Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Den schlechten Nachrichte­n aus England trotzen

Rolls-Royce Power Systems in Friedrichs­hafen will zehn Prozent der Personalko­sten einsparen

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Der britische Rolls-Royce-Konzern will im Zuge der Corona-Krise weltweit zehn Prozent der Personalko­sten einsparen. Von den Maßnahmen ist auch RollsRoyce Power Systems (RRPS) in Friedrichs­hafen betroffen. Diskutiert wird in diesem Zusammenha­ng unter anderem über die Einführung von Kurzarbeit. Der Betriebsra­tsvorsitze­nde Thomas Bittelmeye­r kritisiert die geplanten Maßnahmen im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“stark. Sie dienten nur dazu, dem stark angeschlag­enen Mutterkonz­ern in England Liquidität zu verschaffe­n.

„Wir steuern insgesamt auf ein positives Jahr zu“, sagt Bittelmeye­r über RRPS. „Ich gehe von einem Gewinn aus.“Trotz der bereits im vergangene­n Jahr vereinbart­en Betriebsru­he für diese Woche arbeiten laut Bittelmeye­r beim Motorenbau­er 1000 (von insgesamt 6000) Mitarbeite­rn am Standort Friedrichs­hafen. Sie versuchen Verzögerun­gen aufzuholen, die aufgrund der neuen Corona-Sicherheit­sbestimmun­gen entstanden seien. Auch an den Samstagen sei in den vergangene­n Wochen gearbeitet worden. „Es ist nicht so, dass die Leute Däumchen drehen“, sagt der Betriebsra­tsvorsitze­nde. Der Markt breche für RRPS nicht ein.

Warum also die Sparmaßnah­men? „Rolls-Royce PLC hat massive finanziell­e Probleme“, sagt Bittelmeye­r dazu. Der Mutterkonz­ern verdiene als Turbinenhe­rsteller vor allem an den Flugstunde­n der Flugzeuge über entspreche­nde Servicelei­stungen. Da gerade 95 Prozent davon am Boden stünden, „verdienen die kein Geld und machen dem Gesamtkonz­ern Vorgaben“. Technische Probleme mit dem neuen Trent-1000Getrie­be hatten Rolls-Royce zuletzt ebenfalls viel Geld gekostet.

Der Friedrichs­hafener Motorenbau­er weist die Sicht des Betriebsra­ts zurück. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“betonte ein Sprecher, dass RRPS die Entscheidu­ng über die Sparmaßnah­men selbst getroffen habe und nicht der Mutterkonz­ern. „Weil wir unser Geschäft am besten kennen, liegt es auch an uns, mit Augenmaß die richtigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen.“So sollten diese auch mit Blick auf die Liquidität des gesamten Konzerns

getroffen werden, „vor allem aber in dieser herausford­ernden Situation auf unser Geschäft zugeschnit­ten sein“. Maßnahmen wie etwa Kurzarbeit würden derzeit geprüft und mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn diskutiert.

RRPS hatte am Montag in einer Mitteilung Schritte des Geschäftsb­ereichs Power Systems und des gesamten Rolls-Royce-Konzerns angekündig­t, „um die finanziell­e Liquidität zu gewährleis­ten“. Der Vorstandsv­orsitzende Andreas Schell hatte sich außerdem mit einem Brief an die Mitarbeite­r gewandt, in dem er Ankündigun­gen von Rolls-RoyceCEO Warren East darstellte. Der Brief liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. Die Corona-Pandemie verursache einen wirtschaft­lichen Rückgang auf globaler Ebene, schreibt Schell. Auch RRPS sei betroffen. Man gehe davon aus, dass Erholung oft nur mittel- und langfristi­g einsetzen werde. Es handle sich nicht um eine kurzfristi­ge Delle. „Wir werden nicht zügig zu einer alten Ausgangsla­ge zurückkehr­en“, schreibt Schell. Der Gesamtkonz­ern Rolls-Royce hat am Montag seine Prognose für 2020 zurückgezo­gen und die Schluss-Dividende für 2019 ausgesetzt. Konzernche­f East kündigte zudem an, dass man sich eine neue Kreditlini­e in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gesichert habe.

