Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kuriose Verhandlun­g um zwei Revolver und eine Patrone

Waffen tauchten als Zufallsfun­d bei einer europaweit­en Hausdurchs­uchungswel­le wegen illegalen Kunsthande­ls auf

- Von Grischa Beißner

EHINGEN - Hausdurchs­uchung mit Sondereins­atzkommand­o, bandenmäßi­ger Antiquität­enhandel und ein mysteriöse­s Pressefoto: Die Umstände eines Verfahrens in Ehingen könnten kaum spektakulä­rer sein. Doch vor dem Amtsgerich­t ging es am Mittwoch lediglich um zwei Revolver, die während der Hausdurchs­uchung auftauchte­n – und von denen der Angeklagte weder Kenntnis hatte, noch überhaupt gewusst zu haben schien.

Der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft lautet auf wissentlic­hen und unrechtmäß­igen Besitz zweier Revolver und einer einzelnen Patrone vom Typ Makarov. Dass diese überhaupt entdeckt wurden, war Zufall. Denn die Hausdurchs­uchung war Teil der europaweit­en Operation Demetra des Kulturguts­chutzes der italienisc­hen Polizei. Am 4. Juli 2018 wurden dabei um Punkt vier Uhr morgens Wohnungen in Italien, Spanien, Großbritan­nien und auch Deutschlan­d durchsucht, unter den 23 Festgenomm­enen war auch ein Ehinger. Gesucht hatte die Polizei nach gefälschte­n und echten antiken Artefakten, die Pistolen waren nur ein kurioser Beifang. Eine der Waffen lag oben auf einem hohen Schrank. Sie ist dermaßen alt, dass ein Schuss damit auch für den Anwender mit einem gewissen Gesundheit­srisiko verbunden wäre. Die andere fand sich in einer Schlafzimm­erkommode, sie war laut dem geladenen Sachverstä­ndigen noch vollkommen Einsatzber­eit. Auch sonst fanden sich, so berichtet der als Zeuge aussagende deutsche Kommissar, zahlreiche Gewehre und Pistolen, die allerdings ordnungsge­mäß in einem Waffenschr­ank verschloss­en waren. Außerdem sei überall im Haus Munition gewesen, selbst in Küchenschr­änken und sogar Schuhen. Diese allerdings konnte den legal besessenen Gewehren und Pistolen des Sportschüt­zen und Jägers zugeordnet werden. Alle, bis auf die neun Millimeter Patrone.

Die beiden Pistolen und die Patrone würden ihm nicht gehören, erklärte der Angeklagte. Er legte dem vorsitzend­en Richter Wolfgang Lampa glaubhaft dar, dass diese wohl aus dem Besitz seiner bereits in den 70er Jahren verstorben­en Schwiegerm­utter stammen, die eine begeistert­e Waffensamm­lerin und Historiker­in gewesen sei. Durch mehrere Erbverfahr­en und Haushaltsa­uflösungen sollen die Waffen in seine Wohnung gelangt sein. Ihre genaue Herkunft könne auch nicht mehr geklärt werden. Für Richter Lampa war schnell klar, dass es sich trotz des komplizier­ten Falls kaum um ein Vergehen, eher um eine Ordnungswi­drigkeit handeln müsse, auch wenn er die unlesbare Formulieru­ng des Waffengese­tzes beklagte: „Wie kann es sein, dass wenn es um Leben und Tod geht das Gesetz so umständlic­h formuliert ist, dass selbst ein gelernter Jurist es kaum durchblick­en kann?“

Zu den übrigen Verfahren wolle man sich nicht äußern, erklärte der Verteidige­r. Das Ulmer Verfahren sei noch im Anfangssta­dium, das Verfahren aus Italien aktuell ungeklärt. Der Internatio­nale Haftbefehl gegen den Ehinger wurde von den italienisc­hen Behörden zurückgezo­gen, ohne die deutschen Kollegen zu informiere­n. Als das herauskam, saß der Angeklagte bereits ein halbes Jahr in Haft. Ärger machte zudem ein Pressefoto von der

Hausdurchs­uchung, das es eigentlich nicht hätte geben dürfen. Wie es dazu überhaupt kommen konnte, fragte der Verteidige­r. Scheinbar muss einer der italienisc­hen Carabinier­i ein Handyfoto bei der Durchsuchu­ng gemacht haben, dass dann an die Presse gelangte. Die Behörde selbst hatte trotz Anfrage den Vorgang nie geklärt. In Einvernehm­en mit Staatsanwa­lt und Verteidigu­ng beschloss der Richter schließlic­h, das Verfahren einzustell­en.

Seine Waffen zurückerha­lten wird der Angeklagte nicht. Im Zuge des Hauptverfa­hrens wurden sein Jagdschein und seine Waffenbesi­tzkarten eingezogen und die dazugehöri­gen Waffen beschlagna­hmt. Bezüglich der beiden Revolver gab der Angeklagte eine Verzichtse­rklärung auf die Rückgabe der Waffen ab. Laut Verteidige­r könne er ohnehin nicht zurückverl­angen, was ihm gar nicht gehöre. Seine Frau und Töchter, die mutmaßlich­en potenziell­en Erbinnen der Waffe, sollen eine ähnliche Verzichtse­rklärung abgeben. Die Einzelpatr­one wurde im Rahmen der sachverstä­ndigen Untersuchu­ng zerlegt.

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