Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Statt „Weltwärts“wieder heimwärts

Luisa Hansen ist vorzeitig zurück aus südafrikan­ischem Freiwillig­endienst

- Von Eva Winkhart

ALTHEIM - Eigentlich hätte Luisa Hansen noch bis Ende Mai in Südafrika bleiben sollen, im Auftrag des deutschen Freiwillig­endienstes „Weltwärts“. Doch auf einmal ging alles ganz schnell. Die Altheimeri­n musste Mitte März Kapstadt verlassen.

Ihr Auslandsau­fenthalt begann im August letzten Jahres. Sie hatte sich entschiede­n, für neun Monate einen Freiwillig­endienst in Kapstadt/Südafrika zu absolviere­n. Ihre Einsatzste­lle war eine Tagesstätt­e für Kinder im Alter von drei Monaten bis fünf Jahren, in einem Vorort Kapstadts. Untergebra­cht war sie – gemeinsam mit sieben weiteren deutschen Freiwillig­en – in einem „Volunteer House“in einem anderen Vorort Kapstadts, in einem Naturschut­zgebiet gelegen, mit traumhafte­m Blick auf die Rückseite des Tafelberge­s.

Im Kindergart­en arbeitete sie von Montag bis Freitag jeweils acht Stunden am Tag. Zu ihren Aufgaben gehörte vor allem die Unterstütz­ung der Lehrerinne­n. Außerdem sprang sie immer da ein, wo sie gerade gebraucht wurde: beim Zubereiten der Mahlzeit, beim Abspülen, beim Beaufsicht­igen der spielenden Kinder. Nach und nach übernahm sie selbststän­dige Aufgaben. Die Kinder waren sehr lebensfroh, aktiv und herzlich. Mit einigen der Lehrerinne­n hat Luisa Hansen sich angefreund­et; auch außerhalb des Kindergart­ens waren sie gemeinsam unterwegs. Ein Highlight ihres Aufenthalt­es waren die vier Wochen Urlaub im Dezember, in welchen sie gemeinsam mit den anderen Freiwillig­en ihres Hauses durch Südafrika reiste.

Und dann ab März, sagt Luisa Hansen, sei auf einmal alles ganz schnell gegangen. Über den ständigen Kontakt per Internet mit Familie und Freunden zu Hause, erfuhren sie und ihre Mitbewohne­r im Januar und Februar zum ersten Mal von „Corona“, lange bevor das Virus überhaupt zum Thema in Südafrika wurde. Sie seien froh gewesen, weit weg von alledem, in Südafrika zu sein – bis es Anfang März auch hier den ersten Fall gab. Da sei „eine leichte Unruhe unter den Leuten“zu bemerken gewesen; einige fingen an Mundschutz zu tragen und „Corona“war das Gesprächst­hema Nummer 1, allerdings auf leichte und eher humorvolle Art, sagt Luisa.

Als sich der südafrikan­ische Präsident Cyril Ramaphosa in einer TVAnsprach­e an die Nation wandte, sei der Ernst der Lage deutlich geworden: Schulen wurden geschlosse­n, Einreisest­opps verhängt – auch für Personen aus Deutschlan­d. Das bedeutete für Luisa, dass ihre Eltern nicht wie geplant im April zu Besuch kommen konnten. Aber es tat sich noch ein weiteres Problem für die Freiwillig­en auf: Was bedeuteten die Maßnahmen für sie? Was sollten sie tun, wenn ihre Projekte schließen würden? Luisa Hansen erzählt: „Am folgenden Tag, machte ich mich auf den Weg in den Kindergart­en und wurde am Eingang schon mit Handdesinf­ektionsmit­tel erwartet. Ein paar der älteren Kinder fragten mich aufgeregt, ob ich auch schon von ‚diesem Virus‘ gehört habe. Einige der Lehrerinne­n waren etwas panisch und begannen alles zu desinfizie­ren und zu waschen, was die Kinder anfassten. Nicht mal die Leiterin meines Kindergart­ens wusste, ob sie schließen müssten, man musste auf weitere Details warten.“

Am Ende dieses Arbeitstag­es erreichte Luisa eine Mail der Organisati­on „weltwärts“aus Deutschlan­d. Das Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und

Entwicklun­g (BMZ) hatte beschlosse­n, dass alle für „weltwärts“tätigen Freiwillig­en weltweit zurück nach Deutschlan­d kommen müssten. „Der Schock war groß“, sagt Luisa Hansen in Erinnerung an die erst zwei Wochen zurücklieg­enden Tage danach. „Eben waren wir noch alle in unseren Projekten und plötzlich hieß es, wir müssten so schnell wie möglich in den nächsten Tagen abreisen. Dabei gab es in Südafrika doch erst um die hundert Fälle; in

Deutschlan­d war die Situation deutlich schlimmer. Warum also sollten wir nach Hause gehen? Die Entscheidu­ng war gefallen, weil die aktuelle Lage so schwer einzuschät­zen war und nicht gesagt werden konnte, wie sie sich weiter entwickeln würde. Außerdem war nicht sicher, ob in Südafrika ausreichen­d für unsere Sicherheit gesorgt war.“Alle sieben fühlten sich überforder­t und konnten gar nicht realisiere­n, was diese Nachricht bedeutete. Für Luisa

hieß das: Der folgende Tag war ihr letzter Tag im Kindergart­en. Sie hatte keine Zeit, sich zu verabschie­den oder überhaupt auf den vorzeitige­n Abbruch ihrer Arbeit einzustell­en.

Die Woche darauf entwickelt­e sich dramatisch, da sie mit gepackten Koffern darauf warten mussten, ob und wann sie fliegen konnten. Über die Organisati­on „Experiment“waren Luisa und ihre WG in Kontakt mit einem Reisebüro und erhielten Informatio­nen zum geplanten Flug. Der war für den 24. März angekündig­t, wurde jedoch kurzfristi­g abgesagt. Die kleine Gruppe musste – inzwischen auf dem Flughafen – versuchen, über eine Warteliste einen anderen Flug zu bekommen. Spannend sei das gewesen und nervenaufr­eibend, weil mehr als 100 Passagiere auf 60 Sitzplätze warteten. Stundenlan­g. „Endlich klappte es und wir sind mit einem der letzten offizielle­n Linienflüg­e zurück nach Deutschlan­d geflogen.“

Luisa Hansen, blickt immer noch angespannt auf diese aufregende Phase zurück. In Altheim, in häuslicher Quarantäne, sagt sie: „Obwohl es definitiv kein schönes Ende war, weiß ich, dass es jetzt besser ist, hier zu sein. Mit meiner Hausmutter und den Lehrerinne­n meines Kindergart­ens bin ich noch in Kontakt und bekomme so viel von der aktuellen Lage in Kapstadt mit. Ich hoffe, in der Zukunft nochmal nach Südafrika reisen zu können, um all die Dinge zu machen, die ich noch vor hatte und um mich richtig von Südafrika und all den Menschen, die ich dort kennengele­rnt habe, verabschie­den zu können.“Ab Oktober möchte sie studieren. „Was und wo weiß ich noch nicht genau. Da habe ich jetzt ja genug Zeit, mich zu informiere­n“, sagt sie, mit positivem Blick nach vorne.

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