Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nur bedingt krisenfähig
Was ein Streit zwischen CSU-Chef Söder und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Laschet offenbart
MÜNCHEN/DÜSSELDORF/BERLIN (dpa) - Der Krach in der Krisenschalte von Bund und Ländern zur Corona-Pandemie hat nicht nur Nerven gekostet. Der Zoff am Sonntagnachmittag hat auch die Frage aufgeworfen, wie es um die Führungsfähigkeit mancher Unionsspitzen in schwieriger Lage bestellt ist. Denn gleich zu Beginn der „lebhaften Diskussion“– wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) es später nannte – hatte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) am Sonntag damit gedroht, die Konferenz zu verlassen. So nebensächlich das im Kampf gegen das Virus ist, dürfte der Konflikt dennoch politisch nachhallen. Worum es geht:
Was ist in der Schalte tatsächlich geschehen?
Darüber gibt es verschiedene Aussagen. Die einen sagen, Krach habe es zwischen CSU-Chef Söder und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gegeben, nachdem der CDU-Vize den Bayern für dessen nicht mit anderen Ländern abgestimmtes Krisenmanagement kritisiert hatte und zugleich selbst ein Maßnahmenpapier in die Diskussion brachte. Aus Laschets Umfeld heißt es, er habe lediglich einen von der Mehrheit der Länder getragenen Vorschlag erläutert, ohne Söder zu attackieren. Eine andere Darstellung nennt Kritik von Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD), aber auch von Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) und dessen niedersächsischem Amtskollegen Stephan Weil (SPD) als Ursprung. Fakt ist, dass es bei einigen Regierungschefs Unmut gab, weil Bayern am Freitag eigene Regeln erlassen hatte. Dabei habe man vereinbart, dass sich alle Ministerpräsidenten bis Sonntag zurückhalten.
Was sagen die Beteiligten?
Söder weicht der Frage erfolgreich aus. Schon nach der Konferenz äußerte er sich zufrieden zum Kompromiss, Nachfragen lässt er abperlen. Laschet spielt den Konflikt öffentlich herunter. In Maybrit Illners Sondersendung „Corona spezial“bener schwichtigte er am Sonntagabend im ZDF: „Es ist nicht laut geworden. Es ist engagiert diskutiert worden.“Schließlich kämpfe jeder für seine Ideen. „Wenn das nur dahin plätschern würde, das wäre der Situation auch unangemessen.“Schwesig mahnte am Montag: „Ich kann nur an alle appellieren, an alle Politiker, dass Machtspiele und Schaulaufen in so einer Situation nichts in diesen Entscheidungen zu suchen haben.“
Welche Folgen kann der Streit haben?
Die Zusammenarbeit zwischen den Ministerpräsidenten dürfte sich nicht gerade verbessert haben. Gravierender könnte aber noch der Eindruck sein, den der Zwist beim Bürger hinlässt. Denn eigentlich geht es ja vor allem um deren Gesundheit. Alle Regierungschefs sind zwar ihren Ländern verpflichtet, aber in eisolchen Ausnahmesituation geht es um die gesamte Bundesrepublik. Umso wichtiger sind Absprachen zwischen den Ministerpräsidenten. Wenn Söder als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz angeblich mit dem Abbruch der Schalte droht, dürfte das bei den Menschen nicht besonders gut ankommen. Die Corona-Krise eignet sich nicht sonderlich als Profilierungsfeld – im Gegenteil: Entsteht ein solcher Eindruck beim Bürger, dürfte das den Beteiligten auf die Füße fallen.
Wie ist der Stand im Rennen um den CDU-Vorsitz?
Die drei Kandidaten mit den größten Erfolgschancen – Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen – haben den parteiinternen Wahlkampf wegen der CoronaKrise vorerst auf Eis gelegt. Während
Laschet die Rolle als Ministerpräsident und Krisenmanager ausspielen kann, fehlen Merz und Röttgen solche medienwirksame Ämter – zumal Merz coronainfiziert in häuslicher Quarantäne sitzt.
Kann das Krisenmanagement von Söder und Laschet über den nächsten Kanzlerkandidaten der Union entscheiden?
Nach dem Motto „Krisen machen Kanzler“ist der jeweilige Auftritt ein Gradmesser für alle höheren Aufgaben, die eine Kanzlerschaft mit sich bringt. Unter diesem Eindruck sehen in Bayern viele Laschet in der Defensive, da er verglichen mit Söder beim Thema Corona eher als zögernder Landesvater denn als konsequenter Entscheider aufgefallen sei. Laschet sieht seine Chance darin, nach dem Motto „Maß und Mitte“jene hinter sich zu bringen, die keinen Polarisierer
an der Spitze der CDU wollen. Seit Ausbruch der Corona-Krise nutzt er jede Gelegenheit, staatsmännisch Gemeinsamkeit und abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern anzumahnen. Da der 59-Jährige gefragter Gast in Talkshows und Nachrichtensendungen ist, bespielt er dafür etliche Bühnen. Auch im ZDF bei Maybrit Illner betonte er die am Ende erzielten gemeinsamen Positionen: „Das ist das Wichtigste.“Dass es bei den Auftritten der Regierungschefs in Zeiten von Corona nicht allein „um Leben und Tod“geht, wie Laschet oft betont, sondern auch um Qualifikation für die Spitzenposten in der Union, bestritt er kürzlich: „Es gibt keinen Wettbewerb unter den Ländern.“Er fügte aber hinzu: „Man muss jetzt die Entschlossenheit ausstrahlen und dann in Erlassen auch kompetent umsetzen.“Söders Performance kommentierte er mit den Worten, da habe halt jeder „seine eigene Art aufzutreten“.
Welche Rolle spielt Söder bei der Suche nach dem Unionskanzlerkandidaten?
Schon vor Corona-Zeiten war klar, dass es ohne Söder keine Entscheidung über den künftigen Kanzlerkandidaten der Union geben kann. Die Chefs der beiden Schwesterparteien – so die dauerhafte Praxis – entscheiden am Ende, wen sie ihren Parteien zur Abstimmung vorschlagen. Auch wenn viele weiterhin fest damit rechnen, dass Söder am Ende auch seinen Hut in den Ring werfen wird, gilt dies in seinem direkten Umfeld als kategorisch ausgeschlossen. Es gelte die von Söder schon mehrfach geäußerte Absage an persönliche Ambitionen. Laschet ist sich der Macht des CSU-Chefs bewusst. Auch wenn ihn Söders Alleingänge zweifellos ärgern müssen, vermeidet er öffentlich jede Kritik an Bayerns starkem Mann. Als in der vergangenen Woche in eine WDRBürgersprechstunde des Ministerpräsidenten zum Coronavirus die Eil-Meldung mit Söders Ausgangsbeschränkungen für Bayern platzte, fing Laschet sich in der Livesendung schnell wieder. Statt seinem Unmut Luft zu machen, versuchte er die Erklärung: „Ich glaube, er reagiert auf die Grenznähe zu Österreich.“