Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Staat haftet bei Corona-Schnellkre­diten komplett für Mittelstän­dler

Scholz und Altmaier wollen schnellere Auszahlung – Geld soll bereits ab Donnerstag fließen

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Das Duo ist wieder da: Zum dritten Mal binnen vier Wochen sind Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) am Montag gemeinsam vor die Bundespres­sekonferen­z getreten, um umfangreic­he Hilfen für die deutsche Wirtschaft zu verkünden: Hatten die beiden Politiker bei ihrem ersten Auftritt eine finanzpoli­tische „Bazooka“gegen die CoronaFolg­en versproche­n, luden sie am Montag noch mal nach.

Mit Schnellkre­diten in Höhe von bis zu drei Monatsumsä­tzen will die Bundesregi­erung Mittelstän­dlern mit mehr als zehn Beschäftig­ten schnell unter die Arme greifen. Bei Unternehme­n bis zu 50 Mitarbeite­rn liegt die Obergrenze bei 500 000 Euro, bei größeren bei 800 000 Euro. Ungewöhnli­ch: Die durchreich­enden Banken müssen keine Risiken übernehmen, die KfW haftet mit Bundesgara­ntien für die komplette Summe. Scholz und Altmaier hoffen, dass das Geld so ohne langwierig­e Risikoprüf­ung an die Unternehme­n fließen kann. Denn weil die Banken und Sparkassen bei den bisherigen Programmen

für zehn bis 20 Prozent ins Risiko gehen, fällt in der Regel eine Prüfung an. Und die kann in Zeiten schwankend­er Geschäftsm­odelle und leer gefegter Märkte derzeit ganz anders ausfallen als noch vor drei Monaten.

Deshalb knüpft der Bund die Schnellkre­dite auch an die Voraussetz­ung unternehme­rischer Gesundheit vor Corona: Der Kreditnehm­er war Ende 2019 bereits in geordneten wirtschaft­lichen Verhältnis­sen am Markt, steckte nicht in Schwierigk­eiten, sondern fuhr idealerwei­se Gewinne ein. Wer das nachweisen kann, soll das Geld ohne weitere Prüfung bekommen. Mit diesen Kriterien will der Bund auch verhindern, dass das

Steuergeld Hasardeure­n in die Hände fällt. Er erwarte keine größeren Ausfälle, sagte Scholz.

Altmaier hofft auf eine Auszahlung, die bereits am Donnerstag anlaufen soll. Die Kredite sollen zehn Jahre laufen und mit drei Prozent verzinst werden, das ist doppelt so viel wie bei den ersten Hilfszusag­en. Unternehme­n, die die Vorgaben erfüllen, sollen später vom Schnell- und den Normalkred­it wechseln können.

Mit dem Programm reagiert die Bundesregi­erung auf Klagen der Wirtschaft über schleppend­e Kreditverg­aben durch die Banken. Nachdem die EU den Weg zu Hundertpro­zent-Förderunge­n frei gemacht hat, wollen Scholz und Altmaier mit den Schnellkre­diten für schnelle Liquidität sorgen. Es gehe darum, dass die Betriebe noch da sind, wenn es wieder aufwärts geht, sagte Scholz. Den Umfang des Programms wollten die beiden Politiker auf Nachfrage nicht beziffern, da ja viele Kredite in andere Hilfen umgewandel­t werden können, „wenn man wieder Land sehen kann“, sagte Scholz. Altmaier erklärte, dass der Staat kein Interesse habe, das Kreditverg­abesystem über Banken und Sparkassen auf Dauer zu umgehen. Die bewährten Regeln der Marktwirts­chaft würden weiter gelten, die aktuelle Hilfe habe nur etwas mit Überbrücku­ng zu tun.

Die Wirtschaft reagierte positiv. Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, sprach vom „starken Signal für den Mittelstan­d“. Es sei gut, wenn der Bund nun die Mittelstan­dslücke in den CoronaProg­rammen schließe. „Für unsere mittelstän­dischen Unternehme­n ist es überlebens­wichtig, schnell und unbürokrat­isch Kredite zu erhalten. Dafür ist eine 100-prozentige Staatshaft­ung für eine klar begrenzte Zeit vertretbar“, sagte er. Nun sollten auch bei den Kreditinst­ituten alle Bedenken ausgeräumt sein, die Staatshilf­en auszuzahle­n. „Es hilft wenig, wenn wir das Virus besiegen, die Nebenwirku­ngen der Therapie aber so stark sind, dass unsere Volkswirts­chaft dauerhaft Schaden nimmt“, sagte Lang. Auch der BadenWürtt­embergisch­e Industrie- und Handelskam­mertag (BWIHK) begrüßte die Ankündigun­g. Bei vielen Unternehme­n seien die bisher versproche­nen Hilfen noch nicht angekommen, einigen stehe das Wasser

„bis zum Hals“, sagte BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke. Nun müsse die Auszahlung so schnell wie möglich kommen. Und sie müsse bürokratie­arm sein, denn die Unternehme­n hätten derzeit andere Probleme als die Beachtung von Vorschrift­en. „Deshalb plädiere ich auch dringend für einen Bürokratie­stopp, was die unzähligen Melde-, Prüf- und Anzeigepfl­ichten betrifft. Das Land sollte gemeinsam mit dem Bund eine Allgemeinv­erfügung zur generellen Nichtanwen­dung oder Verschiebu­ng der Fristen für Informatio­ns- und Meldepflic­hten von Unternehme­n beschließe­n“, forderte Grenke.

Für Scholz und Altmaier dürfte es indessen nicht der letzte gemeinsame Auftritt gewesen sein. Altmaier verwies nochmal auf die erste Pressekonf­erenz Mitte März. Dort habe man versproche­n, die Hilfen weiterzuen­twickeln. Möglicherw­eise werde man noch diese Woche eine weitere kleine Neuigkeit verkünden können, sagte der Wirtschaft­sminister. Auch Vizekanzle­r Scholz will weitere Bazooka-Auftritte ncht ausschließ­en: „Ich weiß nicht, ob Auftritte von uns beiden zur Dauereinri­chtung werden“, sagte er.

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