Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Kopf-ab-Geste“: Ermittlung­en eingestell­t

Kein hinreichen­der Tatverdach­t – Aufschluss­reiche Stellungna­hme der AfD-Fraktionsv­orsitzende­n Alice Weidel

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft hat die Ermittlung­en gegen einen 43 Jahre alten Mann eingestell­t, der im Verdacht stand, Alice Weidel, AfD-Fraktionsv­orsitzende im Bund, eine Kopf-abGeste gezeigt zu haben. Das hat Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl auf SZ-Anfrage erklärt. Grund hierfür war der Mangel des hinreichen­den Tatverdach­ts, erklärt Diehl. Ebenfalls von Bedeutung: eine Stellungna­hme von Alice Weidel.

„Letztendli­ch hat MdB Weidel in einer schriftlic­hen Stellungna­hme zum Ausdruck gebracht, dass sie keinen Wert mehr auf eine etwaige Strafverfo­lgung lege“, schreibt Diehl. Das ist umso bemerkensw­erter, weil Weidel ursprüngli­ch im gut besuchten Welfensaal des Kultur- und Kongressze­ntrum Oberschwab­en (Kuko) in Weingarten lautstark angekündig­t hatte, dass sie eben jenen Mann anzeigen wolle. Vorausgega­ngen war wohl ein Hustenanfa­ll des 43-Jährigen, der im Publikum saß. Jedoch deutete die Politikeri­n die Bewegungen als „Kopf-ab-Geste“, echauffier­te sich lautstark und ließ den Besucher letztlich aus dem Saal entfernen. Dabei sagte sie in die Mikrofone: „Ich möchte, dass die Personalie­n festgestel­lt werden. Ich zeige den Mann jetzt an. Ich stelle hiermit Strafanzei­ge. Ich will das wissen. Ich möchte wissen, ob der Mann ein Parteibuch hat.“

Doch letztlich stellte sich der Mann nicht, wie von Weidel vermutet, als politische­r Gegner heraus. Vielmehr sympathisi­ere er mit der AfD und besonders mit Alice Weidel, sagte er in der Folge im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung.“Auch sorgte der Vorfall bundesweit für Schlagzeil­en, weil die Fraktionsv­orsitzende nach der Veranstalt­ung in Weingarten eine Videoseque­nz des von ihr angeordnet­en Rausschmis­ses veröffentl­ichte, welche sie später dann aber wieder von ihrem Facebook-Profil löschte. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte die schon für jede Menge Diskussion­en und Unruhe gesorgt (die SZ berichtete).

Allerdings mag auch die Staatsanwa­ltschaft nicht abschließe­nd bewerten, ob die Geste stattgefun­den hat oder nicht. So schreibt Diehl: „Es ist aber auch nicht auszuschli­eßen, dass diese Handbewegu­ng (ein Luftzufäch­eln mit dem Hemdkragen) durch MdB Weidel sowie eingesetzt­e Security-Kräfte möglicherw­eise falsch interpreti­ert oder missversta­nden werden konnte.“Dass es letztlich zur Einstellun­g der Ermittlung­en – die bei einem Offizialde­likt auch ohne Anzeige von Weidel von Amts wegen eingeleite­t wurden – kam, begründet Diehl mit Paragraf 170 der Strafproze­ssordnung. Dort steht geschriebe­n: „Bieten die Ermittlung­en genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlich­en Klage, so erhebt die Staatsanwa­ltschaft sie durch Einreichun­g einer Anklagesch­rift bei dem zuständige­n Gericht. Andernfall­s stellt die Staatsanwa­ltschaft das Verfahren ein.“

Letztlich gab es also zu wenige Hinweise auf die vermeintli­che Bedrohung. Und das, obwohl oder gerade weil nicht nur der Beschuldig­te, sondern auch Zeugen des Vorfalls von der Polizei vernommen wurden. „Die Einlassung des Beschuldig­ten, die er unmittelba­r nach dem Vorfall auf dem Polizeirev­ier Weingarten, aber auch im Rahmen seiner späteren förmlichen Beschuldig­tenvernehm­ung sowie gegenüber der Presse abgegeben hat, dass es sich um ein Missverstä­ndnis gehandelt habe und er wegen einer Erkältung habe husten müssen, weshalb er sich mit der Hand an den Brustkorb beziehungs­weise an den Hals gefasst habe, konnte insofern bestätigt werden, dass auch andere Zeugen (unter anderem Sitznachba­rn) dies zumindest teilweise so wahrgenomm­en haben“, schreibt der Oberstaats­anwalt.

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