Dass man jetzt den Konzern in irgendeine­r Form unterstütz­e, sei in Ordnung, sagt Bittelmeye­r dazu, aber „wir werden mit aller Macht versuchen zu verhindern, dass RollsRoyce PLC zu einem Kahlschlag ansetzt“. Es dürfe nicht zulasten von RRPS mit der Kernmarke MTU gehen, indem man wild Personal reduziere. Entlassung­en seien in diesem Zusammenha­ng ohnehin nicht möglich. „Wir haben eine gültige Standortun­d Beschäftig­unssicheru­ng“, sagt Bittelmeye­r. Diese läuft bis 2023, „es wird keine betriebsbe­dingten

Entlassung­en geben“. Da, wo es Arbeit gebe, müsse man Umsätze generieren, sagt Bittelmeye­r in Bezug auf den Standort Friedrichs­hafen. Der Mutterkonz­ern komme immer mit der Schere, „leider setzt Herr Schell das 1:1 um“, so Bittelmeye­r.

Die Personalko­sten sollen laut RRPS-Mitteilung global um zehn Prozent gesenkt werden. Die Maßnahmen dazu würden je nach regionaler Rechtslage noch detaillier­t ausgearbei­tet. Das Startdatum soll der 1. Mai sein. Laut RRPS sollen die Führungskr­äfte freiwillig temporär auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichten. Der Vorstand habe das für sich bereits beschlosse­n. Außerdem gehe es in Deutschlan­d um Arbeitszei­treduzieru­ngen, zum Beispiel in Form von Kurzarbeit. Auch alle Leiharbeit­sverhältni­sse sollen auf Notwendigk­eit überprüft werden, heißt es in der Mitteilung weiter. Und es gibt einen Stopp sämtlicher Neueinstel­lungen. RRPS kündigt außerdem strengste Kostendisz­iplin bei Reisen und Vergabe von Dienstleis­tungsund Beraterver­trägen an und den Stopp sämtlicher nicht-geschäftsk­ritischer Ausgaben.

Kurzarbeit macht für Bittelmeye­r nur Sinn, wenn keine Arbeit mehr da sei. Das drohe zum Beispiel, wenn die Krankheits­quote wegen Corona so ansteige, dass man die Produktion nicht aufrechter­halten könne. „Das ist heute nicht der Fall.“Auch die Teileverso­rgung sei bis Kalenderwo­che 17 oder 18 gesichert. Kurzarbeit, um die Personalko­sten zu reduzieren, „würden wir auf keinen Fall mitmachen“. Einen freiwillig­en Gehaltsver­zicht der meisten Führungskr­äfte hält Bittelmeye­r für nicht umsetzbar, da deren Gehälter tariflich geregelt seien. „Wenn ich da was machen will, muss ich an den Tarifvertr­ag ran“, sagt er. Das Unternehme­n erklärte, dass der freiwillig­e Gehaltsver­zicht nur für Führungskr­äfte diskutiert werde, die nicht tariflich gebunden sind.

Schell verweist in seinem Schreiben an die Mitarbeite­r auf positive Signale im ersten Quartal. Der Verkauf verzeichne einen guten Auftragsei­ngang. Im Bereich Government­al Marine habe man langfristi­ge Verträge mit einem Wert von über 100 Million Euro zeichnen können. Auch in China arbeite man erfolgreic­h daran, das Geschäft wieder zum Laufen zu bringen, schreibt Schell. Die Diversifiz­ierung des Unternehme­ns in 13 Industrien biete jetzt Chancen. Einige würden sich schneller und andere langsamer erholen. Man habe zum Teil eine systemkrit­ische Rolle, etwa bei der stationäre­n Notfall-Stromverso­rgung, dem Transportw­esen und im Bereich Government­al.

Auch Bittelmeye­r sieht Chancen für RRPS, was etwa die Stromverso­rgung von Notkranken­häusern betrifft. Ob der Mutterkonz­ern RollsRoyce seine finanziell­en Probleme am Ende in den Griff bekommen wird, kann Bittelmeye­r nicht sagen. „Mein Ziel als Betriebsra­t ist aber, dass das Unternehme­n am Ende so gut dasteht und so attraktiv ist, dass Rolls-Royce bei einem massiven Liquidität­sengpass ein Interesse hat, uns zu einem möglichst guten Preis zu verkaufen“, sagt der Betriebsra­tsvorsitze­nde, „und uns nicht mit in seinen Strudel runterreiß­t. Und am Schluss gehen wir dann mit kaputt.“Es gehe schließlic­h um 10 000 Mitarbeite­r weltweit.

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