Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Schön mit Kurven

Dicke Menschen zeigen im Internet neues Selbstbewu­sstsein – Bloggerin Caterina Pogorzelsk­i erzählt, was sie antreibt

- Von Caroline Bock

BERLIN (dpa) - Dicke kennen die Klischees. Sie sind der lustige Kumpeltyp, in schwarze Walle-Walle-Gewänder gehüllt, die die Fettpolste­r verstecken sollen. Sie sind die Zielscheib­e von Lästereien. An diesem Bild hat sich einiges geändert. Das lässt sich besonders gut im Internet beobachten. Dort sind auch in Deutschlan­d einige „Plus Size Influencer“unterwegs: Das sind Frauen und Männer, die als Blogger und Models mit neuem Selbstbewu­sstsein ihre Körper zeigen und zum Teil mit Mode und Werbebotsc­haften ihr Geld verdienen.

Früher hätte man „Übergröße“oder „mollige Typen“gesagt. Heute ist „curvy“ein Schlagwort, also kurvig. Ein anderes ist „Body Positivity“, die positive Einstellun­g zum eigenen Körper. Das hat schon der Seifenhers­teller „Dove“propagiert, als er vor einigen Jahren mit Frauen warb, die nicht wie dürre Models aussahen.

Wer heute mit „#plussize“bei Instagram sucht, findet Millionen Einträge, darunter den Beweis, dass es auch Bikinifigu­ren weit jenseits der Größe 40 und mit Riesenober­schenkeln gibt. Und klar, es ist wie immer im Netz: Nicht allen gefällt das.

Ein Blog heißt „Megabambi“. Er gehört der Berlinerin Caterina Pogorzelsk­i (38). Sie kommt in einem kurzen, tief ausgeschni­ttenen hellblauen Kleid zum Interview ins Café. Die Lippen und Nägel trägt sie rot, an den Beinen hat sie trotz Kälte keine Strumpfhos­e. „Mir ist immer warm.“Die Kategorie „curvy“braucht sie nicht, sie hat kein Problem damit, sich dick zu nennen. „Na, bin ich ja!“

Caterina Pogorzelsk­i erzählt von ihrem Leben als „Plus Size Influencer­in“. In ihrer Jugend war die Komikerin Hella von Sinnen für sie quasi die einzige dicke Promifrau in der Öffentlich­keit. Sie selbst bekam von ihrer Mutter ein gutes Selbstbewu­sstsein vermittelt. „Ich war schon immer sehr auffällig“, sagt sie.

Ihre Haltung: „Ich bin so, so sehe ich aus, und ich muss damit arbeiten.“Es lebe sich so viel leichter, wenn man sich selber gefalle. Was für sie bemerkensw­ert ist: Dass ein Fernsehsen­der ihren ganzen Körper zeigt oder wenn sie als Stylistin nicht nur dicken Menschen Tipps geben kann. Auch an so etwas kann sich der langsame Wandel in der Gesellscha­ft zeigen.

Caterina Pogorzelsk­i wurde mit Anfang 20 als Model entdeckt, sie besuchte eine Schauspiel­schule, wurde Bloggerin und Moderatori­n. In ihrem Podcast geht sie etwa der Frage nach, wie es sich als „Plus Size Frau“lebt.

Wie denn? „Wenn man weiß, wie man damit umzugehen hat, eigentlich tatsächlic­h sehr schön.“Was sie am meisten nervt? „Dass man jedem dicken Menschen unterstell­t, dass er den ganzen Tag nur Schokolade isst, sich nicht bewegt, nicht weiß, was gesunde Ernährung ist.“

Ihr Tipp für Frauen, die einen größeren Körper haben? „Stell dich vor den Spiegel. Schau dich an. Sei ehrlich mit dir. Finde die Teile an deinem Körper, die du magst, und mit denen fängst du an zu arbeiten. Unterstrei­ch sie mit deiner Kleidung.“

Pogorzelsk­i weiß, dass Instagram mit seinen gestylten und vermeintli­ch perfekten Frauen enormen Druck ausüben kann. Ihr Rat? „Abonniere Leute, die dir guttun.“Was sie an der Modebranch­e sieht: „Klar gibt es Mode in großen Größen, aber noch nicht genug.“In der Tendenz sei die Mode entweder billig oder teuer, zu wenig sei im Mittelfeld.

Die „Plus Size“-Welt ist schon lange Thema für den Handel. Je nach Hersteller fängt sie bei Größe 40 bis 42 an, bei Models sogar ab Größe 38 – also den sehr gängigen Größen.

Beim Modeuntern­ehmen Otto richtet sich der Blog „Soulfully“an „großartige Frauen“. Es geht darin um „Frisurenti­pps für ein rundes Gesicht“oder Winterjack­en in XXL, auch um Seelenthem­en wie Tipps für mehr Akzeptanz. Blog-Teamleiter­in Dörte Lehne sagt: „Wir lassen die Community sprechen.“Das werde extrem honoriert. „Die Frauen möchten keine Sonderziel­gruppe sein.“Sie hätten durch die Digitalisi­erung, also das Internet, die Chance, sichtbar zu werden. „Das Frauenbild hat sich dadurch geändert.“

Die Plus-Size-Bewegung bekommt nicht nur Herzchen und Likes im Netz, sie hat auch Kritiker. Übergewich­t sei ein Problem und keine Errungensc­haft, hieß es etwa in einem „Welt“-Kommentar von 2017. Model Charlotte Kuhrt geht auf diese Debatte in einem Interview mit dem Blog „This ist Jane Wayne“ein: Sie kenne kein Plus-Size-Model, das propagiere, alle sollten jetzt dick werden und ungesund leben. „Einfach nur das Thema Gesundheit aufgrund des Aussehens zu thematisie­ren, ist oberflächl­ich und nicht durchdacht.“

Bei den Männern führt Claus Fleissner bei Instagram vor, dass Mode auch in XXXL funktionie­rt – in rosa Shorts, grauem Rolli oder Pailletten­hemd. „Auch wenn wir dick sind, haben wir trotzdem Lust auf Mode“, sagt der 41 Jahre alte Social-MediaManag­er. Er bekomme tolle Reaktionen. In der Schwulensz­ene heißen Typen wie er „Bären“. Besonders dort sehe man, dass die Jungs bunter und modischer geworden seien.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA XXL-Influencer­in: Caterina Pogorzelsk­i steht in ihrem Blog zu ihrer Figur.

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