Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Von Diäten & Desastern
Der beste Weg zum Idealgewicht ist ... ja, welcher eigentlich? Unsere Redakteure berichten von ihren Versuchen, sich zu verdünnisieren
Wundersuppe ohne Wirkung
Die besten Tipps bekommt man bekanntlich von guten Freunden. Vor allem, wenn’s ums Abnehmen geht. Als echter Geheimtipp (funktioniert garantiert!) wurde mir vor etwa zweieinhalb Jahrzehnten die sogenannte Wundersuppe von meiner WG-Mitbewohnerin angepriesen. Die Idee klang gut: Tomatensuppe mit jeder Menge Gemüse, eine Art Minestrone mit extrem hohen Kohlanteil. Und das Beste (dachten wir jedenfalls): Man kann davon essen, so viel man will! Ich weiß nicht, wie lange wir diesen Diätunfall durchgehalten haben. Allzu lang kann es nicht gewesen sein. Sonst würde ich mich zumindest dunkel an eine Kilozahl erinnern. Folgenlos ist der Versuch allerdings nicht geblieben. Schon das Wort „Minestrone“auf einer Speisekarte verursacht bei mir bis heute ein ähnliches Würgen, wie der Anblick eines Tequilas. Den kann ich schon seit dem Abi nicht mehr riechen. Bis heute kann ich Gemüse mit Tomatensauce nur noch in Form von Spaghetti Bolognese genießen. Das dafür aber in rauen Mengen. Abgenommen habe ich damit natürlich nicht. Kerstin Conz
Balu der Bär
Als Kind hat mich meine Mutter gerne Mogli genannt, Sie wissen schon, der Junge aus dem Dschungelbuch. Sie kam darauf, weil ich ein Bürschchen war mit so dünnen Armen und Beinen wie Streichhölzer, das zudem liebend gern auf Bäume kletterte. Mit den Jahren vermied ich es jedoch, auf Bäume zu klettern. Ein Fehler.
So blieb auch meiner Mutter nicht verborgen, dass aus Mogli langsam aber sicher Balu der Bär wurde. Und Balu entwickelte sich (nun nicht mehr langsam) zu Dumbo dem Elefanten. Dieser Dumbo konnte allerdings nicht fliegen. Dafür qualmte er Kippen und liebte fleischhaltige und kalorienreiche Kost, wie es im gastronomischen Dschungel üblich ist. Das ging eine ganze Weile so, bis Dumbo merkte, dass er nicht mal mehr unfallfrei aus dem Sessel abheben konnte. Sie merken, ich übertreibe etwas. Was aber der Wahrheit entspricht: Dumbo war richtig unzufrieden mit sich, ja, er war unglücklich. Und weil Unglück keinen Spaß macht, wurde aus Dumbo zwar nicht Mogli, aber immerhin Balu. Seither wollen vor allem Damen wissen, wie das funktioniert, wo das Geheimnis des Abnehmens liegt. Die Antwort ist ernüchternd: Es gibt keins. Machen Sie bitte keine Diät. Hetzen Sie nicht widerwillig um die Häuser, in der Hoffnung, Kilos zu verlieren. Und vor allem: Machen Sie bitte nicht den Verzicht zu Ihrem Lebensmotto. Denn auch das macht unglücklich. Leben Sie einfach ganz normal. Und wenn das nicht hilft, sollten sie vielleicht auf Bäume klettern. Dirk Grupe
Friede den Schlacken!
Ob sich der Zeiger der Waage seinerzeit tatsächlich um ein paar Strichlein bewegt hat, oder ob er sich nur leicht geschüttelt hat vor Lachen, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Dazu ist die Sache zu lange her. Es muss irgendwann kurz nach der Erfindung des Rades und lange vor dem ersten Selfie gewesen sein. Und es ging auch gar nicht darum, kiloweise Speck zu verlieren, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, sondern darum zu entschlacken. Vielleicht hat mich eine frühlingsbeschwingte Frauenzeitschrift dazu angestiftet, oder die Idee entsprang der geistigen Verwirrung durch schwere Unterzuckerung. Jedenfalls sollte es die F.X. Mayr-Kur sein, nur ohne Einläufe. Das hätte noch gefehlt.
