Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gelassenheit und Einfallsreichtum
Erzieherinnen geben Tipps zu Freizeitgestaltung während der Corona-Pandemie
RIEDLINGEN - Kinder wegen der Schließung der Kindergärten und Schulen daheim zu beschäftigen, bringt zahllose Eltern an ihre Grenzen. Wenn mehrere Kinder zu Hause „unterhalten“sein sollen, empfinden das manche Eltern als einfacher – die Großen und Kleinen können mit einander spielen, sich ergänzen – oder schwieriger: Jedes von ihnen fordert ungeteilte Aufmerksamkeit, arbeitet an anderem Stoff, in anderem Tempo. Eine kleine Hilfe für Eltern und Kinder möchten die Vorschläge bieten, die das Team um Heike Berron – Erzieherin seit mehr als 40 Jahren und Leiterin des evangelischen Kindergartens in der Grüninger Siedlung – gesammelt hat.
Die Fernsehkanäle und das Internet bieten in der jetzigen Situation verstärkt Programme, Filmchen und Wissensbeiträge für alle Altersgruppen an. Heike Berron legt den Eltern jedoch ans Herz, ihre Kinder dabei nicht alleine zu lassen. Das gemeinsame Besprechen sei wichtig zur Verarbeitung, sei eine unverzichtbare Ergänzung
– nicht nur bei den ganz Kleinen –, das Erzählen des Gesehenen, das Erfragen von Verstandenem. Außerdem förderten Erzählrunden mit wirklich Erlebtem, mit Flunkergeschichten oder Witzen wahre Schätze zutage und brächten viel Abwechslung.
Neben den klassischen Brett- und Kartenspielen sind das Vorlesen und das gemeinsame Singen wichtig. Und, schlägt Heike Berron vor, das gemeinsame Backen und Kochen, das Aufräumen und Sortieren, das Spielen mit Haushaltsgegenständen, das im Garten Helfen sei für Kinder interessant. Ganz besondere Situationen und Sprechanlässe ergeben sich beim Anschauen von Fotoalben, beim Erzählen aus der Babyzeit, vom Aufwachsen der Eltern, von den Großeltern und Verwandten. Dass der Besuch bei ihnen und bei Freunden ausfallen muss, können Telefongespräche kompensieren, auch per Video über die sozialen Netzwerke. Auch wenn viel mit dem Kind unternommen werde, soll ihm die Möglichkeit gelassen werden – auch dem unter Dreijährigen –, sich selbst zu beschäftigen.
„Ein Tag ist lang – und fünf Wochen sind richtig lang, vor allem weil auf so viel Gewohntes nicht zurückgegriffen werden kann!“, beschreibt Heike Berron mit einem Stirnrunzeln und Augenzwinkern die Situation. „Für Eltern ist es heftig“, ergänzt sie. Dazuhin kann in den meisten Familien nicht auf die sonst üblichen und bewährten Hilfen zurückgegriffen werden: Großeltern, Verwandte, Tagesmütter, Kita.
Trotz aller Selbstorganisation gelassen und geduldig zu bleiben sei dabei nicht einfach; Eltern sollten jedoch auch Zeit für sich selbst einfordern, von ihren Kindern verlangen, nicht immer und ständig im Vordergrund zu stehen. Die erfahrene Erzieherin sagt dazu: „Nur, wenn man selber nicht ausgelaugt ist, kann man etwas geben.“
Diese recht ungewöhnlichen Wochen könnten jedoch auch Positives zeigen. Beziehungen könnten neu gestaltet werden, da viel Zeit zusammen verbracht werde, da beide Teile – Kind oder Kinder und Eltern oder Elternteil – nicht unter Zeitdruck stehen. Hin und wieder werde es wohl zu Reibereien kommen. Sich durchzusetzen, zu argumentieren wolle gelernt sein; Geschwisterstreit sei jedoch wichtig für die soziale Entwicklung. Die Kindergartenfachfrau rät, sich in den Streit nicht sofort einzumischen – wenn keine direkte Gefahr bestehe. Und auch darüber mit den Kindern reden, die Situation gemeinsam klären.
Heike Berron betont im Gespräch immer wieder, wie wichtig Gelassenheit ist; das soll jedoch nicht bedeuten, die Kinder alles machen zu lassen. Äußerst ungewohnt ist die aktuelle Situation für alle Seiten – aber sie könne als sehr bereichernd und intensiv erlebt werden, als „geschenkte Zeit“. Berron schließt: „Ich wünsche den Eltern, dass sie in dieser schwierigen Situation gelassen bleiben können und versuchen, das Beste aus der außergewöhnlichen Lage zu machen – für sich und ihre Kinder.“