Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Aufnahmepflicht ist illusorisch
Die Regierenden in Polen, Ungarn und Tschechien haben sich nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Verteilung von Asylbewerbern betont gelassen gegeben – aus gutem Grund. Denn sie sind mit ihrer unsolidarischen Verweigerungshaltung durchgekommen. Sie haben praktisch keine Migranten aufgenommen, und inzwischen wurde der Beschluss außer Kraft gesetzt.
Die Missachtung verpflichtender EU-Beschlüsse war im Grunde wenig erstaunlich; schließlich sind alle drei Regierungen auch innenpolitisch nicht dafür bekannt, rechtsstaatliche Beschränkungen der eigenen Macht allzu ernst zu nehmen. Die nonchalante Reaktion auf das Urteil zeigt auch, dass die EU davon abhängt, dass ihre Beschlüsse in den Mitgliedsstaaten
freiwillig umgesetzt werden – weil die Regierungen ein eigenes Interesse an einem funktionierenden Europa haben. Das ist leider derzeit nur eingeschränkt der Fall.
Nach Ostern will die EU-Kommission ihre Pläne für die Reform eines EU-Asylsystems vorstellen. Diese Reform, soll sie funktionieren, kann nicht gegen die Mitgliedsstaaten erfolgen. Insofern sind verpflichtende Verteilungsschüssel für Asylbewerber, selbst für solche mit hohen Anerkennungschancen, illusorisch. Geldoder Sachleistungen als Alternative zur Aufnahme von Migranten zuzulassen – darum wird die EU in Anerkennung der Realität kaum herumkommen.