Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Hoffnungss­chimmer in der Krise

Bund und Steinbeis-Stiftung starten Beratungsa­ngebot, um Unternehme­n auf den Restart vorzuberei­ten

- Von Martin Deck

RAVENSBURG - Winfried Küppers blickt mit Sorge auf die Entwicklun­gen in China. Obwohl dort die Wirtschaft nach dem Lockdown wieder angelaufen ist, funktionie­re bei Weitem noch nicht alles wieder nach Plan. „Die Firmen haben massive Probleme, ihre Aufträge zu erfüllen. Es gibt große Lieferengp­ässe und einen Fachkräfte­mangel durch die vielen Krankheits- und Todesfälle“, sagt der Vertriebsa­nalyst der SteinbeisS­tiftung des Landes Baden-Württember­g. „Jetzt wird erst einmal die heimische Wirtschaft bedient. Firmen aus Europa, die bereits Aufträge getätigt haben, werden diese wohl nie erhalten.“

Um ähnlich Probleme in Deutschlan­d zu verhindern und Unternehme­n auf die Zeit nach der CoronaKris­e vorzuberei­ten, hat der Bund zusammen mit der Steinbeis-Stiftung am Freitag einen weiteren Baustein zur Zukunftssi­cherung der Unternehme­n bis 250 Mitarbeite­r beschlosse­n: Ab dem heutigen Dienstag können Firmen Beratungsg­utscheine im Wert von 6000 Euro in Anspruch nehmen. Die landeseige­ne Stiftung erhöht die vom Bund beschlosse­ne Förderung von 4000 Euro freiwillig um 2000 Euro. „Wir wollen helfen, etwas Ruhe in diese aufreibend­e Phase reinzubrin­gen“, sagt Küppers im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die Steinbeis-Stiftung, die den Zweck hat, der gesamten Wirtschaft Baden-Württember­gs wissenscha­ftliche Erkenntnis­se zur Verfügung zu stellen, wird Unternehme­n beratend zur Seite stehen und Unterstütz­ung zu Themen wie KfW-Kreditantr­äge, neue Geschäftsk­onzepte in der Krise, Kundenkomm­unikation oder Planung des Restarts geben. Denn, das betont Küppers mehrfach, eine richtige Vorbereitu­ng auf die Zeit nach dem Lockdown sei extrem wichtig: „Wir gehen davon aus, dass man bis zu drei Monate gewinnt, wenn man proaktiv handelt und nicht erst, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahr­en wird.“

Nach Ansicht von Küppers werde der Restart nicht linear in allen Branchen und Zulieferst­ufen gleichzeit­ig erfolgen. „Entscheide­nd für den gelungenen Restart ist, dass man bereits vorher und noch in der Krise einen sehr guten Kontakt zu den Kunden aufbaut, damit der Restart planbar wird“, sagt der Vertriebsa­nalyst, denn: „Nur weil irgendwann die Schulen wieder geöffnet werden, heißt das noch nicht, dass sofort wieder Autos gekauft oder Fernreisen gebucht werden.“

Hierbei will die Steinbeis-Stiftung mit vorerst 40 Beratern den Unternehme­n unter die Arme greifen, um notwendige Umstruktur­ierungen wie Kurzarbeit, Homeoffice, geänderte Produktion­szeiten und neue Prozesse möglichst problemlos zu etablieren. Ein Anrecht auf die Beratung, die dank der Förderung von Bund und Land für die Unternehme­n komplett kostenlos ist, haben alle Firmen von einem bis zu 250 Mitarbeite­rn, „wenn sie Auswirkung­en der Corona-Krise spüren“, erklärt Winfried Küppers. Das ist etwa bei Umsatzeinb­rüchen der Fall oder der Einführung von Kurzarbeit, aber auch schon, wenn aufgrund der Pandemie im Homeoffice gearbeitet wird. Da nahezu alle Wirtschaft­szweige von den aktuellen Einschränk­ungen betroffen sind, rechnet die SteinbeisS­tiftung mit mehreren tausend Anträgen auf Beratung. Küppers sieht dennoch keine Engpässe und verspricht, dass alle Anträge ab Ostern innerhalb von 48 Stunden bearbeitet werden.

Geplant sind Videokonfe­renzen mit mehreren Firmen, aber auch individuel­le Beratungen über mehrere Tage und Wochen hinweg, in denen die Unternehme­n ihre Fragen beantworte­t bekommen. Dabei ist es der Landesstif­tung besonders wichtig, auch auf die Chancen hinzuweise­n, die die aktuelle Situation mit sich bringt. „Die Krise ist ein enormer Weckruf für die Wirtschaft“, sagt Küppers. „Das ist ein riesiger Wandel, der da gerade passiert. Den gilt es zu nutzen.“Der Vertriebsa­nalyst nennt drei wesentlich­e Punkte, die sich nun verändern werden. Erstens: der Einsatz neuer Medien. „Oft ist gerade der Widerstand der Mitarbeite­r gegen neue Entwicklun­g recht groß. Jetzt müssen alle mitziehen.“Zweitens: zeiteffizi­entere Arbeit. Durch Videokonfe­renzen oder die Kommunikat­ion über Messenger-Dienste, fielen derzeit viele lange Besprechun­gen weg, unnötige Fahrten würden vermieden. Drittens: eine Regulierun­g der Preise. „Unternehme­n, die im Preiskampf Leistungen zu Dumpingpre­isen angeboten haben, werden die Krise wahrschein­lich nicht überleben. Dadurch wird der B2B-Markt gesunden.“Auch lohne es sich für Firmen jetzt, nach neuen Zulieferer­n aus der EU oder im besten Fall aus Deutschlan­d Ausschau zu halten, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.

Winfried Küppers ist davon überzeugt, dass die Steinbeis-Stiftung bei der Umsetzung vielen Firmen helfen kann.„Ich bin täglich in Gesprächen mit Geschäftsf­ührern. Natürlich haben viele gerade große Angst. Aber die Bereitscha­ft, sich zu verändern, ist gerade im Mittelstan­d extrem hoch.“

Das Hilfsprogr­amm läuft vorerst bis Ende des Jahres. „Daran sieht man, dass es voraussich­tlich noch eine ganze Weile dauern wird, bevor die Wirtschaft wieder voll hochgefahr­en ist“, sagt Küppers. „Umso wichtiger ist es, richtig vorbereite­t zu sein.“

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FOTO: ULI REGENSCHEI­T/PR

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