Es wurde auch so zu einer Erfahrung, die mich nachhaltig geheilt hat, und zwar von jeglichen weiteren Diät- und Darmsanierungsambitionen. Wer hätte gedacht, dass trockene Brötchen mit Milch so schauderhaft schmecken können?! Bereits nach etwa anderthalb Tagen hätte ich als willkommene Alternative auch Spanplatten in Tapetenkleister getunkt. Jedenfalls: nach zwei Nächten mit knurrendem Magen und zwei Tagen mit achtsamem, aber bitteren Gekaue war Schluss. Schlacken hin, Speckdepots her. Seitdem wende ich mit sehr viel besserem Erfolg regelmäßig die Udo-JürgensKur an: Aber bitte mit Sahne! Petra Lawrenz
Ja, ich mache Sport
Schlappe 75 Kilogramm verteilt auf stolze 181 Zentimeter Körpergröße – ein Weckruf zur Gewichtsabnahme klingt anders, bedrohlicher. Dachte ich. Bis zu jener unheilvollen Routineuntersuchung beim Hausarzt. Bis zum verhängnisvollen EKG. Da räkele ich mich also, spärlich bekleidet nur mit Unterhose und Socken, ein gewiss gewöhnungsbedürftiger Anblick, auf der Liege in der Praxis, während der Medicus interessiert die Herzfunktion auf dem Bildschirm verfolgt – und eher beiläufig den Satz fallen lässt, der mir durch Mark und Bein fährt: „Sport machst du aber wohl auch nicht mehr.“Vorhofflimmern? Rhythmusstörungen? Stille Infarkte? Zeit für den letzten Willen? „Was ist denn los mit der Pumpe?“, frage ich etwas zögerlich. „Nichts, alles in bester Ordnung – aber schau dir doch mal deine Wampe an“, sagt der muntere Mediziner mit einem frechen Blick auf das leicht vorgewölbte Bäuchlein. Ach so, vielen Dank auch für den dezenten Hinweis, war mir noch gar nicht so aufgefallen. Aber jetzt, da es unerbittlich ausgesprochen ist, könnte ich ja vielleicht ... Ja was denn eigentlich? Richtig, der Mann hatte doch von Sport geredet. Keine schlechte Idee. Acht Jahre sowie Tausende Kilometer auf dem extra angeschafften Crosstrainer später und um 2000 Euro erleichtert – Sportgeräte sind halt teuer – lautet die Bilanz ganz ohne Diät: 65 schlappe Kilogramm verteilt auf immer noch stolze 181 Zentimeter Körpergröße. Der Bauch ist weg, das nächste EKG kann kommen. Und ja, ich mache Sport! Dirk Uhlenbruch
Mahlzeit!
Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach – doch da war noch etwas anderes, was der endgültigen Verdünnisierung meiner Figur stets im Wege stand. In meiner Fasten-Biografie ereignete sich nämlich immer wieder Merkwürdiges, was die zunächst erfolgreichen Speckweg-Aktionen jäh beendete. Zum Beispiel fällt mir in der Erinnerung an jüngere Jahre die Zitronensaftkur ein. Jene in flüssiger Form verabreichte Enthaltsamkeitsfolter führt in kurzer Zeit zu massiver Gewichtsreduktion, weil der Tag mehrmals von nichts weiter als folgenden Zutaten angefüllt ist: zwei Esslöffel Zitronensaft, zwei
Esslöffel Ahornsirup, eine Prise Cayennepfeffer und 0,3 Liter Wasser. Gut verrühren und schaudernd hinabstürzen. Wer sich nach Gänsehautfeeling sehnt, ist mit dieser Methode gut bedient. Die zunächst euphorisierenden Erfolge kamen zum Abbruch, weil die Kur bis dahin völlig unbekannte Gallensteine in Bewegung brachte. Damit stand anstelle des langfristigen Gewichtsverlusts der Verlust der Gallenblase. Später hat mir die Liebe zunächst zu dahingeschmolzenen Kilos verholfen: Für das Werben um meine heutige Frau erschien mir damals die Opferung von rund 70 Pfund erfolgversprechend. Es gelang – doch meine schlanke Gattin hat mir bald zu verstehen gegeben, dass unser Bündnis keine Frage ist, die in der Anzeige einer Personenwaage verhandelt wird. Spätestens seitdem bemisst sich mein persönliches Gleichgewicht nicht mehr in Kilos. Erich Nyffenegger
Es geht darum, das Leben zu genießen
Diäten funktionieren nicht. Das ist meine Erkenntnis aus unzähligen Versuchen in mittlerweile mehreren Jahrzehnten. Womit ich tatsächlich mehr als 16 Kilo abgenommen habe, ist eine Ernährungsumstellung, die sich an den sogenannten Low-Carb-Prinzipien orientiert. Dabei werden Lebensmittel gemieden, die einen hohen glykämischen Index haben – also beispielsweise Zucker, Weizenmehlprodukte oder auch andere industriell verarbeitete Lebensmittel, wie Cornflakes. Dafür gibt’s mehr Gemüse, Salate und Eiweiß auf den Teller. Was sich im ersten Moment wie jede Menge Verzicht und Verbote anhört, hat meine Ernährung und meinen Speiseplan jedoch immens bereichert. Denn nie wäre ich davor auf die Idee gekommen, dass Blumenkohl sich ganz gut als Pizzateig eignet, Zucchinis leckere Spaghetti ergeben oder Auberginen sich gar zu Bruschetta umfunktionieren lassen. Salatsoßen, Fruchtjoghurt und Brotaufstriche werden mittlerweile selbst gemacht, denn in den angebotenen Produkten in den Läden ist so gut wie immer Zucker oder Stärke drin, wie die Zutatenliste verrät.
So hat die Ernährungsumstellung auch dafür gesorgt, dass ich mich viel mehr mit Nahrungsmitteln und ihrer Wirkung auf meine Gesundheit auseinandergesetzt habe. Denn letztlich geht es einfach „nur“darum, sich gesund zu ernähren. Und so halte ich mich an den Rat meines Orthopäden: „Versuchen Sie abzunehmen, aber denken Sie daran, auch das Leben zu genießen. Denn Sie haben nur eins.“Ingrid-Anna Augustin