Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das Ende des Bonpflicht-Jammers?
Im Hotel Lago in Ulm wird ein Ausweg getestet – Wie das neue System funktioniert
ULM/KUCHEN - Ludwig Heer hatte die Idee schon, bevor von der Bonpflicht überhaupt groß die Rede war. Denn der Küchenchef der „Alten Post“in Kuchen (Landkreis Göppingen) liebt die digitale Buchhaltung: Mit dem von ihm ausgedachten System „Greenbill“glaubt er jetzt, eine Lösung für das von vielen Einzelhändlern beklagte Bonpflicht-Leid zu haben. Doch nicht nur das.
Mit „Greenbill“soll das Quittieren digital und – sofern der Kunde das wünscht – ohne Papier passieren. Gut für die Umwelt, schnell und unkompliziert soll es sein. Auf dem Markt ist das Angebot, das im Monat zuzüglich einer einmaligen Installationsgebühr 49 Euro kosten soll, noch nicht ganz. Erst Mitte Februar auf der Gastromesse „Intergastra“in Stuttgart wird es der Branche vorgestellt.
An ausgewählten Standorten, darunter sein Restaurant in Kuchen, aber auch seit einer Woche beim Hotel und Restaurant Lago in der Ulmer Friedrichsau wird das System derzeit getestet. Demnächst soll eine größere Münchner Bäckerei-Kette aufspringen – wenn alles klappt. Ganz spruchreif sei das noch nicht.
„Es funktioniert hervorragend“, sagt Marian Schneider, Geschäftsführer des Ulmer Unternehmens Gastro Events, zu dem neben dem Hotel Lago das Bella Vista in Ulm und der Wiley Club in Neu-Ulm gehören. Auch dort könnte Greenbill zum Einsatz kommen, wenn die „kleineren Wehwehchen“ausgemerzt sind: Das System müsse auf die individuellen Wünsche des Lagos sowie der Buchhaltung angepasst werden, grundsätzlich zeigt er sich aber begeistert. „Der Kunde nimmt es ordentlich an, wobei die meisten Kunden gar keinen Beleg wollen. Es ist aber auch für die Servicekräfte nutzerorientiert.“
Wie funktioniert das System?
Wer keine mit Papierrechnungen überfüllten Mülleimer will und nach Lösungen für die Bonpflicht sucht, bekommt immer wieder Probleme wie Datenschutz oder eine dafür notwendige zusätzliche App zu lesen. Zumindest Letzteres braucht es bei „Greenbill“nicht.
Bezahlt werden kann, wie der Kunde das wünscht: zum Beispiel bar und/ oder mit Karte oder auf Rechnung. Den Beleg dafür bekommen Restaurantbesucher, Brötchenkäufer oder andere Kunden von Einzelhändlern dann auf einem Tablet angezeigt.
Jetzt stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Erstens: Die vermeintlich einfachste Lösung: Der Kunde will den Beleg gar nicht. Zweitens: Der Kunde schickt sich die Quittung vom Tablet direkt per E-Mail oder er holt sich über einen QR-Code die Rechnung aufs Smartphone und speichert sie dort ab. „Das ist vor allem für Geschäftsleute attraktiv, die ihre Spesen direkt an die Arbeit schicken“, sagt Heer. Die dritte Möglichkeit bleibt aber auch weiterhin, sich den Beleg ausdrucken zu lassen.
Rechtlich erfülle das Angebot damit die Anforderungen. Datenschützer dürften trotzdem Bedenken haben. Zwar könne man technisch mit Greenbill auch etliche Daten generieren, gibt Heer offen zu. „Aber das ist nicht unser Ziel. So wollen wir es gar nicht aufziehen“, sagt der in Geislingen geborene Fernsehkoch und Freund von Model sowie TV-Moderatorin Giulia Siegel. Entwickelt wurde Greenbill von Tobias Kiesling, IT-Sicherheitschef bei Airbus.
Natürlich hofft der Gastronom Heer, dass sich das System Greenbill auf dem Markt herumspricht und auch angenommen wird. Inwiefern sich kleinere Betriebe wie ein Friseur oder auch die kleine Imbissbude von nebenan die Dienstleistung leisten können, werde sich zeigen.
Ein Bon aus Thermopapier koste zirka einen Cent, rechnet Ludwig Heer vor. Bei einem Einzelhändler, der täglich nur 20 Belege ausstelle, seien das sicherlich nur 20 Cent am Tag. Ein größerer Discounter könne damit aber durchaus auch zwischen 300 und 500 Euro im Monat einsparen, so der 38 Jahre alte Koch.
Beim Hotel Lago, dessen Restaurant „Seestern“mit einem MichelinStern ausgezeichnet wurde, scheint das Geld eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Für den Geschäftsführer bedeutet Greenbill auch eine Vereinfachung der Prozesse – aber vor allem: etwas für die Umwelt zu tun. Marian Schneider sagt, es gehe ihm aber nicht nur um das Papier, sondern auch um die Maschinen, die gebraucht werden, um das teils giftige Thermopapier herzustellen. Wenngleich auch bei Greenbill zum Schluss der Kunde und damit der Endverbraucher entscheidet, ob er einen ausgedruckten Beleg möchte oder nicht.