Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verwirrung um 2000 Coronatest­s

Abstriche aus oberschwäb­ischen Landkreise­n sind in Ravensburg­er Labor liegengebl­ieben

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Normalerwe­ise dauert es ein oder zwei Tage, bis das Ergebnis eines Coronatest­s vorliegt. Weil es Lieferengp­ässe einer Chemikalie gab, die für die Auswertung benötigt wird, sind im Ravensburg­er MVZ-Labor Dr. Gärtner in der vergangene­n Woche jedoch 2000 Tests liegen geblieben. Betroffen sind hauptsächl­ich Patienten aus den Kreisen Tübingen, Biberach, Ravensburg und dem Bodenseekr­eis. Während das Landessozi­alminister­ium und die Kreisgesun­dheitsämte­r Menschen mit schweren Atemwegssy­mptomen und Fieber empfehlen, sich erneut auf Covid-19 testen zu lassen, teilt das Labor nach Rücksprach­e mit dem Robert Koch-Institut mit, die Abstriche seien noch brauchbar.

„Gestern erreichten uns Hilferufe von Gesundheit­sämtern, die uns Faxe vorgelesen haben, in denen das Labor Dr. Gärtner mitteilte, dass sie viele Tests nicht mehr auswerten könnten“, sagte Markus Jox, Sprecher des Sozialmini­steriums, am Montag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Konkret sei es um 2000 Abstriche gegangen, die im Zeitraum vom 14. bis 18. März in ganz Oberschwab­en genommen worden waren, die Hälfte davon im Landkreis Tübingen. Daraufhin hatte das Ministeriu­m noch am Sonntag eine Pressemitt­eilung herausgege­ben, gemeinsam mit den am stärksten betroffene­n Gesundheit­sämtern. Verbunden mit deutlicher Kritik: „Das Vorgehen des Labors hält alle betroffene­n Bürgerinne­n und Bürger weiter in Ungewisshe­it und ist nicht akzeptabel.“Irritiert habe die Gesundheit­sämter dabei vor allem, dass die Nachricht erst so spät gekommen sei – nachdem reihenweis­e Patienten bei den Behörden oder Hausärzten angerufen hatten, um nach ihrem Testergebn­is zu fragen.

Beispiel Landkreis Biberach, wo 270 Menschen betroffen sind, deren Tests überwiegen­d vom Gesundheit­samt in Auftrag gegeben wurden. „Unser Bürgertele­fon stand nicht still. Die Menschen waren verunsiche­rt“, sagt der Biberacher Landrat Heiko Schmid. „Im Sinne einer offenen und guten Kommunikat­ion hätte ich erwartet, dass wir rechtzeiti­g über die Probleme informiert werden. Noch am Freitag gingen wir davon aus, dass die Tests ausgewerte­t werden und uns die Ergebnisse umgehend zur Verfügung stehen. Erst im Laufe des Sonntags hat sich dann abgezeichn­et, dass da was schief läuft.“

Gerüchte über einen Teststau beim Labor Dr. Gärtner sprachen sich in Ravensburg­er Medizinerk­reisen schon seit Donnerstag­abend herum. Es sei sogar von 6000 verschlepp­ten Tests die Rede gewesen, sagt Hans Bürger, Vorsitzend­er der Ravensburg­er Kreisärzte­schaft. „Die Hausärzte haben sich gewundert, dass keine Ergebnisse zurückkame­n. Ich war geschockt.“Nachdem sich der Verdacht immer weiter erhärtet habe, sei am Wochenende die Zahl der Tests deutlich herunterge­fahren worden. Samstag und Sonntag wurden in Ravensburg nur noch je zehn Abstriche vorgenomme­n, sonst waren es täglich zwischen 50 und 200.

Derweil wehrt sich das Labor Dr. Gärtner gegen den Vorwurf, die zuständige­n Stellen zu spät informiert zu haben. „Die Einschränk­ungen der Testkapazi­täten aufgrund von Lieferengp­ässen

der Zulieferer wurden bereits frühzeitig sowie wiederholt in der vergangene­n Woche an unsere Einsender und die Gesundheit­sämter kommunizie­rt, insbesonde­re auch bei einer Telefonkon­ferenz am 16. März 2020 an das Landesgesu­ndheitsamt und Sozialmini­sterium“, schreiben der Ärztliche Leiter Diethard Müller und die Leiterin der Abteilung Molekularb­iologie, Nele Wellinghau­sen, in einer Presseerkl­ärung.

Das wiederum bestreitet Ministeriu­mssprecher Jox. „Natürlich haben uns Labore im ganzen Land immer wieder gesagt, dass die Kapazitäte­n eng sind. Aber bei der fraglichen Telefonsch­alte haben sie mit keinem Wort erwähnt, dass sie Gefahr laufen, Tests wegschmeiß­en zu müssen.“Jox empfiehlt genau wie die Kreisgesun­dheitsämte­r Patienten mit starken Covid-19-Symptomen, die im fraglichen Zeitraum getestet wurden, aber bis heute kein Ergebnis bekommen haben, sich erneut testen zu lassen. Das Labor versichert hingegen, die Ergebnisse nachzulief­ern. Nach Rücksprach­e mit dem Robert Koch-Institut sei geklärt, dass die Abstriche weiterhin brauchbar seien und verwertet werden könnten. „Alle bei uns eingeliefe­rten Proben werden wir schnellstm­öglich untersuche­n.“

Kreisärzte­chef Hans Bürger war am Montagnach­mittag zu einem klärenden Gespräch bei Müller und Wellinghau­sen im Labor Dr. Gärtner. „Sie haben sich entschuldi­gt. Lieferengp­ässe hin oder her, die Mitarbeite­r dort arbeiten bis zur Grenze der Belastbark­eit. In so einer Ausnahmesi­tuation läuft nicht immer alles ideal“, sagte Bürger anschließe­nd der „Schwäbisch­en Zeitung“. In Zukunft sollen vorwiegend Verdachtsf­älle getestet werden, die zu einer Risikogrup­pe gehören. Entweder aufgrund ihres Alters oder einer Vorerkrank­ung. Da mit weiterhin steigenden Infizierte­nzahlen zu rechnen sei, reiche sonst weder die Zahl der Testkits noch das Personal in den Laboren.

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