Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Ende des Bonpflicht-Jammers?

Im Hotel Lago in Ulm wird ein Ausweg getestet – Wie das neue System funktionie­rt

- Von Michael Kroha

ULM/KUCHEN - Ludwig Heer hatte die Idee schon, bevor von der Bonpflicht überhaupt groß die Rede war. Denn der Küchenchef der „Alten Post“in Kuchen (Landkreis Göppingen) liebt die digitale Buchhaltun­g: Mit dem von ihm ausgedacht­en System „Greenbill“glaubt er jetzt, eine Lösung für das von vielen Einzelhänd­lern beklagte Bonpflicht-Leid zu haben. Doch nicht nur das.

Mit „Greenbill“soll das Quittieren digital und – sofern der Kunde das wünscht – ohne Papier passieren. Gut für die Umwelt, schnell und unkomplizi­ert soll es sein. Auf dem Markt ist das Angebot, das im Monat zuzüglich einer einmaligen Installati­onsgebühr 49 Euro kosten soll, noch nicht ganz. Erst Mitte Februar auf der Gastromess­e „Intergastr­a“in Stuttgart wird es der Branche vorgestell­t.

An ausgewählt­en Standorten, darunter sein Restaurant in Kuchen, aber auch seit einer Woche beim Hotel und Restaurant Lago in der Ulmer Friedrichs­au wird das System derzeit getestet. Demnächst soll eine größere Münchner Bäckerei-Kette aufspringe­n – wenn alles klappt. Ganz spruchreif sei das noch nicht.

„Es funktionie­rt hervorrage­nd“, sagt Marian Schneider, Geschäftsf­ührer des Ulmer Unternehme­ns Gastro Events, zu dem neben dem Hotel Lago das Bella Vista in Ulm und der Wiley Club in Neu-Ulm gehören. Auch dort könnte Greenbill zum Einsatz kommen, wenn die „kleineren Wehwehchen“ausgemerzt sind: Das System müsse auf die individuel­len Wünsche des Lagos sowie der Buchhaltun­g angepasst werden, grundsätzl­ich zeigt er sich aber begeistert. „Der Kunde nimmt es ordentlich an, wobei die meisten Kunden gar keinen Beleg wollen. Es ist aber auch für die Servicekrä­fte nutzerorie­ntiert.“

Wie funktionie­rt das System?

Wer keine mit Papierrech­nungen überfüllte­n Mülleimer will und nach Lösungen für die Bonpflicht sucht, bekommt immer wieder Probleme wie Datenschut­z oder eine dafür notwendige zusätzlich­e App zu lesen. Zumindest Letzteres braucht es bei „Greenbill“nicht.

Bezahlt werden kann, wie der Kunde das wünscht: zum Beispiel bar und/ oder mit Karte oder auf Rechnung. Den Beleg dafür bekommen Restaurant­besucher, Brötchenkä­ufer oder andere Kunden von Einzelhänd­lern dann auf einem Tablet angezeigt.

Jetzt stehen mehrere Möglichkei­ten zur Auswahl. Erstens: Die vermeintli­ch einfachste Lösung: Der Kunde will den Beleg gar nicht. Zweitens: Der Kunde schickt sich die Quittung vom Tablet direkt per E-Mail oder er holt sich über einen QR-Code die Rechnung aufs Smartphone und speichert sie dort ab. „Das ist vor allem für Geschäftsl­eute attraktiv, die ihre Spesen direkt an die Arbeit schicken“, sagt Heer. Die dritte Möglichkei­t bleibt aber auch weiterhin, sich den Beleg ausdrucken zu lassen.

Rechtlich erfülle das Angebot damit die Anforderun­gen. Datenschüt­zer dürften trotzdem Bedenken haben. Zwar könne man technisch mit Greenbill auch etliche Daten generieren, gibt Heer offen zu. „Aber das ist nicht unser Ziel. So wollen wir es gar nicht aufziehen“, sagt der in Geislingen geborene Fernsehkoc­h und Freund von Model sowie TV-Moderatori­n Giulia Siegel. Entwickelt wurde Greenbill von Tobias Kiesling, IT-Sicherheit­schef bei Airbus.

Natürlich hofft der Gastronom Heer, dass sich das System Greenbill auf dem Markt herumspric­ht und auch angenommen wird. Inwiefern sich kleinere Betriebe wie ein Friseur oder auch die kleine Imbissbude von nebenan die Dienstleis­tung leisten können, werde sich zeigen.

Ein Bon aus Thermopapi­er koste zirka einen Cent, rechnet Ludwig Heer vor. Bei einem Einzelhänd­ler, der täglich nur 20 Belege ausstelle, seien das sicherlich nur 20 Cent am Tag. Ein größerer Discounter könne damit aber durchaus auch zwischen 300 und 500 Euro im Monat einsparen, so der 38 Jahre alte Koch.

Beim Hotel Lago, dessen Restaurant „Seestern“mit einem MichelinSt­ern ausgezeich­net wurde, scheint das Geld eine eher untergeord­nete Rolle zu spielen. Für den Geschäftsf­ührer bedeutet Greenbill auch eine Vereinfach­ung der Prozesse – aber vor allem: etwas für die Umwelt zu tun. Marian Schneider sagt, es gehe ihm aber nicht nur um das Papier, sondern auch um die Maschinen, die gebraucht werden, um das teils giftige Thermopapi­er herzustell­en. Wenngleich auch bei Greenbill zum Schluss der Kunde und damit der Endverbrau­cher entscheide­t, ob er einen ausgedruck­ten Beleg möchte oder nicht.

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FOTO: KROM Greenbill-Erfinder Ludwig Heer (rechts) mit Marian Schneider, Geschäftsf­ührer von Gastro Events, im Hotel Lago in Ulm.

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