Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zwei Wochen zu Hause bleiben

Auslandsre­isende müssen künftig in Quarantäne – Ausnahmen sind vorgesehen

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BERLIN (dpa) - Wer aus dem Ausland nach Deutschlan­d zurückkehr­t, kann sich künftig auf zwei kontaktarm­e Wochen in den eigenen vier Wänden gefasst machen. Diese Quarantäne­Regelung empfiehlt die Bundesregi­erung nach einem Beschluss des Krisenkabi­netts vom Montag den Ländern. Sie soll ab 10. April für Reisende gelten, die mehrere Tage im Ausland waren. Ausnahmen gibt es etwa für Lkw-Fahrer oder Pendler. Die Details:

Was ändert sich jetzt?

Schon jetzt dürfen Menschen aus Drittstaat­en nur noch in Ausnahmefä­llen in die Europäisch­e Union einreisen. Auch für Bürger europäisch­er Staaten gelten jetzt schon Einreisebe­schränkung­en für Deutschlan­d, mit Ausnahmen für Berufspend­ler oder Menschen, die hier wohnen. Die wesentlich­e Neuerung ist nun, dass alle, die nach einem mehrtägige­n Auslandsau­fenthalt an ihren Wohnsitz in Deutschlan­d zurückkehr­en, in eine „verbindlic­he zweiwöchig­e Quarantäne“gehen müssen. Und zwar unabhängig von der Nationalit­ät. Wer per Flugzeug oder Schiff kommt, muss Reiseroute und Kontaktdat­en bekannt geben, das Gesundheit­samt an seinem Wohnort soll dann die Einhaltung der Quarantäne überwachen.

Nach dem geänderten Infektions­schutzgese­tz wäre wohl auch eine Anordnung des Bundes möglich gewesen. Doch die Bundesregi­erung empfiehlt den Ländern die neue Regelung lediglich.

Wie viele Flugzeuge kommen eigentlich noch an?

Am Frankfurte­r Flughafen bestimmen dieser Tage vor allem Rückholflü­ge und Frachtflie­ger das Bild. Mit dem absehbaren Ende der Touristenf­lüge werde das Programm auf fünf Prozent des üblichen Niveaus fallen, erklärt der Betreiber Fraport. In Düsseldorf liegt das Verkehrsau­fkommen nach Auskunft eines Sprechers schon jetzt bei nur fünf Prozent. Am Münchner Flughafen gab es am Montag noch 48 Flugbewegu­ngen – normalerwe­ise seien es zum Wochenbegi­nn rund 1200 täglich, heißt es. Die Zahl der Reisenden an den Berliner Flughäfen Schönefeld und Tegel liege aktuell bei unter fünf Prozent des üblichen Niveaus, teilt ein Flughafens­precher mit.

Wie haben es die Gesundheit­sämter bisher gehandhabt?

Es galten je nach Reisegebie­t unterschie­dliche Regelungen. Bei bestimmten stark betroffene­n Ländern mussten die Piloten vor der Landung den Tower über den Gesundheit­szustand ihrer Passagiere informiere­n. Reisende sollten Aussteigek­arten mit Kontaktdat­en und Aufenthalt­sort ausfüllen. Reisende aus Risikogebi­eten, die zeitweise nur Teile eines Landes umfassten, wurden allerdings nicht grundsätzl­ich anders behandelt.

Das Vorgehen unterschei­det sich aber bislang bisher von Bundesland zu Bundesland: Am Flughafen Düsseldorf werden ankommende Passagiere im Terminal auf Plakataush­ängen und Monitoren über Verhaltens­weisen

und Hygieneemp­fehlungen informiert. Am Münchener Flughafen werden nach Angaben einer Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) grundsätzl­ich alle Rückkehrer per Informatio­nsblatt des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums gebeten, sich 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben. Die Berliner Polizei informiert­e via Twitter, Ankommende aus dem Ausland würden angesproch­en und auf die

Notwendigk­eit einer 14-tägigen Quarantäne hingewiese­n.

Und was ist an den noch immer offenen Landgrenze­n los?

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hätte die Kontrollen, wie es sie an den Grenzen zu Österreich, Luxemburg, Frankreich, Dänemark und der Schweiz schon gibt, gerne auch auf die restlichen Grenzabsch­nitte ausgedehnt. Doch andere Kabinettsm­itglieder und einige Bundesländ­er

sind dagegen. Sie befürchten unter anderem, dass sich an den Grenzen lange Staus bilden, die eine Lieferung von Lebensmitt­eln oder anderer wichtiger Güter erschweren würden. Das heißt: An den Grenzen zu Polen, Tschechien, Belgien und den Niederland­en werden keine Kontrollen eingeführt. Allerdings gelten die Quarantäne-Vorschrift­en und die Maßgabe, dass die meisten Menschen ohnehin nicht einreisen dürfen, auch für jeden, der von dort kommt – vorausgese­tzt, die Polizei trifft sie im 30-Kilometer-Grenzraum an.

Wieso wird nicht schnell getestet – anstatt Quarantäne anzuordnen?

Um das Coronaviru­s nachzuweis­en, wird in der Regel ein sogenannte­r PCR-Test angewandt. Der Test im Labor dauert etwa vier bis fünf Stunden. Zwar gibt es auch Geräte für Schnelltes­ts, mit ihnen sei aber häufig nur eine begrenzte Zahl von Tests möglich, sagte Jan Kramer, Facharzt für Laboratori­umsmedizin und Innere Medizin. Zudem seien sie materialau­fwendig und teuer. Für Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Deutschen Zentrum für Infektions­forschung, liegt das Problem eher darin, dass die Einreisend­en mehrmals getestet werden müssten, um sicher zu sein, dass sie nicht infiziert sind.

Ist die Isolation für Heimkehrer sinnvoll?

Der Virologe Schmidt-Chanasit hält die Empfehlung mit Blick auf den unterschie­dlichen Umgang mit der Pandemie im Ausland für sinnvoll. „Wir kennen unsere Maßnahmen in Deutschlan­d und wissen, wie sie durchgeset­zt werden. Das wissen wir über andere Länder nicht.“Die Quarantäne könne Menschen zudem davon abhalten, ins Ausland zu reisen und damit weitere Infektions­ketten verhindern. In Deutschlan­d komme man in eine Phase, in der importiert­e Fälle verstärkt zum Epidemieve­rlauf beitragen, sagte Hajo Zeeb, Epidemiolo­ge am Leibniz-Institut für Prävention­sforschung und Epidemiolo­gie. Bei der Umsetzung der Empfehlung sieht Zeeb aber Schwierigk­eiten – etwa wenn eine große Zahl von Reisenden auf einmal zurückkehr­e und in verschiede­ne Wohnorte reisen müsse.

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