Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vom Nordpol bis zum Südpol
Teil IV der Serie „Beethoven-Jubiläums-Jahr“: Klaviere von Conrad Graf sind weltberühmt
RIEDLINGEN - Im Beethoven-Jubiläums-Jahr werden viele Facetten im Zusammenhang mit diesem Genie aufgeschlagen und besprochen. Voraussetzung, den Menschen die genialen Kompositionen Ludwig van Beethovens zu Gehör zu bringen, sind primär die Klaviere, auf denen er komponierte. Man weiß heute sicher, dass Beethoven zwei Klaviere des Riedlinger-Wiener Instrumentenbauers Conrad Graf zur Verfügung hatte. Graf hatte durch seine Präsenz in Wien und mit seiner Fabrikation von Hammerflügeln gegenüber der Konkurrenz aus England und Frankreich entscheidenden Vorteil und gegenüber seiner örtlichen Konkurrenz von mindestens 100 Klavierbauern durch seinen internationalen Ruf „in seinem Fache, das Erheblichste, das Nennenswerteste geleistet“, wie eine Wiener Zeitung 1835 schrieb.
„Die Claviere Grafs werden am Nordpol angeschlagen und verklingen am Südpol“, heißt es dort weiter. „In Wien wird im eleganten Salon nach einem Graf‘schen Claviere Straußisch gewalzt, in Nordamerika spielt ein Quäker fromme Weisen auf einem Graf’schen Instrumente und in Moskau wird die eisige Menschheit in heitere, gaukelnde Träume gewiegt; ja selbst unter dem Äquator spielen sich die Schiffspassagiere, wenn sie vierzehn Tage nicht vom Flecke kommen, auf dem Graf’schen Piano ein Andante sustenuto vor.“
Conrad Graf (1782-1851), der vielgelobte und hochgeschätzte Bürger Wiens, hatte seine Wurzeln in Riedlingen. In der Mühlvorstadt stand sein Elternhaus, der Vater war Rotgerber und starb früh. Der Junge erlernte in der Apothekergasse den Beruf eines Schreiners und ging vor 1800 auf Wanderschaft Richtung Wien. Dort traf er auf einen aus Aderzhofen am Bussen stammenden Klavierbauer namens Jacob Schelkle und fand Arbeit. Nach dessen Tod 1802 heiratete Graf 1804 im Alter von 22 Jahren Schelkles Witwe, übernahm den Betrieb und entwickelte sich nach und nach zu diesem vielgelobten kaiserlich-königlichen Instrumentenbauer. Eine seiner Spezialitäten war es, die Klavierhämmer mit Leder zu bespannen, was er stets eigenhändig vornahm. Bis heute ist nicht untersucht worden, ob ihm hierbei das Wissen aus der heimischen Gerberei zu Nutzen kam. Davor ging man genealogisch von einer falschen Herkunft Grafs aus.
Nachdem Conrad Graf 1824 den Titel „k.&.k. Hof - Pianoforte- und Klaviermacher“erhalten hatte, war er für das kaiserliche Haus interessant geworden. Seine Instrumente standen in der Hofburg und Hoheiten besuchten seinen Betrieb im „Mondscheinhaus nebst der Karlskirche“. Die „Allgemeine Musikalische Zeitung“berichtete 1820: „Dem hiesigen Instrumentenmacher, Hrn. Conrad Graf wiederfuhr die ehrenvolle Auszeichnung eines Besuches
Sr. Majestät, der Herzogin Marie Louise von Parma [die zweite Frau Napoleons], und Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Rudolf, Cardinal Erzbischofs von Ölmütz, welche nicht nur seine ganze umfangreiche Anstalt beyfällig in Augenschein nahmen, sondern auch Bestellungen auf seine Arbeiten machten. Dieser unermüdet thätige Künstler verfertigt in der That gegenwärtig die vorzüglichsten Pianofortes; an Schönheit und Gleichheit, Stärke und Fülle des Tons finden sie nicht ihres Gleichen, und die Solidität der Arbeit verbürgt deren Dauer. Die ersten Virtuosen der Kaiserstadt bedienen sich seiner Instrumente bey ihren öffentlichen Kunstleistungen.“
Die Kundschaft des Conrad Graf
Aus Komponistenkreisen Wiens gibt es zahlreiche interessante Beispiele des Lobes für die Hammerklaviere des Conrad Graf. Eines der liebenswürdigsten stammt von Clara Wieck, später verheiratete Schumann, als sie während ihres Wienaufenthaltes in der Konzertsaison 1837/38 ihrem Verlobten Robert am 27. April 1838 schrieb: „In 2 Monaten bekomm ich einen ganz schönen Conrad Graf geschickt, für den er durchaus keine Zahlung genommen… Ich glaub Graf hat mir den Flügel geschenkt, doch setz es um Gotteswillen nicht in die Zeitung, ehe es nicht etwa gewiß; ich freuete mich sicher sehr darüber, doch traue ich es Graf’s Geiz nicht zu.“Conrad Graf hielt sein Versprechen und sogar Johannes Brahms spielte in den 1870ern noch auf diesem Instrument.
