennung der Sterne durch die Jahrhunderte bis heute ist eine hochkomplexe Geschichte, geprägt von der Faszination des Menschen durch die Phänomene am Firmament. Dabei waren manche Kulturkreise besonders produktiv, was dem jeweiligen Wissensstand ihrer Astronomen entsprach. So spiegeln neben Beteigeuze
auch die Namen anderer Sterne mit ihren oft orientalisch-blumigen Umschreibungen die Bedeutung der mittelalterlichen Gelehrten aus dem Morgenland: Deneb (Schwanz der Henne), Enif (Nase des Pferdes), Altair (Fliegender Adler), Wega (Herabstoßender Adler), Algol (Kopf des Dämons) …
An diesem Algol erkennt man aber auch die gegenseitige Beeinflussung in der Gelehrtenwelt von der Antike an. Kopf des Dämons geht auf den griechischen Astronomen Ptolemäus zurück. Er benannte den Stern im Sternbild Perseus nach dem schrecklichen Schlangenhaupt, das der Held Perseus der bösen Gorgo abschlug. Überhaupt findet sich die ganze Perseus-Sage am Himmel: Weil die Königin Kassiopeia (ein Sternbild) den Gott Poseidon beleidigt hatte, sollte ihre Tochter Andromeda (ein Sternennebel) einem Meeresungeheuer zum Fraß vorgeworfen werden. Aber mit Hilfe des Gorgonenhauptes wurde es von Perseus getötet, der dann zum Lohn Andromeda freien durfte.
Damit nicht genug der griechischen Mythen über uns: Orion ist der antike Jäger, begleitet von seinen Hunden
Sirius, dem hellsten Stern am Nachthimmel, und Procyon, dem achthellsten. Canopus, der zweithellste, erinnert an den Steuermann des Königs Menelaos aus der Ilias, und Castor und Pollux waren die Brüder von dessen schöner Gemahlin Helena, die mit Paris durchbrannte und so den trojanischen Krieg auslöste.
Angesichts unseres beschränkten Platzes müssen wir es damit bewenden lassen. Im Internet kursieren lange Listen von Sternennamen zum Stöbern. Und täglich kommen neue Namen hinzu. Kein Wunder: Rund 3000 Sterne sind von der Erde aus am Nachthimmel sichtbar. Aber insgesamt wird ihre Zahl im Universum auf 30 Trilliarden geschätzt, eine Zahl mit 22 Nullen. Sterntaufpaten gesucht!
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