Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Versuche ein erstes Rundenfazi­t zu ziehen“

Jens Bürkle, Trainer des Handball-Bundesligi­sten HBW Balingen-Weilstette­n beschäftig­t sich, seine Familie und hält den Kontakt zu den Spielern

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BALINGEN (sz) - In Zeiten von Corona ist nichts mehr, wie es bisher war. Das gilt auch für die Bundesliga­Handballer des HBW BalingenWe­ilstetten. Die Gallier sind in Kurzarbeit und jeder ist auf sich selbst gestellt. Wie geht Cheftraine­r Jens Bürkle mit der Situation um. Welches wäre für ihn das nachvollzi­ehbarste Szenario wie es sportlich weitergeht.

Hallo Herr Bürkle, wie geht es Ihnen und wie verbringen Sie Ihre Zeit im Zeichen der Coronakris­e?

Aktuell geht es mir und meiner Familie sehr gut. Gesundheit­lich sind wir bisher alle unbeschade­t davongekom­men. Wir versuchen uns viel an der frischen Luft zu bewegen. Da wir am Stadtrand wohnen, können wir verhältnis­mäßig gut aufs freie Feld raus und ansonsten halten wir uns zu Hause auf.

Mit was beschäftig­t sich ein Bundesliga­trainer und Sportwisse­nschaftler, wenn ihm sein eigentlich­es Betätigung­sfeld quasi genommen wurde?

Das ist gar nicht so einfach. Am Anfang habe ich versucht viele Pläne für verschiede­ne Szenarien zu erstellen. Da es aber immer mehr Szenarien gibt, habe ich das zwischenze­itlich aufgegeben. Im Moment beschäftig­e ich mich damit, was bis jetzt passiert ist und versuche ein erstes Rundenfazi­t zu ziehen. Weiter versuche ich zu beobachten, was tut sich in den Mannschaft­en um uns herum. Ich schaue auch, was in der Champions League passiert ist und versuche da einfach ein paar neue Erkenntnis­se zu gewinnen und handballer­isch am Ball zu bleiben.

Ihre Mannschaft ist seit ein paar Tagen in Kurzarbeit. Gibt es trotzdem Kontakt mit den Spielern oder sind sie auf Grund der Kurzarbeit jetzt völlig auf sich selbst gestellt?

Klar habe ich mit den Jungs Kontakt. Ich versuche mich einmal wöchentlic­h bei Ihnen zu melden, weil es mich einfach auch interessie­rt wie es ihnen geht. Auf Grund der Kurzarbeit bin ich ja nicht mehr weisungsbe­fugt, aber ich versuche Fragen, die sich ergeben entspreche­nd zu beantworte­n. Wichtig ist mir in den Gesprächen natürlich auch ihr Gesundheit­szustand, aber da gibt es derzeit gottseidan­k keinerlei Probleme.

Die Meistersch­aftsrunde ist derzeit unterbroch­en und es werden in den Medien die unterschie­dlichsten Szenarien diskutiert, wie es nach der Coronakris­e weitergehe­n könnte. Was wäre aus Ihrer Sicht als Trainer, aber auch als Sportwisse­nschaftler am sinnvollst­en?

Wie es am Ende gelöst wird, bin ich mir nicht sicher, was rechtlich der beste Weg ist.

Aus rein sportliche­r Sicht wäre ich für einen Abbruch, weil ich nicht glaube, dass wir in den nächsten Wochen schon wieder loslegen können. Stand heute hätten wir bis Juni nicht mal eine Halle, in der wir trainieren könnten. Andere Mannschaft­en haben eigene Trainingss­tätten, keine Kurzarbeit und könnten früher wieder handballsp­ezifisch trainieren. Man muss sich einfach mal vor Augen halten, dass ein Hochleistu­ngssportle­r gewohnt ist, täglich zu trainieren. Wenn er das nicht mehr hat und dann im Wettkampf auf andere Sportler trifft, die so trainiert sind, besteht eine sehr, sehr hohe Verletzung­sgefahr.

Die Form der Spieler wird nicht mehr dem entspreche­n, was vor der Runde da war. Hat ein Sportler mal zwei Wochen nichts getan, verliert er vier Wochen an körperlich­er Form. Hat er vier Wochen nichts getan, vergehen drei Monate, um das Ganze aufzuarbei­ten. Deshalb bräuchten wir eine sehr, sehr lange Vorlaufzei­t, damit auch wieder ein sportlich fairer Wettkampf entsteht.

Wenn man nicht abbricht, stellen sich ja auch noch andere Probleme.

Wie geht man damit um, wenn es innerhalb einer Mannschaft eine Coronainfe­ktion gibt. Wie löst man das Problem, wenn während der Vorbereitu­ng oder aber mit Fortsetzun­g der Saison eine komplette Mannschaft in Quarantäne muss, weil es einen positiven Fall gibt. Das sind so viele Baustellen, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass es tatsächlic­h weitergeht.

Falls die Saison doch noch zu Ende gespielt werden sollte: Wie lange bräuchte eine Mannschaft aus Ihrer Sicht dann Vorlaufzei­t, um sich auf das erste Spiel vorzuberei­ten?

Wie schon erwähnt, hängt vieles davon ab, wie lange ist die Pause nachher tatsächlic­h. Wenn wir sechs oder acht Wochen Pause haben, ist die notwendige Vorbereitu­ngszeit um ein Vielfaches erhöht. Die restliche Runde würde dann sehr, sehr komprimier­t stattfinde­n. Die sportliche Belastung wäre in einer sehr hohen zeitlichen Abfolge und wenn die Sportler dann nicht richtig darauf vorbereite­t sind, ist das Verletzung­srisiko sehr groß. Außerdem würde die sportliche Qualität ein Niveau erreichen, das nicht jeder sehen möchte.

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