Ob Franz Schubert, ob Fréderic Chopin, ob Sigismund Thalberg oder Felix Mendelssohn, der seinem Freund Julius Schubring nach Dessau 1830 „ein funkelnagelneues Flügelein, verfertiget vom hochberumbten K.K. Hofinstrumentenmacher Conrad Graf “schickte, ob Franz Liszt oder eben auch Beethoven, alle schätzten die Instrumente von Conrad Graf. Man weiß heute sicher, dass Beethoven ein Instrument von Conrad Graf neben einem Broadwood aus England zur Verfügung hatte. Graf, der dafür bekannt war, seine Instrumente ständig zu verbessern in Anschlag, Stimmung und Dynamikmöglichkeiten. „Rastlos ist sein Forschen nach möglichster Vervollkommnung seiner Instrumente, und der Versuch seiner vierfachen Besaitung lieferte das schönste Resultat.“Er versprach sich davon eine größere Lautstärke zu erzielen, machte seine Instrumente aber gleichzeitig stimmungsanfälliger und – empfindlicher. Für den schwerhörigen Beethoven hatte er ein solches Instrument leihweise zur Verfügung gestellt, das er nach dessen Tod aber zurückholte. Einen weiteren vierchörig bespannten Graf-Flügel benützte Beethoven an seinem Wohnort Baden bei Wien. Dieser Flügel hatte einen Janitscharenzug, eine Art Schlagwerk, das Beethoven für seine „türkische Musik“in der IX. Symphonie einsetzte. Möglicherweise als Dank überließ Beethoven Conrad Graf das Autograph seiner Klaviersonate in eMoll, Op. 90.
Graf ist auch immer wieder in Beethovens Konversationsheft erwähnt. Am 2. September 1825 verbrachte Graf einen Tag in Baden bei Wien mit Beethoven, dem Komponisten Friedrich Kuhlau (1786-1832) und anderen Freunden. So lag es nahe, dass Graf bei Beethovens Beerdigung am 29. März 1827 als Fackelund Sargträger dabei war. Mit ihm begleiteten Persönlichkeiten wie Karl Czerny, Franz Grillparzer, Franz Schubert und andere den Sarg.
Conrad Grafs Bekanntheit und Wertschätzung als Klavierbauer stieg stetig. „Möge der wackere Meister, geachtet von seinen Mitbürgern, geschätzt von jedem Künstler in seiner ingeniosen Betriebsamkeit und unermüdlichen Thätigkeit fortfahren.“So ein Urteil der damaligen Fachpresse.
Seine Produkte, etwa 4500 Klaviere insgesamt, wurden sehr geschätzt und in alle Welt verkauft. Er erhielt Auszeichnungen höchster Klasse. Aus gesundheitlichen Gründen verkaufte Graf seine Produktion 1840. Er starb 1851 in Wien. Riedlingen ist in der glücklichen Lage, einen Hammerflügel von Conrad Graf aus dem Jahre 1824 in bestem Zustand als Leihgabe der Stiftung pro arte BC zur Verfügung zu haben, auf dem Künstler aus der ganzen Welt begeistert konzertieren. „Wie kann man eine ganze Schubert-Seite pianissimo und dann noch ein Diminuendo spielen“, fragte Andreas Staier, einer der aktuell bekanntesten Solisten dieses Genres, was wohl für jeden Solisten eine große Herausforderung darstellt. „Auf diesem Wiener Klavier von Conrad Graf kann man das wirklich!“