Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Flächendec­kende Antikörper­nachweise wären sinnvoll“

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Warum die Johns-Hopkins-Zahlen in aller Regel höher liegen als die amtlichen, hat die Professori­n erklärt, als sie ihren digitalen Atlas im Kongress präsentier­te. Die WHO beispielsw­eise, so Gardner, fasse den Stand nur einmal alle 24 Stunden zusammen. „Wir verwenden das als Ausgangsba­sis. Dann ergänzen wir es um das, was die nationalen Behörden verschiede­ner Länder sowie die Medien im Laufe des Tages melden.“Folglich sei die Datensamml­ung der Universitä­t jener der WHO um einige Stunden voraus. Bis auf eine Ausnahme: In den ersten Tagen, als die Daten noch per Hand eingetippt wurden, sei einer der Doktorande­n erschöpft eingeschla­fen. Die Eingabe habe sich verzögert.

Als sich im Dezember in Wuhan Lungenentz­ündungen häuften, die man bald auf ein neuartiges Coronaviru­s zurückführ­te, machte sich Gardner mit ihren beiden Assistente­n an die Arbeit. Das Trio wollte nicht nur Corona-Fälle zählen und möglichst in Echtzeit erfassen, sondern sie auch in Form roter Kreise auf Landkarten kennzeichn­en, um die Statistik anschaulic­her zu machen.

Ein benutzerfr­eundliches digitales Werkzeug sollte es werden, schreibt Gardner im „Lancet“.

Mittlerwei­le verzeichne­n sie in Baltimore im Center for Systemic Science and Engineerin­g täglich über eine Milliarde Besuche auf ihrer Website. Nach der Definition der Initiatori­n handelt es sich um Zugriffe, bei denen Interessen­ten nicht nur einen flüchtigen Blick auf die Zahlen werfen, sondern auch die roten Kreise anklicken, die etwa im Fall der USA deutlich machen, in welchen Städten der Erreger wie schlimm wütet.

RAVENSBURG - Es gibt mehrere Methoden, eine Infektion mit dem Coronaviru­s nachzuweis­en. Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, welchen Nutzen die Verfahren haben.

Welche Testverfah­ren für SarsCoV-2 gibt es derzeit?

Man muss unterschei­den zwischen Testverfah­ren, die das Virus oder Teile des Virus nachweisen und solchen, die nach der Immunantwo­rt des Infizierte­n suchen – beiden kommen unterschie­dliche Aufgaben zu. 1.: Virusnachw­eise dienen vor allem zur Diagnose akuter Infektion mit der Folge einer Quarantäne (auch Nachverfol­gung von Kontaktper­sonen) oder gegebenenf­alls Behandlung und auch mit Einschränk­ungen zur Bestimmung von Neuinfekti­onen. Wenn ein Infizierte­r nach recht kurzer Zeit kein Virus mehr ausscheide­t, weisen alle diese Testverfah­ren nichts mehr nach (sind wieder negativ). Man kann das Virus in Zellkultur­en isolieren, was Infektiosi­tät beweist, aber aufwendig und für Routineunt­ersuchunge­n ungeeignet ist. Man kann die virale RNA (Genom) nachweisen, dies ist eine sehr empfindlic­he PCR-Methode und derzeit „Goldstanda­rd“. Man kann versuchen, Virusprote­ine nachzuweis­en – solche Tests sind in der Entwicklun­g, sie sind schnell, aber weniger empfindlic­h. 2.: Nachweis der Immunreakt­ion eines Infizierte­n (derzeit Antikörper­tests). Der Nachweis von spezifisch­en Antikörper­n beweist eine stattgehab­te Infektion, auch dann noch, wenn ein Virusnachw­eis wieder negativ ausfällt. Diese Tests werden erst einige Tage nach der Infektion positiv. Es ist sehr wichtig, dass solche Tests

nur (Spezifität) und immer (Sensitivit­ät)

Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachweisen und keine falschen Ergebnisse liefern. An der weiteren Optimierun­g solcher Testverfah­ren wird derzeit intensiv gearbeitet. Schnelltes­ts sind nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt, sondern eben „schnell durchführb­ar“.

Mit einer großen Antikörper­Studie wollen Forscher herausfind­en, wie viele Menschen in Deutschlan­d bereits an Covid-19 erkrankt waren. Welchen Nutzen hat ein solches Projekt?

Gut durchgefüh­rte Studien, mit denen man zunächst in repräsenta­tiven Bevölkerun­gsgruppen nach Antikörper­n gegen Sars-CoV-2 sucht, sind derzeit ganz besonders wichtig. Man könnte damit die Anzahl von (irgendwann) Infizierte­n bestimmen, unabhängig davon, ob Krankheits­zeichen bestanden oder nicht. Erste interessan­te Untersuchu­ngsgruppen wären zum Beispiel Kinder, Erwachsene, ältere Menschen über 60 Jahre und auch Personen, die während des gesamten bisherigen Pandemieve­rlaufes aus berufliche­n Gründen vermutlich eine höhere Infektions­gefährdung hatten (zum Beispiel medizinisc­hes Personal und Verkäuferi­nnen). Durch Antikörper­testungen könnte man auch feststelle­n, wer bereits immun und damit im Augenblick nicht erneut durch Infektion gefährdet ist.

Warum wird nicht flächendec­kend getestet?

Ein flächendec­kender Virusnachw­eis (s. o.) würde uns theoretisc­h sagen, wer zum Testzeitpu­nkt aktuell infiziert ist, flächendec­kender Virusnachw­eis ist aber nur schwer vorstellba­r und hat den Nachteil, dass er länger zurücklieg­ende Infektione­n nicht erkennt und ja regelmäßig wiederholt werden müsste. Aus den oben genannten Gründen wären flächendec­kende Antikörper­nachweise sinnvoll.

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FOTO: XIM.GS/IMAGO IMAGES
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