Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Katastrophe ist absehbar
Viele Amateurkicker blicken sehnsüchtig zu den Clubs der Fußball-Bundesliga, bei denen das Training in Kleinstgruppen nun wieder erlaubt ist. Bei Rekordmeister FC Bayern ging es am Montag ebenfalls los. An der Säbener Straße in München war auch der lange verletzte Abwehrchef
Niklas Süle (rechts) – hier mit dem Brasilianer Philippe Coutinho (Foto: Sven Simon/imago images) – wieder am Ball. SEITE 21
GIn Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln droht eine Katastrophe. Das Coronavirus wird zeigen, wozu es fähig ist, wenn es unter schutzlosen, geschwächten Menschen wütet. Der Erreger bringt selbst stabile Gesundheitssysteme zum Kollaps und tötet tausendfach täglich – die basismedizinische Versorgung in den überfüllten Camps hätte dem Virus nichts entgegenzusetzen. Wenn die EU und Deutschland nicht bald die Schwächsten evakuieren – wie sie es sich vorgenommen haben – steuern die Menschen auf ein Inferno zu.
Das Lager Moria auf der Ägäis-Insel Lesbos könnte dabei zum Sinnbild der zögerlichen EU-Migrationspolitik werden. Moria ist für 3000 Menschen konzipiert – dort leben rund 20 000. Hunderte Menschen teilen sich eine Toilette, mehr als 1000 einen Wasseranschluss, Seife gibt es nicht. In provisorischen Unterkünften hausen Junge, Alte und Kranke unter Plastikplanen. Distanz ist unmöglich. Es grassieren Krätze, Grippe und Meningitis. Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“warnen vor den Folgen eines Coronavirus-Ausbruchs unter diesen Bedingungen.
Acht EU-Mitgliedsstaaten hatten sich bereit erklärt, 1600 der Schutzbedürftigsten unter den Bewohnern aufzunehmen. Doch die EU, zu deren Markenzeichen das Zögern geworden ist, zaudert auch in diesem Punkt. Seit Wochen wird geredet statt gehandelt. Die EU zeigt, dass sie in diesem Punkt nicht nur handlungsunfähig ist, sondern auch unsolidarisch ihrem Mitglied Griechenland gegenüber.
Es ist verständlich, dass der Kampf gegen das Coronavirus derzeit jedes Land stark fordert. Auch Deutschland hat mit einer wachsenden Zahl an Infizierten zu kämpfen. Doch die Pandemie ist keine nationale Angelegenheit, sondern eine globale. Deutschland sollte mit einer humanitären Geste vorangehen – die dann hoffentlich rasch Nachahmer findet. Eine Aufnahme von 250 bis 400 Minderjährigen sollte logistisch möglich sein und Deutschland nicht überfordern – zumal viele Kommunen Bereitschaft zur Unterbringung angekündigt haben.