Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Himmlische Töne“für die Größen der Zeit
Teil III der Serie „Beethoven-Jubiläums-Jahr“: Ein aussagekräftiges Gemälde
RIEDLINGEN - Die musikalische Welt feiert den 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens (1770-1827). Zentren, an denen das Musikgenie lebte und wirkte wie Bonn und Wien, stehen im Mittelpunkt des Geschehens. Und wenn woanders auch nur die kleinste Gemeinsamkeit mit dem Komponisten entdeckt werden konnte, wird dies besonders betont. Ein überaus beeindruckendes Beispiel dafür liefert wieder einmal indirekt Riedlingen.
In der Berliner Nationalgalerie hängt ein auf Holz gemaltes Bild (119 x 167 cm), das mehrere Personen um den Pianisten und Komponisten Franz Liszt (1811-1886) vereint – an einem Hammerflügel des Riedlinger / Wiener Klavierbauers Conrad Graf (1782-1851). Natürlich darf auch Beethoven, der Liszt sehr schätzte und förderte, nicht fehlen. Seine Büste ist auf Grafs Flügel, auf Notenblättern und einem Buch erhöht, abgestellt und zieht die Blicke auf sich.
Dieses beeindruckende Kunstwerk schuf der Wiener Maler Josef Danhauser (1805-1845) „Im Auftrage Conrad Graf ’s zur Erinnerung an Liszt 1840“. Er hatte sein Atelier sogar im Anwesen Conrad Grafs. Bekannt sind seine Körperstudien zum Klavierbauer. Manche vermuten gar, dass Graf bestes Resonanzbodenholz bereitstellte für das epochale Gemälde, das die Größen aus Literatur und Musik vereint, bereichert durch zwei Gesellschaftsdamen der Zeit. Diese Versammlung mit den Größen der Zeit hatte nie stattgefunden.
„Unser, mit Recht allgemein berühmter, k. k. Hof-Instrumentenmacher, Conrad Graf, der außer seiner eigenen Kunst jede andere zu schätzen weiß, und welcher … auch die Mittel besitzt, Künstler würdig zu belohnen, wünschte von unserm Danhauser ein Bild zu erhalten, und zwar ein Bild, worin Liszt die Hauptfigur sei. Liszt war schon als Knabe in sein Haus gekommen und hatte schon damals mit solcher Kraft und Energie in seine Instrumente hineingedonnert, daß der Meister wohl einsah für Virtuosen solcher Art müsse er etwas Solideres hervorzubringen suchen, welches ihm dann in der Folge auch so meisterhaft gelungen ist.“So berichtet die „Wiener Zeitung“am 13. Mai 1840. Das Geschehen findet „in Liszts Gemache statt, unter verwandten Seelen im Moment, den übrigen Geweihten die himmlischen Töne des Königs der Musik vorspielend.“Der König der Musik war schon 1827 gestorben, wurde aber hochverehrt und ist im Bild als Büste präsent.
„Mit jener Kraft, welche wir so oft an Liszt bewunderten, schlägt er mit den markigen Fingern … soeben den ersten Akkord der ‚Marcia Funebre‘, des ergreifenden Trauermarsches an. Daß er eben dies Stück und nichts anderes spielt, hat der Maler durch die Aufschrift auf dem Notenblatt angedeutet, welches vor Liszt auf dem Pulte des Pianoforte liegt.“Liszt hatte in Wien eine Konzertreihe gegeben, die viel Aufsehen erregte. Zu seinem Abschiedskonzert am 25. Mai 1838 schrieb die Wiener Presse: „Zu erwähnen wäre noch, daß Liszt in allen seinen Concerten auf einem und demselben, ganz vortrefflichen Instrumente des Hrn. Graf spielte ... Grafs ohnedies rühmlich bekannten Arbeiten haben eine wahrhafte Feuerprobe bestanden.“Es war nicht ungewöhnlich, dass bei Konzerten von
Franz Liszt die Saiten dem Anschlagsdruck nicht standhielten!
Das Gemälde zeigt berühmte Personen aus Liszts Freundeskreis, darunter stehend Victor Hugo (18021885), Niccolò Paganini (1782-1840), der in jenem Jahr starb, „der große Geist mit dem Jammerkörper und Gioachino Rossini (1792-1868), der wohlgenährte Lebemann“, sitzend Alexander Dumas d.Ä. (1802-1870), neben ihm die damals bedeutende Schriftstellerin George Sand (18041876), in Männerkleidern und Zigarre rauchend, schließt sie dessen Buch. Sie war zu jener Zeit die Geliebte und Muse des gefeierten Virtuosen Frederic Chopin (1810-1849). Gräfin Marie d' Agoult (1805-1876), die in Paris einen Salon unterhielt, sitzt zu Füßen Liszts als dessen Geliebte. Der neunundzwanzigjährige Liszt, der einzige Pianist in der Runde, spielt auf einem Graf-Klavier, das bereits den neuen Klavierzettel (Namensschild) Grafs aus der Zeit um 1838 zeigt. Liszts Blick ist auf Beethovens Büste gerichtet, den er sehr verehrte und der ihn sehr gefördert hatte. Beethoven thront gleichermaßen über der honorigen Runde, von einer genialen Unordnung umgeben, dem Diesseits entrückt, was durch das geöffnete Fenster mit weitem, wolkenverhangenem Horizont noch unterstrichen wird. Er schwebt als Genius über allem Irdischen. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch einen zu beiden Seiten des Klaviers geöffneten Vorhang, der den Schauplatz gleichsam in eine Bühne verwandelt. Nur die drei Musiker im Salon haben ihre Augenpaare auf Beethoven gerichtet und verfolgen sozusagen mit Augen und Ohren das Spiel, während die übrigen vier Personen, jede in eine andere Richtung blickend, wohl auch eigenen Gedanken nachgehen.
Bemerkenswert erscheint, dass Chopin nicht auf dem Bild dargestellt ist und somit Liszt konkurrenzlos das musikalische Geschehen bestimmt. Dass Graf die Szene mit Liszt als einzigem Virtuosen an seinem Flügel in Auftrag gab, kann auch daran liegen, dass Liszt in Wien seine fünf Konzerte „auf ein und demselben Graf “(wohl Opus 2787, das heute in Wien noch existiert), spielte, obwohl ihm auch ein Instrument von Grafs französischem Konkurrenten Erard zur Verfügung gestanden hätte. Es gehörte allerdings Sigismund Thalberg (1812-1871), einem ebenfalls gefeierten Virtuosen der Zeit. Zwischen Liszt und Thalberg bestand eine öffentlich ausgetragene Rivalität.
Gleichgültig, welcher der großen Virtuosen jener Zeit wo auch immer konzertierte, war dieser auf das Medium Hammerflügel angewiesen. Die bedeutendsten Klavierbauer der Zeit, Sébastien Erard (1752-1831) in Paris und Broadwood & Sons in London konkurrierten mit Graf in Wien durch Schenkungsangebote ihrer Instrumente an berühmte Komponisten. Graf konnte sich mit seinen Produkten in Wien, aber auch in Europa sehr gut behaupten und bringt mit dem von ihm in Auftrag gegebenen, inhaltlich äußert spannungsgeladenen Bild zum Ausdruck, dass seine Kunst des Instrumentenbaus neben der eines Komponisten oder Schriftstellers gleichbedeutend bestehen kann. Denn ohne Instrument können Klavierkompositionen nicht hörbar gemacht werden. Dazu muss er als Person nicht im Bild erscheinen, sondern der Hammerflügel erklingt als sein Medium.